Die Region von Paraíba war im Küstengebiet bewohnt von der Tupi-Nation (Tabajara- und Potiguara-Stämme) und im Interior von den Cariri, unterteilt in Dutzende von Stämmen, die sich im grossen Krieg des 17. Jahrhunderts hervortaten. Die Portugiesen waren entlang der Küste ins Land gekommen, und ihre Eroberungen beschränkten sich während vieler Jahre auf die Gebiete am Meer.
Die Besetzung des Inlands ging nur langsam voran – so genannte “Bandeiras“ (Fähnlein bewaffneter Söldner) versammelten sich an der Küste oder kamen vom Rio São Franzisco und Piauí herüber, um gemeinsam die Indios zu bekämpfen. Und sie vernichteten sie, um sich das Land anzueignen. Anfang des 18. Jahrhunderts hatte das indigene Element praktisch aufgehört zu existieren.
Wegen fehlender Strassen war die Bevölkerung des Interiors vollkommen isoliert von ihrer Hauptstadt. Viele von ihnen wuchsen heran und starben, ohne je das Meer gesehen zu haben.
Das afrikanische Element setzt sich hauptsächlich in den Gebieten der “Engenhos“ (Zuckerfabriken) fest – hier profitierten die Kolonisatoren von der Schwerstarbeit der Afrikaner – im Interior war selten mal ein afrikanischer Sklave zu sehen, hier hatten sich die portugiesischen Siedler ausgebreitet. Und das kann man noch heute an den anthropologischen Eigenheiten der Bewohner dieser Region beobachten, sowohl an ihren physischen Charakteristika, als an ihrer archaischen Ausdrucksform und Sprachmelodie, in denen der starke Einfluss ihrer Vorfahren immer noch unverkennbar ist.
Damals war es häufiger und “natürlicher“, dass ein Weisser mit einer Indianerin ein Kind hatte, das man als “Mameluco oder Mameluca“ bezeichnete, als dass ein Weisser sich mit einer Afrikanerin einliess, deren Kind als “Mulato oder Mulata“ bezeichnet wurde. Der so genannte “Sertanejo-Mestize“ entstammt in den meisten Fällen einer solchen Mischehe.
Daraus kann man entnehmen, dass es im Bundesstaat Paraíba verschiedene Zonen zum Studium der lokalen Folklore gibt. An der Küste gibt es endlose Veränderungen der Gebräuche und des Aberglaubens, aber die mythologischen Figuren verbleiben unverändert in der kollektiven Erinnerung. Das Gebiet der Zuckerfabriken präsentiert Reste der Versklavung mit Tänzen, Arbeitsgesängen, religiösem Synkretismus und kulinarischer Spezialitäten.
In der Hauptstadt (João Pessoa) gibt es den Afrikaner, der sich kaum, oder erst sehr spät, seiner angestammten Gewohnheiten und Glaubensrichtung entledigt hat – er zog es vor, sie mit den lokalen Gegebenheiten zu verquicken.
Die europäischen Mythen sind in der Hauptstadt und im Inland recht lebendig, aber stets begleitet von jenen der Indios vom Volk der Tupi. Die Cariris haben wenig oder fast gar nichts zu der Sammlung beigetragen, weil sie den Erzfeind darstellten, der vernichtet werden musste. Die Dörfer der portugiesischen Siedler erhoben sich aus den Ruinen der Cariri-Siedlungen, zerstört von Oliveira Ledos, von den bahianischen Grossgrundbesitzern, den Leuten aus Piauí und Pernambuco, den Söldnerführern und Viehtreibern.
Die Mythen der Tupi dagegen wurden überall, und ganz schnell, übernommen und dem Vorstellungsvermögen von Afrikanern, Weissen, Indios und Mestizen angepasst. Die Frauen der Cariris, gejagt zu Pferd und eingefangen mit dem Lasso, verhielten sich unterwürfig und still, und haben wenig von ihrer Mythologie preisgegeben – selbst während intimer Gespräche mit ihren Kindern – sodass von ihren mythologischen oder religiösen Traditionen nur sehr wenig in der Erinnerung dieser Region haften blieb.
In einer folkloristischen Ordnung ist der Cariri-Indio kaum vertreten – weniger als jeder andere Einfluss. Und obwohl sie niemals ins Innere des Staates vorgedrungen sind, haben die Tupi mit ihren Traditionen und Gebräuchen mehr Einfluss gehabt, als jene wahrhaftigen Eingeborenen der Interior-Region.