Die Jiahui sind ein Indiovolk, das aus der Sprachfamilie der Tupi-Guarani stammt, eine Untergruppe der Kagwahiva, die in der Region des Unteren Rio Madeira lebt, im Süden des Bundesstaates Amazonas. Geschichtliche Umstände führten zu einer Fast-Isolation der Gruppe. Ihr traditioneller Lebensraum wurde von Fazendeiros (Farmern) besetzt und die Jiahui mussten sich in die Gemeinschaft der Tenharim zurückziehen oder in die umliegenden Städte.
Jiahui
Andere Namen: Jahoi, Diarroi, Djarroi, Parintintin, Diahoi, Diahui, Kagwaniwa Sprache: aus der linguistischen Familie der Tupi-Guarani Population: 97 (2010) Region: Süden des Bundesstaates Amazonas |
INHALTSVERZEICHNIS Name und Sprache Territorium Geschichte des Erstkontakts Bevölkerung Gesellschaftliche Organisation Produktive Aktivitäten Das Mboatava-Fest Kontemporane Aspekte |
Name und Sprache
Die Untergruppen der Kagwahiva bestehen gegenwärtig aus: Jiahui – Tenharim (vom Rio Marmelos, vom Igarapé Preto und vom Sepoti), Parintintin – Juma – Uru-e-Wau-Wau – Amondawa – Karipuna – ausserdem ein paar weitere isolierte Gruppen.
Bis in die 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bezeichnete man sämtliche Kagwahiva-Völker als Parintin. Seitdem sie als besondere ethnische Gruppe definiert worden sind, haben die Jiahui die verschiedensten Namen bekommen: Odjahub, Diahói, Odiarhúebe, Odiahub, Odiahuebs, Odiahuebe, Diarrús, Odiahuve, Odyahuibé, Diahus, Diarrhus, Odayahuibe, Diarrói, Odiahueba, Odyahuibó, Odiahúbes, Diarroi, Diahub, Jahoi, Odiahuibe, jahui, Diaói, Odiabuibé und Diarru. Die gegenwärtige Schreibweise Jiahui ist eine Option dieser Indianer selbst.
Territorium
Die Kagwahiva werden zum ersten Mal im Jahr 1750 in der Region des oberen Rio Juruena erwähnt, zusammen mit den Apiaká. Bald darauf wurde jenes Gebiet von einer Goldsucherfront durchforscht, die von Cuiabá aus gen Norden vorrückte auf der Suche nach neuen Goldvorkommen, was den Beginn eines Abwanderungsprozesses der Kagwahiva eingeleitet haben mag (Menéndez, 1989:38). Ein anderer Grund waren wahrscheinlich ihre kontinuierlichen Auseinandersetzungen mit den Munduruku.
Die Jiahui sind Teil einer Völkergruppe, welche die Region am Mittellauf des Rio Madeira besetzten, südlich des Bundesstaates Amazonas, nachdem sie vom Oberen Tapajós abgewandert waren, bedrängt von ihren traditionellen Feinden, den Munduruku – während einer Periode nach 1750.
In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden sie auch aus diesem traditionellen Territorium vertrieben, was praktisch zu einer Auflösung der Gruppe führte, denn sie wurden sowohl von benachbarten Indianern, von implantierten Fazendas und illegalen Holzfällern bedrängt. Die wenigen überlebenden Jiahui schlossen sich den Tenharim an und lebten fortan in einem Dorf dieses Volkes am Rand des Transamazônica-Highways. Sie heirateten und hatten Kinder, wurden jedoch niemals vollkommen von den Tenharim absorbiert.
Aufgrund internen Druckes im Dorf verlegten die Jiahui ihren Lebensraum an die Ostgrenze des Tenharim-Territoriums, und von dort aus starteten sie vereinzelte Ausflüge in ihr traditionelles Territorium, das inzwischen von Fazendas (Viehfarmen) besetzt worden war, die offiziell beim INCRA (Nationales Institut für Kolonisierung und Agrarreform) registriert waren. Jene Ausflüge, die zuerst einmal dem Sammeln von Paranüssen dienten, nahmen mit der Zeit an Regelmässigkeit zu – neben dem Sammeln von Waldfrüchten jagten die Indianer auch wieder in diesem Gebiet – und im Jahr 1999 entschlossen sie sich, ihr traditionelles Territorium wieder zu übernehmen – sie verlegten ihre Familien ins Innere des Fazenda-Gebietes, errichteten dort ein Dorf und legten Felder an.
