Anhörung über Situation indigener Völker Brasiliens bei Interamerikanischen Menschenrechtskommission

Indio Proteste – Foto: José Cruz/Agência Brasil
Weil Brasiliens Regierung nichts gegen die Probleme, wie die Gewalt gegenüber der Indios und die Verschleppung der Ausweisungsprozesse von Indio-Territorien unternimmt, ist es bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) der Organisation der Nationen Amerikas zu einer Anhörung gekommen.

Eingereicht hatten den Antrag zu einer Anhörung mehrere brasilianische Einrichtungen und Organisationen, unter anderem das Staatsministerium, die Anwaltskammer OAB, die Richtervereinigung für Demokratie, der Inidegene Missionsrat der katholischen Kirche (Cimi) und Repräsentatnen der indigenen Völker. Sie haben einen umfangreichen Bericht über die Lage der Ureinwohner Brasiliens vorgelegt und diesen bei der Anhörung vorgebracht.

Ein Punkt ist die steigende Gewalt gegenüber Indigener. Berichtet wird von durchschnittlich 60 Morden im Jahr zwischen 2010 und 2013, während die Zahl 2014 und 2015 auf 138 und 137 gestiegen ist. 2016 waren es laut dem Bericht 118 Morde. Medien berichten immer wieder von Übergriffen der Milizen und Großgrundbesitzer auf die Indiodörfer.

Die höchste Mordrate an Indios wird im Bundesstaat Mato Grosso do Sul verzeichnet. Bei der Gesamtbevölkerung liegt dort die Mordrate bei 27,71 pro 100.000 Einwohner, bei den indigenen Völkern beträgt sie hingegen 43,26. Beim Volk der Guarani-Kaiowá liegt die Mordrate sogar bei 62,26 pro 100.000 Einwohner.

Zitiert wurde ebenso ein Fall in Maranhão. Dort wurde im April das Volk der Gamella von bewaffneten Männern attackiert. Indios sollen dabei Hände und Füße zerschnitten worden sein. Wie wenig der Staat die Ureinwohner ernst nimmt, zeigt die Tatsache, dass die Gamella vor dem Überfall diesen zur Anzeige gebracht und um Schutz gebeten hatten. Der wurde ihnen nicht gewährt.

Kritisiert wurden ebenso die enormen Verzögerung der per Konstitution zugesicherten Ausweisung von Indio-Territorien. Laut dem Indigenen Missionsrat Cimi gibt es 1.296 Anträge. Von denen sind aber nur 401 weiter gereicht worden, 836 warten auf eine Analyse seitens der Behörden. Zu etlichen gibt es bisher keinerlei Antwort.

Unter der Regierung Michel Temers wurde im Juli darüber hinaus von der Generalanwaltschaft des Staates (AGU) eine Anweisung erlassen, nach der unter anderem nur noch dann Demarkationsanträge analysiert werden, wenn sich die Indigenen 1988 (Jahr des Inkrafttretens der Konstitution) noch auf dem heute beanspruchten Gebiet befunden haben. Damit werden Ausweisungen praktisch hinfällig, da die meisten Völker schon vorher von ihrem Land vertrieben worden sind.

Laut Marco Antônio Delfino vom Staatsministerium in Mato Grosso do Sul liegen die Demarkationen seit dem Fall von Raposa Serra do Sol auf Eis. Das Territorium ist eigentlich schon 2005 ausgewiesen worden. Nicht-Indios und zwischenzeitliche Landbesitzer des Gebietes sind dagegen allerdings immer wieder vorgegangen. Abgeschlossen wurde die Ausweisung deshalb erst 2013 nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes STF.

Zugenommen haben ebenso die Zwangsräumungen von Indio-Gemeinschaften. Häufig sind diese danach gezwungen in erbämlichen Zuständen entlang von Straßen zu hausen. Zitiert werden auch die sich seit Jahren und teilweise Jahrzehnten hinziehenden Demarkationsprozesse.

Die brasilianischen Einrichtungen haben bei der Interamerikanischen Kommission deshalb die Bildung einer unabhängigen Untersuchungsgruppe beantragt, um die Situation der Ausweisung von Indio-Territorien in Brasilien zu beleuchten.

Die brasilianische Regierung hat zu den Vorwürfen bisher keine Stellung genommen. Ein Teil der Regierungsdelegation ist zudem nicht rechtzeitig zur Anhörung in Montevideo (Uruguay) erschienen. Eine weitere Anhörung soll deshalb im November durchgeführt werden, um auch dem brasilianischen Staat die Möglichkeit einer Stellungnahme zu geben.

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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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