Der Botanische Garten von Rio de Janeiro steht seit 1937 unter Denkmalschutz, verfügt vom brasilianischen “Instituto do Patrimônio Histórico e Artístico Nacional“. 1991 hat dann die ONU (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) ihn zum “Reservat der Biosphäre“ erklärt – zu einem Zeitpunkt, als der Garten sich in Schwierigkeiten bezüglich seiner Instandhaltung befand. Da schlossen sich verschiedene öffentliche und private Unternehmen zu einer Gruppe zusammen, die bereit war, zu helfen.
Ergebnis dieser Partnerschaft war die Renovierung des Orchidariums und verschiedener Gewächshäuser (1992), ausserdem wurde der zentrale See einer Säuberung unterzogen. 1995 entstand dann der “Jardim Sensorial“ (Garten der Sinne), mit aromatischen Pflanzen und Hinweistafeln in Braille-Schrift, ein Entgegenkommen für sehbehinderte Besucher. Später wurde noch ein neues Gewächshaus für Bromelien gebaut. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat man die Mauer zwischen dem Garten und der Strasse Pacheco Leão abgerissen und sie durch ein Gitter ersetzt – so fügt er sich nun besser in das Landschaftsbild ein.
In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Bedeutung wurde der Botanische Garten im Jahr 1998 umgetauft in “Instituto de Pesquisas Jardim Botânico do Rio de Janeiro“ (Forschungsinstitut Jardim Botânico von Rio de Janeiro“) – angeschlossen an das Umweltministerium. Im Jahr 2002 verwandelte man ihn in eine föderative Autarkie.
Der Besuch
Rio de Janeiros Botanischer Garten ist für den Besuch der Öffentlichkeit auf bestimmte Öffnungszeiten beschränkt und es wird ein Eintrittsgeld erhoben. Der Garten kann mittels eines informativen Plans erwandert werden, in dem die einzelnen Routen verzeichnet sind, die anstelle von Strassen durch von Bäumen begrenzte “Alleen“ (Aleias) führen. Der Routenplan (Guia de Visitação) kann im Besucher-Zentrum (Centro de Visitantes) erworben werden. Dort im Besucher-Zentrum kann man auch eine biologisch versierte Führung durch den Garten beantragen und Informationen in verschiedenen Sprachen bekommen. Unter den sehenswerten Highlights empfehlen wir die folgenden:
Aleia Barbosa Rodrigues
Der Name dieser Allee wurde zu Ehren des brasilianischen Naturalisten João Barbosa Rodrigues gewählt, er war Direktor der Institution zwischen 1890 und 1909. Sie ist die Schlagader des Botanischen Gartens, seine Visitenkarte, begrenzt von gewaltigen Königspalmen (Roystonea oleracea).
Als der erste Ableger in Brasilien ankam, wurde er vom Prinzregenten Dom João persönlich gepflanzt (1809). Und um das Monopol dieser Spezies zu behalten, liess der damalige Direktor Bernardo José Serpa Brandão (1829-1851) alle Früchte dieser Palmen verbrennen. Die Sklaven erkletterten jedoch nachts die Palmen, ernteten einige dieser Früchte und verkauften sie heimlich. Ausgerechnet das erste, vom Prinzregenten gepflanzte Exemplar, wurde 1972 von einem Blitz getroffen und stand in 38,70 Metern Höhe in Flammen. Den Stamm dieser Palme hat man erhalten – er ist im Botanischen Museum ausgestellt. An Ihrer Stelle pflanzte man einen Ableger der zerstörten Mutterpalme. An derselben Stelle befindet sich heute eine Büste von Dom João VI., angefertigt von Rodolfo Bernardelli.
Der monumentale Gesamteindruck der Allee wird vom Eingangsportal abgerundet, das aus dem Abbruch (1938) eines Gebäudes stammt, in dem die „Imperiale Akademie der Schönen Künste“ einst untergebracht war – das Portal hat der französische Architekt Grandjean de Montigny entworfen.
Aleia Custódio Serrão
Diese Allee wurde zu Ehren des zweiten Administrators der Institution, des Mönchs Frei Custódio Serrão (1859-1861) benannt. Die Allee zeichnet sich aus durch gewaltige Exemplare des “Abrico-de-macaco“ (Couroupita guianensis), einer nativen Baum-Spezies aus Amazonien, und den “Sumaúmas“ (Ceiba pentandra), die zu den grössten Bäumen unseres Planeten gehören.
Aleia Pedro Gordilho
Benannt zu Ehren von Pedro Gordilho Pais Leme, Vorgänger von Barbosa Rodrigues, an der Front der Institution. Die Allee besitzt schöne Exemplare des “Pau-brasil“ (Caesalpinia echinata Lam.), dem Nationalsymbol Brasiliens, und erfreut die Besucher mit ihren Wasserkaskaden.