Zum Zeichen ihrer Berechtigung der erneuten Besetzung ihres ursprünglichen Lebensraumes nannten sie ihr neu errichtetes Dorf “JUÍ” – so wie einst auch ihr antikes Dorf in derselben Region geheissen hatte – es war damals nur ein bisschen weiter südlich gelegen gewesen. Das heutige Dorf liegt etwa 100 Meter von der Transamazonica entfernt, in der Nähe des linken Ufers eines kleineren Flüsschens mit dem Namen “Amazonia” (einem Nebenfluss des Rio Marmelos). Der Grund, das Dorf am Rand der Transamazonica zu errichten, beruht auf der Tatsache, dass die Indianer auf ihr Produkte zum Verkauf anbieten, durch sie an Waren für den Eigenbedarf kommen und man ausserdem auch im Krankheitsfall Zugang zu medizinischer Versorgung hat – unter anderen relevanten Faktoren für die Existenz der eingeborenen Bevölkerung dieser Region.
Inzwischen bereits offiziell versprochen und in der Phase der Demarkierung, gehört das IT Jiahui zum Munizip Humaitá (Bundesstaat Amazonas) – seine Fläche wird mit annähernd 47.600 Hektar angegeben, sein Umfang beträgt 150 km. Das IT (Indianer-Territorium) grenzt an die Munizipien Tenharim und Pirahã, an den Nationalforst von Humaitá und an ein paar kleinere Grundbesitze. Insgesamt hat man dadurch die Möglichkeit einer eventuellen Invasion dieses Gebiets von vornherein verringert.
Allerdings gibt es Konflikte mit Grundbesetzern im Innern des traditionellen Jiahui-Gebiets. Es sind kleinere Grundstücke, die sich so um die 100 Hektar pro Stück bewegen und – was das Problem erschwert – sie wurden dermaleinst vor der Schaffung des IT vom INCRA (Landwirtschaftsministerium) ganz offiziell an die heutigen Besitzer vergeben. Im Lauf der Zeit sind verschiedene Grundstücke verlassen oder an Nachbarn verkauft worden, sodass die dort Übriggebliebenen allerdings heute immense Flächen als ihr Eigentum betrachten.
Den grössten Konflikt hat den Indianern der Farmer Eduardo Esteves Duarte beschert: ausser der Verteidigung seiner Rechte auf das Land, disputiert er mit den Indianern die Ernte eines Paranuss-Baumbestandes, in dem die Jiahui seit Urzeiten die Nüsse für ihren Eigenbedarf sammeln – der Ort heisst bei ihnen “Tañoapina”. Wenn die Nüsse reif sind, begegnen sich Indianer und Angestellte von Duarte, die ebenfalls das Produkt für den Export sammeln, in kriegerischen Auseinandersetzungen.
Ausser den Auseinandersetzungen mit jenen Nicht-Indianern gibt es ein weiteres Problem, welches das IT Jiahui involviert: ein Teil des Reservats überlagert das Terrain des Nationalforstes von Humaitá. Am 22. März 1988 veröffentlichte der damalige Präsident der Republik, José Sarney, das Dekret No. 95.895, in dem die Territorien “Boa Esperanca” und “Pupunhas” dem Militär zur Nutzung zugesprochen wurden – mit insgesamt 468.790 ha gründete er die “Gleba Militar de Humaitá”. Am 19. März 1997 änderte Präsident Fernando Henrique Cardoso einige Paragraphen dieses Dekrets. Und am 2. Februar 1998 unterzeichnete derselbe Präsident ein anderes Dekret (No. 2.485) mit dem er den Nationalforst von Humaitá gründete – auf derselben Fläche der “Gleba Militar”. Dieses Gebiet steht gegenwärtig unter der Gerichtsbarkeit des IBAMA (Umweltschutz-Organisation), die aus dem Gebiet eine “Einheit zum Experimentieren mit verschiedenen erneuerbaren Naturressourcen” gemacht hat. Aber das heisst auch, dass die Regierung selbst, sich mit der Definition jenes Militärgebiets und später dem Nationalforst, einfach über einen Teil des Indianerterritoriums hinweggesetzt hat.
