Joinville ist die grösste Stadt (604.708 Einwohner, Stand 11/2021) des Bundesstaates Santa Catarina und Musterstadt deutscher Emigration. Stellen Sie sich einmal eine Stadt in Südamerika vor, durch die die Menschen auf gut beleuchteten Strassen schlendern, die Auslagen hinter den bayerischen Fassaden mustern, die aus allen erdenklichen Gütern der westlichen Industrienationen bestehen. Gepflegte Vorgärten überall in dieser Stadt – im Zentralpark spielen die Kinder bis spät in den Abend – eine freundliche, angenehme und leistungsfähige Stadt: Das alles gibt’s nur einmal – gibt’s nur in Joinville!
Joinville liegt 180 km nördlich von Florianópolis und 123 km südlich von Curitiba. Zwar erinnert der Name der Stadt stark an Frankreich – nämlich an den Prince de Joinville, der in den brasilianischen Kaiserhof eingeheiratet hatte – doch alle Spekulationen über ihre Vergangenheit werden schnell durch die beiden besten Restaurants der Stadt zunichte gemacht. Sie heissen: Tannenhof und Bierkeller.
Die Einwohner sind überwiegend blond und blauäugig und besonders „deutsch“ in Aussehen und Haltung, und das kam so: Zwischen 1824 und 1859 kamen Hunderttausende verarmter Bauern aus dem Harz, dem Hunsrück, dem Schwarzwald und dem Böhmerwald herüber. Kaiser- und königstreu, wie sie waren, folgten sie dem Ruf der Dona Leopoldina von Habsburg – Gemahlin des brasilianischen Kaisers Dom Pedro I. und Tochter von Kaiser Franz II. Jeder der Neusiedler bekam 48 Hektar Urwald, eine kleine Starthilfe dazu – und die braven Bauern machten sich hoffnungsfroh ans Roden.
Bald war das Küstengebirge übersät mit weit auseinander liegenden kleineren Höfen an Waldrändern, mit Weiden voller Kühe und den Feldern voller Weizen. Ihre Häuser bauten sie im traditionellen Baustil der Heimat – der Bahnhof in Joinville ist ein ausgezeichnetes Beispiel deutsch-brasilianischen Fachwerkbaus.
Joinville ist laut Beschreibung der Tourismus-Prospekte eine Industriestadt. Allerdings haben es die Stadtväter verstanden, diese Industrie vorbildlich zu tarnen – sie ist ausserhalb der Stadt und innerhalb von firmeneigenen Parkanlagen, die mit üppigem Grün und vielen Blumen protzen, angesiedelt – so dass man durchaus den ersten Eindruck einer sauberen Ferienstadt beibehält. Alles in allem eine Stadt, in der es sich gut leben lässt, und die den Eindruck vermittelt, als liesse sich hier recht gut eine Familie gründen.
Für Reisende bietet sie wohltuende Entspannung im Vergleich zu der Hektik brasilianischer Städte im allgemeinen, aber eben auch nicht viel Aufregendes. Ihre Umgebung ist landschaftlich sehr beeindruckend, insbesondere dort, wo die Strasse durch das Küstengebirge führt. Die Fahrt hinab zu dem am Meer gelegenen Guaratuba ist empfehlenswert.
Neben der guten Gastronomie und anderen kulturellen Attraktionen, machen vier Grossveranstaltungen Besucher aus dem ganzen Land mobil: Das Blumenfest, das Internationale Tanzfestival, das Schützenfest und das Bierfest. Ihr ältestes, das berühmte Blumenfest veranstaltet die Stadt im November – seit 52 Jahren – das von den deutschen Einwanderern ins Leben gerufen wurde: 10 Tage lang zeigt dann die gesamte Bevölkerung ihre Sensibilität für Pflanzen und Blumen, und private wie industrielle Gartenanlagen wetteifern untereinander um die begehrten Siegestrophäen – sogar eine Blumenkönigin wird dafür gekürt.
Das Internationale Tanzfestival ist dagegen erst 10 Jahre alt – und eine der grössten Veranstaltungen dieser Art in der Welt! Resultat dieser Anstrengungen: in Joinville befindet sich die einzige Filiale der Bolschoi-Balettschule ausserhalb Moskaus!