Chafariz Central
Der zentrale “Brunnen der Musen” ist eine der schönsten Einrichtungen des Gartens. Er wurde in England produziert und besteht aus zwei Becken. Im grösseren der beiden repräsentieren vier Figuren die Musik, die Poesie, die Wissenschaft und die Kunst. Dieser Brunnen befand sich ursprünglich im Stadtteil Lapa – nach einer verkehrstechnischen Neukonzeption (1905) stand er im Weg und wurde in den Botanischen Garten verlegt.
Solar da Imperatriz
Die Villa der Prinzessin ist ein übrig gebliebenes Gebäude von 1575, welches zu der ersten Zuckerfabrik der “Capitania do Rio de Janeiro“ gehörte, die den Namen “Engenho de Nossa Senhora da Conceição da Lagoa“ trug. Diese Villa und weitere 58 “Chácaras“ (Landgüter) gehörten zum riesigen Grundbesitz, auf dem sich heute die Stadtteile erstrecken, welche die Lagoa Rodrigo de Freitas einrahmen. Im Erdgeschoss der Villa gab es eine “Senzala“ (Sklavenquartier), in dem die Sklaven des Anwesens untergebracht waren.
Casa dos Pilões
Eine repräsentative, archäologische Anlage, welche die Aktivitäten der antiken Pulverfabrik demonstriert.
Aqueduto da Levada
Ein Aquädukt aus dem Jahr 1853 zur Sammlung des Regenwassers im “Tal der Margariten“, wo man eine Kultur der Panamahut-Palme (Carludovica palmata) angelegt hatte, aus deren Fasern man die begehrten Strohhüte anfertigte.
Seit 2005 unter Denkmalschutz gestellt – vom “Instituto do Patrimônio Histórico e Artístico Nacional“ – erfuhr dieses antike Monument eine ausgiebige Restaurierung innerhalb eines weiteren Projekts zur Wiederherstellung seines gesamten natürlichen Umfeldes. Dazu wurde dieses Terrain, das bisher zur Aufnahme von Pflanzenabfällen zweckentfremdet worden war, gesäubert und landschaftsgestalterisch neu bearbeitet, um anschliessend mit botanischen Ergänzungen, als ein neues Areal für Besucher, wieder in das Gesamtbild des Botanischen Gartens integriert zu werden.
Caminho da Mata Atlântica
Beim so genannten “Weg durch den Atlantischen Regenwald” – der historische “Caminho de Boi“ (Ochsenpfad) – handelt es sich um einen offenen Pfad innerhalb eines erhaltenen Fragments von originalem Atlantischem Regenwald. Mit zirka 600 Metern Ausdehnung beginnt diese Parzelle an den Wasserkaskaden und endet gegenwärtig am “Aqueduto de Levada“ – seit 2005 für den Besucherverkehr geöffnet.
Memorial Mestre Valentim
Diese Gedenkstätte wurde 1997 geschaffen und ehrt den brasilianischen Künstler Valentim da Foseca e Silva (geboren in Serro, Minas Gerais 1745), der einer der bekanntesten Künstler des kolonialen Brasiliens war, als Bildhauer in Rio de Janeiro wirkte und erstmals in Brasilien Skulpturen aus gegossenem Metall anzufertigen verstand. Er ist der Autor der ausgestellten Bronze-Skulpturen “Aves Pernaltas“ (Stelzvögel) und der Statuen “Eco“ (Echo) und “Narciso“ (Narziss).
Lago Frei Leandro
Mit dem Namen des zentralen Sees wird der Mönch Frei Leandro do Santissimo Sacramento, von den Karmelitern, geehrt, der erste Direktor des Botanischen Gartens, von 1824 bis 1829.
Der See, mit seiner von der Victoria Regia und anderen dekorativen Wasserpflanzen bedeckten Oberfläche, ist ein beliebter Treff- und Sammelpunkt der Besucher und lädt mit Ruhebänken an seinen Ufern zum Verweilen ein. In seinem Wasser leben Karpfen und andere exotische Fische, die sich gerne von den Kindern mit Brotbröckchen füttern lassen.
Zwischen den Wasserpflanzen erhebt sich eine Metallskulptur der Göttin Thetis, ihr Autor ist der Franzose Louis Savageau.
Cômoro
Der Hügel neben dem See wurde mit seiner ausgehobenen Erde geschaffen. Beide, See und Hügel, wurden von Frei Leandro projektiert, der sich in den Schatten des Jack-Frucht-Baumes zu setzen pflegte, (der bis heute noch an diesem Platz steht), um von dort aus die Arbeit der Sklaven anzuleiten. Unter diesem Baum liess er einen grossen Tisch aus Granit platzieren, an dem zuerst der Kaiser Dom Pedro I. und später DOM Pedro II. einen Imbiss einnahmen. Ausserdem richtete er dort eine Sonnenuhr ein.