Geschichte des Erstkontakts
Offiziell wurde die Existenz der Kagwahiva erstmals im Jahr 1750 erwähnt – im Gebiet des oberen Rio Juruena, als Nachbarn der Apiaká. Kurz danach wurde dasselbe Gebiet von den Horden der Gold- und Diamantensucher durchstreift – sie bewegten sich von Cuiabá aus in Richtung Norden – ihre Invasion könnte zum Beginn eines Auswanderungsprozesses der Kagwahiva geführt haben (Menández, 1989:38). Ausserdem werden ihre Kriege gegen die Munduruku ebenfalls als Grund ihrer Abwanderung aus diesem Gebiet an die Ufer des Rio Madeira betrachtet (Nimuendajú, 1924:207-208). Allerdings ist es schwierig, eine kategorische Bestätigung über diesen Zeitraum abzugeben, denn die einzelnen Auslöser für diese Volkswanderung sind wesentlich komplexer und verbunden mit einer dynamischen Relation zwischen den einzelnen Stämmen der Region.
1817 wurden die Kagwahiva zum ersten Mal unter dem Ethnonym “Parintintin” registriert, eine Bezeichnung, welche ihnen wahrscheinlich von den Munduruku, ihren Feinden, gegeben wurde. 1850 werden Kagwahiva und Parintintin parallel registriert – später verliert sich der Ethnonym Kagwahiva, und diese Völker werden alle als Parintintin geführt. Nach ihrer “Befriedung” durch Curt Nimuendaju, im Jahr 1922, konnte man sich davon überzeugen, dass sich die Parintintin selbst als “Kagwahiva” bezeichneten, und dass der Name “Parintintin” sich lediglich auf einen Stamm dieser Volksgruppe bezog.
Im Gebiet des Rio Madeira vollzog sich die Annäherung der Kahwahiva-Gruppen an die brasilianische Gesellschaft erst nach einem intensiven Krieg, der sich über 70 Jahre hinzog – von der Mitte des 19. Jahrhunderts an bis zum Jahr 1920. Die Kampfhandlungen wurden erst mit Eingreifen des damaligen SPI (staatliche Indianerschutz-Organisation) abgebrochen, und nach der definitiven Vertreibung der Latexsammler aus diesem Gebiet. Der Deutsche Curt Nimuendaju war der bedeutendste Vermittler bei jener Annäherung: er war vom SPI unter Vertrag genommen worden, organisierte Expeditionen und errichtete einen Begegnungs-Posten im Innern des Indianergebiets. Allerdings gab er dann wegen fehlender finanzieller Mittel des SPI sein Projekt nach nur fünf Monaten wieder auf – zurück blieben seine Hilfskräfte.
Nach Nimuendajú (1924:201-203) erstreckte sich das Territorium Parintintin (das heisst, der Kagwahiva) im Gebiet des Rio Madeira über zirka 22.000 Quadratkilometer, im Norden und Westen durch eben diesen Fluss begrenzt, im Süden vom Rio Machado und im Osten vom Rio Marmelos, mit seinem orientalen Arm, dem Rio Branco.
Nimuendajú berichtet (1924:203) dass das Volk der Parintintin zwischen dem Erstkontakt und seinem Weggang aus 250 Individuen bestand. Der Unterhalt dieser Gruppe basierte auf einer Wirtschaft, welche vom Regenwald abhängig war. Sie pflanzten Mais, Maniok, Süsskartoffeln, Urucum, Baumwolle, Bananen und Papaya. Sie fischten mit Pfeil und Bogen, sowie dem Lianengift Timbó, und jagten vorzugsweise Tapire. Hirsche und Affen.
