Hohe Ablösungssummen und Gehälter: “Jogo Bonito” bekommt zunehmend Risse

Hohe Verschuldung, absurd hohe Gehälter und ein unprofessionelles Management. Eigentlich spricht wirtschaftlich wenig für den Profifußball. In den vergangenen neun Jahren ist das Kapital immer einflussreicher geworden, die Kommerzialisierung immer weiter fortgeschritten. Es geht im Profifußball nur noch um Geld. Fußball hat sich in eine Richtung entwickelt, über die man nachdenken sollte. Immer mehr Geld wird hineingepumpt, der Sport spaltet sich zusehends. Fußball, wie wir es heute kennen, wurde im 19. Jahrhundert in England erfunden.

Fussballplatz der Jugendlichen – Foto: AgenciaBrasil

Die Mathematik sagt, dass es weltweit Hunderttausende von Clubs gibt, und diese Zahl steigt ständig. Charles William Miller, Sohn eines schottischen Vaters (John d’Silva Miller) und einer brasilianischen Mutter englischer Abstammung namens Carlota Antunes Fox, brachte das runde Spielgerät im Februar 1894 auf den Südamerikanischen Kontinent.

Am 14. April 1895 fand das erste historisch belegte Fußballspiel in Brasilien statt und 1901 die erste Begegnung zwischen einem Amateurteam aus São Paulo und Mitgliedern eines Cricketclubs aus Rio de Janeiro. Bald entstanden in den beiden großen Städten Fußball-Ligen.

Brasiliens Erfolg im Fußball ist auf eine Kombination von Faktoren zurückzuführen, darunter die natürliche Athletik und die technischen Fähigkeiten der brasilianischen Bevölkerung, die starke Fußballkultur im Land und die Betonung der Entwicklung junger Spieler. “Jogo Bonito” (Schönes Spiel) steht auch immer sinnbildlich für den Fußball einer ganzen Nation und somit auch für Ausbildung der jungen Fußballer in einem Land.

Der Spielertyp, um den es sich handelt, ist der Straßenfußballer. Der “Jogador de Futebol de Rua” wird häufig mit Kreativität aber auch mit Spielfreude und einer außergewöhnlichen Ballbeherrschung verbunden. Brasilien hat lange das Selbstverständnis gepflegt, über die schlausten und unberechenbarsten Fußballer der Welt zu verfügen. Das Bild vom technisch versierten Straßenfußballer bekommt aber zunehmend Risse und inzwischen ist es nicht mehr ganz so einfach, Fußball spielende Kinder in den Straßen der brasilianischen Metropolen zu finden.

“Pelada ist ein Fußball, der auf kleinen Feldern, auf Ödland, gespielt wird. Aber es gibt eine Art von Fußball, die noch rudimentärer ist als Pelada. Das ist der Straßenfußball. Neben dem Straßenfußball ist jede Pelada ein Luxus und jedes Brachland ist das Maracanã bei einem Nachtspiel.

Wenn du ein Mann bist, Brasilianer und in einer Stadt aufgewachsen bist, weißt du, wovon ich spreche. Der Straßenfußball ist so bescheiden, dass man ihn Frauenfußball nennt. Ich weiß nicht, ob jemals jemand aus Langeweile oder Nostalgie die Regeln des Straßenfußballs zu Papier gebracht hat”, beschreibt der brasilianische Schriftsteller Luis Fernando Verissimo.

Weiter schreibt Verissimo:
“Der Ball kann alles sein, was auch nur annähernd kugelförmig ist. Wenn Sie verzweifelt sind, nehmen Sie irgendetwas, das rollt, z. B. einen Stein, eine leere Blechdose oder die Brotdose Ihres kleinen Bruders, der nach Hause rennt und sich beschwert. Wenn Sie einen Stein, eine Blechdose oder einen anderen stumpfen Gegenstand verwenden, sollten Sie in Schuhen spielen.

