Oft unwissend auch als „Gummibaum“ bezeichnet, stammt diese Pflanze aus dem Amazonas-Regenwald und hat einmal die ganze Weltwirtschaft in Atem gehalten, unvorstellbaren Reichtum für Wenige geschaffen und ebenso unvorstellbares Elend für die Kolonnen von geknechteten Latex-Sammler.
Ende des 19. Jahrhunderts begann im Acre die erste grosse Einwanderer-Bewegung aus dem trockenen brasilianischen Nordosten, provoziert durch eine steigende Nachfrage nordamerikanischer und europäischer Industrien nach dem begehrten neuen Rohstoff „Gummi“. Reiche Grundbesitzer fielen im Acre ein und bemächtigten sich enormer Waldflächen, um den flüssigen Grundstoff des Gummis, „Latex“ (eine Art Milch aus der Hevea Brasiliensis), zu extrahieren. Die Indianer der Region am Rio Juruá und Rio Purus versuchten sich gegen die Eindringlinge zur Wehr zu setzen; aber mit Pfeil und Bogen hatten sie keine Chancen. Die neuen Grundherren veranstalteten so genannte „Correrias“, rüsteten einen Trupp von um die 50 Männer mit Gewehren aus, die dann die Indianer-Dörfer überfielen. Weil diese Söldner im allgemeinen Junggesellen waren, töteten sie nur die eingeborenen Männer und nahmen die Frauen mit, um mit ihnen Familien zu gründen. Auf diese brutale Art und Weise wurden die meisten Indianer im Acre ausgerottet. Viele von ihnen starben auch an Zivilisationskrankheiten, wie Tuberkulose, Mumps oder Lungenentzündung, die von jenen Emigranten eingeschleppt wurden.
Darüber hinaus bedienten sich jene neuen „Herren des Regenwaldes“ der Arbeitskraft der unterworfenen Indianer beim Sammeln des Latex und bei der Anlegung von Pisten. Dieser so genannte „Gummi- oder Kautschuk-Boom“ brachte einen riesigen Reichtum in die Städte Manaus und Belém und ging zu Ende, nachdem es dem englischen Botaniker Henry Wickham gelungen war, Samen der „Seringa“ (Hevea Brasiliensis) ausser Landes zu schmuggeln und in den englischen Kolonien, in Malaysia, die Bäume nachzuzüchten. Erstmals im Jahre 1913 übertraf dann die englische Gummi-Produktion die brasilianische und das Weltmonopol der Brasilianer brach zusammen.
Viele „Seringais“ (Latex-Produktions-Betriebe) wurden verlassen, und viele der „Seringeiros“ kehrten in ihre nordöstliche Heimat zurück.
Aber es gab noch einmal einen zweiten „Gummi-Boom“ in Brasilien: als während des Zweiten Weltkrieges die Japaner – als Alliierte der Deutschen – in Malaysia die Gummi-Plantagen besetzten. Die Alliierten Gegner der Nazis suchten nach einer anderen Quelle für ihren Bedarf an Gummi-Reifen und erinnerten sich Brasiliens als Lieferant. Und so kam es zur zweiten Einwanderungswelle aus dem brasilianischen Nordosten in den Acre. Diesmal nannte man die „Seringeiros“ auch „Gummisoldaten“ denn, als Wehrdienstverpflichtete hatten sie die Wahl zwischen dem Militärdienst oder der Arbeit als Latex-Sammler.
Letztere fingen oft schon hoch verschuldet mit der Fron im Urwald an und verelendeten dort völlig unter einer Knechtschaft, die sie immer tiefer in die Verschuldung trieb, denn sie mussten alle ihre Ausrüstung und Verpflegung mit Latex-Lieferungen bezahlen. Natürlich besonders teuer! Durch dieses „Abhängigkeits-System“, geschaffen von den Grundbesitzern, waren sie immer ohne eigenes Geld und daher auch unfähig, nach Beendigung des Krieges in ihre Heimat zurückzukehren.