So wie die alten Griechen, die Römer und auch unsere Vorfahren, die Germanen, ihre Gottheiten verehrten, nach ihren Gesetzen lebten, ihr Wohlwollen erbaten und ihren Zorn fürchteten – so richteten auch die Indianer Südamerikas ihr spirituelles Leben ganz nach ihren zahlreichen Göttern und Geistern aus. Während jene Europäer der Antike – gemäss ihrem eigenen feudalen Lebensstil – an einen ganzen Hofstaat um Zeus, Jupiter oder Donar glaubten – in goldbeschlagene Rüstungen, Samt und Seide gekleidet und von einem Heer von Bediensteten umgeben – bewegten sich die Vorstellungen der Indianer, ihrem einfacheren Lebensstil entsprechend, auch in bescheideneren Dimensionen: ihre Naturgottheiten lebten in der Luft, dem Wasser, der Erde und dem Feuer, und zahllose Geistwesen in der Fauna und Flora der Steppen, der Gebirge, der Flüsse und der Regenwälder.
Während Griechen, Römer und Germanen sich ihrer Seherinnen, Priester und Druiden bedienten, um zwischen dem Volk und seinen Göttern zu vermitteln, kam bei den Indianern den Medizinmännern oder Schamanen diese Aufgabe zu – sie interpretierten die Absichten der Götter und setzten ihren Willen durch, oder besänftigten ihren Zorn ob der Verfehlungen ihres Volkes mit Opfergaben.
Aus dieser spirituellen Koexistenz mit ihren Naturgeistern und -gottheiten entstanden die ersten Sagen und Legenden der Indianer, auch in Brasilien, und wie die Sagen unserer europäischen Vorfahren, sind sie erfüllt von übernatürlichen Kräften und wunderbaren Geschehnissen, die unserer logischen Vernunft des 21. Jahrhunderts so gar nicht entsprechen – die aber dem, der sich eine sensible Seele bewahrt hat, eine Botschaft übermitteln, die seinen Träumen und Sehnsüchten viel näher kommt als unsere öffentlich zelebrierte High-Tech-Euphorie.
Die Invasion der Europäer (ab 1500) und die Heilslehren ihrer Missionare, welche angeblich „den armen verlorenen Heiden den Weg ins Paradies öffnen“ sollte, haben unter den südamerikanischen Indianern gewütet, wie ein Heer von Teufeln. Zu Hunderttausenden wurden sie abgeschlachtet oder in die Sklaverei getrieben – unter falschen Versprechungen von den Missionaren getauft. Der Kontakt mit den Weissen brachte ihnen lediglich Verfolgung, Krankheitsepidemien und einen frühen Tod. Die meisten südamerikanischen Indianervölker sind inzwischen ausgestorben. Einige, die sich in die unzugänglichsten Dschungel des Amazonas-Regenwaldes retten konnten, haben bis heute zwar als Restgruppen überlebt, sind aber, durch die illegale Invasion ihrer offiziell geschützten Wohngebiete von Goldschürfern und an Mineralien und Edelhölzern interessierten internationalen Industrieunternehmen, inzwischen endgültig gefährdet.