Angélica Kvieczynski: „Olympia 2016 bin ich auf dem Höhepunkt!“

Zuletzt bearbeitet: 21. Dezember 2020

Du weisst schon, dass du für eine ganze Generation von jungen Gymnastinnen in verschiedenen Ländern ein Idol bist?
Gott sei Dank. Meine Arbeit wird immer besser und das ist gut so und sehr erfreulich. Als ich in Chile ankam, waren da viele Gymnastinnen. Ich habe viele Briefe und Teddies von Kindern bekommen. Ich glaube, so etwas ist mehr Wert als eine Medaille, weil die Gunst des Publikums und die Zuwendung der Kinder uns Kraft gibt. Es treibt uns an, noch mehr zu trainieren.

Und wie sieht es mit deiner Vorbildfunktion für die rhythmische Sportgymnastik in Brasilien aus?
Ich glaube, ich habe schon eine Vorbildfunktion. Die Mädchen nehmen mich als Vorbild, so wie auch ich ältere Gymnastikerinnen als Vorbild hatte. Jetzt bin ich eine von den Älteren und glaube, dass sich manche an mir ein Vorbild nehmen, um dahin zu kommen, wo ich angelangt bin – oder auch noch weiter. Ich hoffe, dass Brasilien in der Gymnastik weiter voranschreitet.

1622674_603923269696539_1081826246_nHast du in manchen schmerzhaften Momenten während der Genesung von den verschiedenen Operationen nie daran gedacht aufzuhören?
Daran habe ich schon oft gedacht. 2010 wurde ich am Knie operiert und hatte eine Thrombose. Kurze Zeit später kamen Komplikation dazu. Da mein Blut sehr dünn ist, hatte ich starke innere Blutungen. Das war eine sehr schwierige Zeit und ich wusste nicht, ob ich eine Rückkehr schaffen würde. Da habe ich gedacht, ich höre auf. 2012 hatte ich eine Operation an der Schulter. Die war fast noch schlimmer als die Thrombose. Die hat mich schwer mitgenommen. Ich habe zugenommen und sehr viel Kraft gebraucht um mich wieder aufzurappeln. Nach der Operation in diesem Jahr habe ich jedoch überhaupt nicht an ein Aufhören gedacht. Ich dachte nur an eine schnelle Genesung, weil ich wusste, dass ein Wettkampf ansteht und die Genesung deshalb sehr schnell sein musste. Ich wurde am 19. Dezember operiert und am 5. Januar habe ich schon wieder trainiert.

Hast du die Zeit nur zum Nachdenken genutzt oder auch, um noch ein paar Tätowierungen machen zu lassen?
Nein, dieses Mal nicht. Ich habe nach wie vor nur fünf. Aber ich habe schon vor, noch ein paar Tätowierungen machen zu lassen. Das ist etwas, was mir sehr gefällt.

Du träumst davon, bei der Olympiade 2016 in Rio de Janeiro mit dabei zu sein. Zu diesem Zeitpunkt im August 2016 fehlen dann allerdings nur wenige Tage bis zu deinem 25. Geburtstag.
Ja, das stimmt. Ich glaube, ich werde dann an meinem Höhepunkt angelangt sein. Je älter eine Gymnastin ist, desto erfahrener ist sie. Beim Wettkampf ist das sehr wichtig. Ich glaube, bis dahin werde ich in einer sehr guten Phase sein. Mit Gottes Hilfe schaffe ich es bis dort hin und werde einen guten Wettkampf abliefern.

Du gehörst zweifelsohne zu den besten Gymnastinnen Amerikas, aber die Konkurrentinnen Europas und Asiens haben ein anderes Niveau, oder?
Ja, die Konkurrenz ist sehr stark. In der Tat ist dort ja die Wiege der rhythmischen Sportgymnastik. Hier in Toledo gibt es die Gymnastik erst seit 23 Jahren. Sie ist noch ein Baby. Wir müssen da noch viel lernen. Aber das, was wir in den vergangenen sieben, acht Jahren geschafft haben, ist schon beachtenswert. Wir sind vom 80. Platz zwischen die 20 oder 30 Besten der Welt gerutscht. Es gibt also Verbesserungen. Natürlich müssen wir aber noch etliche Praxis in Russland, Weissrussland, der Ukraine und in Bulgarien sammeln, um mehr zu lernen.

Glaubst du, dass die Jury bei den Wettkämpfen tatsächlich objektiv ist oder gibt es Vorurteile gegenüber einigen Ländern oder Regionen?
Nein. Ich weiß nicht, ob es das gibt. Wir haben einfach keine so große Tradition wie andere Länder. Wir sind deshalb nicht ganz so gut ausgerüstet. Ich glaube, dass die Sache mit der Jury bei der Gymnastik deshalb ein wenig subjektiver ist, weil es sich um einen Sport mit Noten handelt. Ich weiß nicht, wie weit das geht. Natürlich kann ich manchmal der Meinung sein, dass meine Benotung ungerecht sei oder ich eine bessere oder auch schlechtere Note verdient hätte. Aber das liegt in der Hand eines jeden Richters und auch an dessem Charakter.

Der Präsident der Internationalen Gymnastikvereinigung (FIG), Bruno Grandi, hat vor den Wettbewerben in Kiew 2013 von einem „Topf voller Lügen“ gesprochen und etliche Richter entlassen!
Es wurden tatsächlich viele Richter abgezogen und für den Sport gesperrt. Mir kommt vor, dass sich die Situation dieses Jahr schon sehr gebessert hat, auch deshalb, weil sie jetzt mehr beobachtet werden. Ich glaube, das wird immer besser. Das hoffe ich zumindest.

Die Noten hängen vom Schwierigkeitsgrad und der Ausdruckskraft oder Kunst ab. Welchen Teil bevorzugst du?
Ich bin eine sehr künstlerische Gymnastin. Mir gefällt es, das Publikum einzubeziehen, mit den Richtern zu spielen. Ich glaube, das macht den Unterschied. Ich mag die Gymnastinnen der Ukraine sehr, weil sie das Publikum bewegen. In dem Zusammenhang sind sie meine Vorbilder.

Du hast mit zehn Jahren mit der rhythmischen Gymnastik angefangen. Wenn heute ein Mädchen mit vier oder fünf Jahren diesen Sport erlernen will, welchen Rat kannst du ihr geben?
Das ist sogar ratsam. Ich habe sehr spät angefangen. Die besten Gymnastinnen der Welt haben alle mit fünf Jahren begonnen und ich mit zehn, was schon sehr spät ist. Je jünger, desto besser. Natürlich nicht als Baby. Aber es schadet dem Mädchen auch nicht, wenn es erst mit zehn einsteigt, dafür bin ich ein lebendes Beispiel. Natürlich ist es für eine Fünfjährige einfacher, aber es geht auch mit zehn Jahren. Das Mädchen muss sich dann nur ein wenig mehr anstrengen. Ich habe mich immer sehr angestrengt. Denn Gymnastik verlangt viel Hingabe, Disziplin, viele Wiederholungen und sehr viel Geduld!

Das Gespräch führte Dietmar Lang.

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AutorIn: Dietmar Lang · Bildquelle: GR Toledo

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