Orquidário
Das Orchideen-Gewächshaus wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts gebaut, 1930 erstmals und 1998 zum zweiten Mal restauriert. Ausser seinen 700 verschiedenen Orchideenarten, beherbergt es weitere ornamentale Pflanzen, wie Anturien, Philodendron, Frauenhaar und Farne – insgesamt eine Gruppe von 2.000 Keramikvasen, die eine der schönsten Kollektionen des Botanischen Gartens präsentieren.
Bromeliário
Das grösste Gewächshaus für Bromelien von Rio de Janeiro. Es vereint zirka 1.700 Arten aus Süd- und Mittelamerika, viele von ihnen stammen aus Amazonien, aus dem Atlantischen Regenwald, aus Restingas und Caatingas.
Mit ihren ganz unterschiedlichen Farben und Formen werden Bromelien als dekorative Pflanzen sehr geschätzt, und weil sie sich auch leicht an ihr Ambiente anpassen. Hier im Botanischen Garten erlebt man sie auf Beeten und im Gewächshaus, das nach dem brasilianischen Landschaftsarchitekten Burle Marx benannt ist.
Insetívoras
Insektenfressende Pflanzen, die auch als “Fleischfresser” bekannt sind, sind in einem anderen Gewächshaus ausgestellt. Sie ziehen in der Regel besonders viele Besucher an und sind vor allem eine Attraktion für ihre Kinder.
Jardim Sensorial
Der “Garten der Sinne” wurde in der Absicht angelegt, den Besuchern einen direkten Kontakt mit seinen Pflanzen zu vermitteln, indem sie sie anfassen können – unter besonderer Berücksichtigung der sehbehinderten Besucher.
Die Gruppierung besteht aus wohlriechenden Pflanzen unterschiedlicher Oberflächen, der Besucher wird angeregt, durch seinen Tastsinn, und besonders anhand seines Geruchssinns, die einzelnen Pflanzen kennenzulernen. Ausserdem werden alle Spezies durch Schilder in Braille-Schrift erklärt.
Região Amazônica
Der Amazonien-Teil des Botanischen Gartens präsentiert die typische Dschungelvegetation dieses Bioms – ein komplettes Szenario mit einer Hütte aus Schilfrohr und einer Caboclo-Figur derselben Region, die angelnd vor der Hütte sitzt. In dieser Regenwald-Kopie findet man Exemplare der Seringueira (Heveia brasiliensis – Latex-Baum), Babaçu (Attalea speciosa – eine Palmenart), Andiroba (Carapa guianensis), Cacaueiro (Theobroma cacao – Kakaubaum) und Pau-mulato (Calycophyllum spruceanum) – dieser letzte Baum ist wegen seiner verschiedenen Farben besonders interessant, die er je nach Jahreszeit wechselt.
Jardim Japonês
Der Japanische Garten wurde 1935 geschaffen, aufgrund einer Spende von 65 typischen japanischen Pflanzenarten durch die Japanische Wirtschaftsmission, die zu jener Zeit Brasilien einen Besuch abstattete. Neu eröffnet 1995, präsentiert dieser Teil den Besuchern ein typisch nipponisches Szenario, mit einem Steingarten und Exemplaren von Bonsais, Bambus, Kirschbäumen, Braut-Buquées und Trauerweiden. Aus den beiden Teichen, in denen Karpfen schwimmen, erheben sich Lotusblüten. Zum japanischen Szenario gehört auch das kleine “Café Botânica“.
Arboreto
Der gemischte Baumbestand des Jardim Botânico besteht aus zirka 9.000 vegetativen Spezies, welche die brasilianischen Ökosysteme und jene verschiedener anderer Länder repräsentieren. Insgesamt stellt er ein Fragment von 57 Hektar des verbliebenen Atlantischen Regenwaldes dar, mit 197 Beeten gesammelter Pflanzen, vier Teichen mit Victoria-Regia-Wasserrosen, zirka 1.500 Spezies, die in den verschiedenen Gewächshäusern aufgezogen wurden, sowie sechs thematischen Gärten: einer mit Rosen, einer mit Heilkräutern, einer mit aromatischen Pflanzen, ein biblischer, ein japanischer und einer für Kolibris.
Am 30. September 2009 unterzeichnete die Unternehmensleitung der “Companhia Vale do Rio Doce“ eine Vereinbarung zur Erhaltung des Botanischen Gartens, mit einer Investition von 2.000.000 Reais im Verlauf der nächsten zwei Jahre. Vorgesehen sind Aktionen der Gartenpflege, Säuberung aller Areale, neue Wegweiser, Restaurierung der Ruhebänke, Auswechselung der ambientalen Technologie und vieles andere.
Die Grünfläche mit dem gemischten Baumbestand auf 57 Hektar produziert zwischen 400 und 500 Kubikmeter pflanzlichen Abfall jährlich, der nach seiner Kompostierung wieder als organischer Dünger für die neuen Pflanzen in den Kreislauf einbezogen wird.