Fussballschuh der 30er Jahre – Foto: sabiá brasilinfo

Vorzugsweise neue Schulschuhe. Wer barfuß spielt, sollte darauf achten, immer mit dem Zehennagel zu treten, der eigentlich geschnitten werden müsste. Es ist auch erlaubt, Obst oder Gemüse anstelle des Balls zu verwenden, wobei Orangen, Äpfel, Chayote und Birnen empfohlen werden. Tomaten, Wassermelonen und natürlich Eier werden nicht empfohlen. Ananas kann verwendet werden, aber dann will niemand im Tor stehen”.

Im Grunde ist es so, je ärmer die Gegend ist, desto mehr Straßenfußball findet man. Im Nordosten Brasiliens, in den afrikanisch geprägten Bundesstaaten, ist er deutlich sichtbarer als im Süden, in den europäisch beeinflussten Metropolen. Diese Art des Fußballs hat inzwischen viele Kinder an die Videogames verloren. In den Städten ist der Raum eingeschränkt, die Kinder bleiben lieber zu Hause.

Das Land von Pele, Garrincha, Ronaldinho und Neymar, das einst die Welt mit seinem Samba-Stil begeisterte, hat seit 2002 keine Weltmeisterschaft mehr gewonnen. Auch hat es seit Kaká 2007 keinen Ballon d’Or-Gewinner mehr hervorgebracht. Viele in Brasilien und darüber hinaus fragen sich, warum sich die „Selecao“ derzeit so schwer tut, sich für die Weltmeisterschaft 2026 zu qualifizieren. Brasilien ist nach wie vor der weltgrößte Exporteur von Fußballspielern, aber sie bringen immer weniger Geld ein.

Fussball in Brasilien – Foto: Fotolia.com

Nach Angaben der FIFA zahlten die Vereine im vergangenen Jahr 935,3 Millionen Dollar an Ablösesummen für 2.375 brasilianische Spieler. Das sind fast 20 Prozent weniger als 2018, als die Zahl der Spieler noch geringer war (1.753). Ein Teil des Rückgangs ist darauf zurückzuführen, dass die Teams weniger zahlen, um freie Mitarbeiter und jüngere Spieler zu verpflichten.

Aber es gibt auch einen Mangel an herausragenden Stars. Dazu kommen die horrenden Gehälter von Ausnahmekickern wie Neymar da Silva Santos Júnior. Europäische Klubs sichern sich die brasilianischen Talente so früh wie möglich, um ihnen die Finessen des modernen Fußballs beizubringen. Neymar wurde in Mogi das Cruzes nahe der brasilianischen Metropole São Paulo in ärmlichen Verhältnissen geboren und wuchs in Praia Grande auf.

Er kam 2003 im Alter von elf Jahren zum FC Santos und wurde von den verschiedenen Trainern beim Club als „Juwel“ betrachtet. Zur Saison 2013/14 wechselte Neymar nach Europa in die spanische Primera División zum FC Barcelona, die Gesamtkosten sollen sich auf 99,7 Millionen Euro belaufen haben und der Neymar-Transfer war zu diesem Zeitpunkt der teuerste der Geschichte.

Im August 2017 zog es ihn für die bis heute gültige Rekordablösesumme in Höhe von 222 Millionen Euro zu Paris Saint-Germain. Mit den Parisern wurde Neymar fünfmal französischer Meister, ehe er sechs Jahre später nach Saudi-Arabien zu seinem aktuellen Verein al-Hilal wechselte.

Nach Berichten von Experten hat der einstige “Jogador de Futebol de Rua” inzwischen ein Vermögen von Hunderten Millionen US-Dollar angehäuft, was von vielen als “Irrsinn” bezeichnet wird. So lange Fans allerdings genügend Geld für Pay-TV, Eintrittskarten, Trikots und Merchandising ausgeben, darf man sich über solche Summen nicht wundern und muss auch nicht mit dem Finger auf die bösen Vereine und Investoren zeigen.

“Der Fußball ist pervers geworden!“, flucht Otto Normalfan deshalb über die in den Irrsinn abgedriftete Gier der Geschäftemacher.


Zeca-20-Jahre-2023-169
Mehr zum brasilianischen Fussball finden Sie » hier
© 2003-2024 BrasilienPortal by sabiá brasilinfo
Reproduktion der Inhalte strengstens untersagt.
Aus unserer Redaktion

Letzte News