London, 09. August 2012 Nach einem Wettkampf auf Weltklasseniveau ist der Brasilianer Diogo Silva am Donnerstag (9.) bei den olympischen Spielen 2012 in London abermals leer ausgegangen. Wie bereits bei seiner ersten Olympiade vor acht Jahren in Athen landete er am Ende nur auf dem undankbaren vierten Platz.
Mit einem Tritt hätte er um ein Haar die Silbermedaille erreicht, ein anderer Tritt in letzter Sekunde macht Bronze zunichte. Diogo Silva wird noch lange an den 09. August 2012 zurückdenken und sich dann wohl jedes Mal aufs neue die körperlichen und seelischen Schmerzen in Erinnerung rufen. Sein Wettkampf in der Gewichtsklasse bis 68 Kilogramm hatte gut begonnen. In der Vorrunde setzte er am Vormittag gegen den Usbeken Dimitriy Kim durch, auch im Viertelfinale gegen Mohammad Abulibdeh aus Jordanien ging er siegreich von der Matte.
Das Unglück begann rund zwei Stunden später im Halbfinale. Nach insgesamt vier Runden gegen den Iraner Mohammad Bagheri Motamed mussten die Punktrichter zwischen zwei gleich starken Kontahenten entscheiden, und sie entschieden sich gegen Silva. Dieser hatte sich bereits in Runde 1 am Fuss verletzt und musste insgesamt dreimal behandelt werden. Sechs Sekunden vor Ende der letzten Runde lag er noch deutlich zurück, glich jedoch im allerletzten Moment durch einen sensationellen und extrem präzisen Kopftreffer aus und rettete sich damit in die Verlängerung. Dort im „Golden Score“ beendet normalerweise der erste Treffer den Kampf, doch in den zwei Minuten wollte keinem dieser gelingen. Die Richter am Mattenrand mussten dann den Kampf bewerten und sprachen nach schier endlosen Sekunden Motamed die „Überlegenheit“ und damit den Sieg zu.
Der Traum von einer Finalteilnahme war ausgeträumt, nun ging es darum, wenigstens noch Bronze zu erreichen. Im Kampf um Platz 3 traf er dann auf den US-Amerikaner Terrence Jennings, der bereits in der ersten Runde gegen den späteren Olympiasieger Servet Tazegul aus der Türkei verloren hatte. Jennings hatte sich in der „Hoffnungsrunde“ durchgekämpft und wollte nun auch mit dem Brasilianer kurzen Prozess machen. Silva zeigte sich zu Beginn nicht sehr angriffswillig und kassierte kurz vor Ende der 1. Runde einen Kopftreffer, der ihn vier Punkte nach hinten warf. In der zweiten Runde holte er jedoch auf und kam sieben Sekunden vor Schluss der dritten Runde zum verdienten Ausgleich von mittlerweile 5:5. Abermals schrie alles nach einem „Golden Score“, doch in der letzten Sekunde der regulären Kampfzeit platzierte der Amerikaner einen weiteren Kopftreffer und sicherte sich mit dem Gong und einem Endstand von 8:5 die Bronzemedaille.
Anschliessend waren sich Kommentaroren und die Presse im Heimatland einig: dramatischer kann einem Sportler das begehrte Edelmetall nicht mehr aus den Fingern rutschen. Es war der wohl spannendste Wettkampf mit brasilianischer Beteiligung bei den diesjährigen Olympischen Spielen mit einem an Tragik nicht zu überbietendem Ende. Wie sehr Silva sich auf diesen Wettbewerb vorbereitet hatte und welche Hindernisse er aus dem Weg räumen musste, verriet er dann unter Tränen anschliessend zahlreichen Medienvertretern. Er habe sich vier Monate vor Olympia einen Knochenbruch im Training zugezogen, diesen jedoch verheimlicht. Sechs Wochen vor der Reise nach London sei alles verheilt gewesen, dann habe er sich aber erneut verletzt und weitere zwanzig Tage pausieren müssen. Wäre dies nach aussen an die Medien gelangt, hätte man ihn direkt ausgeschlossen, zeigte sich der zweifache Olympiavierte überzeugt. „Dies ist meine Geschichte, warum ich hier bin. Und nun endet sie mit diesem Finale … es ist schon schwierig“ resümierte der sichtlich deprimierte Silva abschliessend.
Der leidenschaftliche Kampfsportler wuchs in Londrina im Bundesstaat Paraná auf und kam las Jugendlicher zum Teakwondo, nachdem seine Mutter ihn von der Straße holen und in einen Judokurs stecken wollte. Silva wollte jedoch entsprechend seiner Vorbilder Jet Li und Jackie Chan einen agressiveren Kampfsport erlernen. Seine erste Medaille gewann er bei den panamerikanischen Spielen 2003 und qualifizierte sich kurz darauf für die Olympiade 2004. Dort belegte er am Ende Rang 4, nachdem er erst im Viertelfinale verloren und anschliessend in der „Hoffnungsrunde“ den Kampf um Bronze erreicht hatte. 2007 gewann er bei den panamerikanischen Spielen in Rio de Janeiro Gold, konnte sich anschliessend jedoch nicht für die Olympiade in Peking qualifizieren. 2011 gelangte er nach einer längeren Pause auf die Erfolgsspur zurück, gewann Gold bei den Militärweltspielen in Rio de Janeiro und qualifizierte sich durch einen dritten Platz beim internationalen Olympiaqualifikationsturnier in Baku für seine zweite Olympiade.