Bald nach den ersten Kontakten mit den Parintintin berichteten die Funktionäre des SPI über das Auftauchen von anderen Kahwahiva-Stämmen in diesem Gebiet. Und die ersten, die jenen Funktionären Sorgen bereiteten, waren die Jiahui. Die Erfahrungen jener Versuche, diese Indianer zu einem ersten Kontakt zu bewegen, beschreiben José Garcia de Freitas und seine Kollegen vom SPI in ausführlichen Relatorien. Während eines kurzen Augenblicks entdeckten sie die Indianer im Gebiet des Oberlaufs vom Rio Branco – danach ein zweites Mal im Gebiet des Baches Amazonia, dem Ort des gegenwärtigen Dorfes. Die Absicht, die Jiahui zu “befrieden” wird in vielen Dokumenten aus jener Zeit ausführlich behandelt.
Was die Relationen zwischen Parintintin und Jiahui betrifft, so waren die gesammelten Informationen stets aus der Perspektive ersterer zusammengestellt – denn die anderen befanden sich noch im Zustand völliger Isolierung.
“Nach Informationen, welche der leitende Beamte des Postens Maicy-mirm unter den Parintintin gesammelt hat, sprechen die Odiarhúebe denselben Dialekt wie die Parintintin und haben auch ganz ähnliche Sitten und Gebräuche – jedoch besteht zwischen beiden Stämmen eine alte, tief sitzende Feindschaft, welche eine gemeinsame Annäherung unmöglich macht.
Im Gegensatz zu den Parintintin, die ihre Haare rund um den Kopf abzuschneiden pflegen, tragen die Odiarhúebe die ihren voll und lang – jedoch wie die Parintintin, tragen sie ihren Penis eingerollt in einen zylindrischen Tubus aus einem Blatt der Arumã. Ihre Schmuckfedern stammen vom Japú und dem roten Ara, ihre Pfeile gleichen in ihrer Machart und Befiederung denen, die man bei den Waffen der Parintintin beobachten kann.
Wenn man mal den natürlichen Aberglauben der Parintintin betrachtet – der übrigens in den meisten eingeborenen Völkern vorhanden ist – so haben sie eine geradezu fetischistische Angst vor ihren Verwandten, die ihre Feinde sind. So erzählen sie unter anderem, dass die Odiarhúebe, vom Rachedurst getrieben, ihnen des nachts grosse Fledermäuse schicken, welche ihnen die Haare stehlen, die dann von den Schamanen ihrer Feinde für Hexerei-Rituale benutzt werden, mit denen sie ihnen, den Parintintin, schlimme Krankheiten in ihre Hütten schicken” (Lemos, 1925:20).
Während der dreissiger Jahre verstärkt der SPI seine Versuche, die Jiahui zu einem Erstkontakt zu bewegen. Es werden Expeditionen unter dem Kommando von José Garcia de Freitas ausgerüstet, der durch seine Aktionen unter den Parintintin bereits Erfahrung mit den Kagwahiva gesammelt hat. Auf dieser Kontaktsuche trifft Garcia auf die PAIM und nicht auf die Jiahui. Nachdem er eine Frau des Stammes und deren Kinder gefangen genommen hat, trägt Garcia den ihn begleitenden Parintintin auf, dass sie die guten Absichten des SPI verbreiten sollten – während die gefangene Frau vor Wut schäumt und ihm versichert, dass ihr Mann und die andern zurückkommen würden, um alle zu töten. Trotzdem verbleibt Garcia am selben Ort, aber am folgenden Tag lässt er die Frau laufen – mit ein paar Geschenken – hält aber ihre Kinder zurück. Bald darauf erscheinen zwei bemalte Krieger, welche Drohungen gegen alle aussprechen und fragen, wer der Anführer der Truppe sei. Garcia gelingt es, die Krieger zu beruhigen, und nach einer Weile stellt sich sogar ein gutes Verhältnis zwischen allen ein. Anhand des Berichts können wir feststellen, dass es sich um Repräsentanten der Jiahui handelte:
“Ihre Sprache ist die gleiche wie die der Parintintin – nur ihre Rituale und Gesänge sind ein bisschen anders. Sie nennen sich selbst “Pain” – sie sind es, die sich von den Odiahub abgespalten haben und seither in konstantem Kriegszustand mit ihnen leben. Sie erzählten, dass es noch keinen Vollmond her sei, seit die Odiahub überraschend vier ihrer Männer getötet hätten – einer der Opfer hatte sich mit einem Pfeil in der rechten Brusthälfte noch bis ins Dorf schleppen können, war dann aber dort gestorben. Sie lachten zum ersten Mal lauthals, als ich ihnen vorschlug, als Vermittler zwischen ihnen und ihren Feinden aufzutreten, und lehnten mein Angebot kategorisch ab. Dann wunderten sie sich, dass wir bisher noch nicht von den Odiahub angegriffen worden waren, da deren Kriegspfade sich ganz in unserer Nähe befänden. Das hiess also, wenn wir an dieser Stelle noch etwas länger blieben, würden wir sehr wahrscheinlich von ihnen angegriffen. Ich machte keinen Versuch mehr, sie mit ihren Feinden zu versöhnen, denn jetzt kannte ich den Hass und den Rachedurst, welchen sie gegenüber den Odiahub empfanden – also bat ich sie, abzuwarten, bis wir zusammen mit ihnen die Odiahub angreifen würden. Diesen Trick gebrauchte ich, um vorläufig einen Schock zwischen den beiden feindlichen Gruppen zu verhindern” (Rapport von Garcia de Freitas, 1930:06-07).
Allerdings, als Garcia de Freitas später zurückkam (aufgezeichnet im selben Rapport von 1930), war der Zusammenprall zwischen den Gruppen der Pain und Odiahub bereits vorbei – Garcia traf nur noch auf acht Individuen. Nachdem ein paar Jahre vergangen waren, im Jahr 1939, hatten sich ihre Lebensbedingungen vollkommen verändert – die Jiahui litten unter den Konsequenzen des Kontakts mit der nationalen Gesellschaft, der die traditionellen Formen ihrer eigenen Gesellschaft zerfallen liess. Einige Gruppen jedoch hielten sich immer noch isoliert – tief im dichten Regenwald verborgen, zeigten sie sich nur hie und da den Paranuss-Sammlern, die in ihrem Territorium ihrer Areit nachgingen. Endlich in den 70er Jahren, mit der Anlegung der Transamazonica-Piste, die durch ihr Territorium führte, konnten sie ihre Isolation nicht länger aufrecht erhalten.
Die Eröffnung dieser Strasse quer durch den Regenwald brachte Bewegung in die eingeborene Bevölkerung, die vom Lärm der Bulldozer aufgeschreckt zu verstehen versuchte, was sich da abspielte. Die Erzählungen aus jener Zeit sind geradezu fantastisch und behandeln einen kritischen Moment im Leben der Jiahui. Auf der einen Seite eingeschlossen von den Tenharim, auf der andern von den Maschinen des Unternehmens Parapanema und dessen Angestellten, beobachtete die Gruppe von weitem jede Bewegung der Männer mit ihren Maschinen, die sich immer weiter in den Regenwald frassen.
Nachdem sie sich verschiedene Male unter den Arbeitern gezeigt hatten, waren die Jiahui überrascht von der Tatsache, dass sich unter den Angestellten der Parapanema auch viele Tenharim-Indianer befanden. Einer von ihnen mit Namen Kari – er stammte vom Igarapé Preto – machte den ersten Kontakt mit den Jiahui. Er rief sie, begleitet von einem nicht-indianischen Angestellten, und bot ihnen Essen und Kleidung an. Die Annäherung geschah äusserst langsam und spannungsgeladen: Der Jiahui Borobé erlaubte seinen Söhnen nicht, dass sie irgendwelche Speisen in ihren Mund schoben – er hatte nicht das geringste Vertrauen, weder in die Arbeiter noch in die Tenharim. Jedoch begann sich dieser Kontakt später zu intensivieren, und die Jiahui wurden ins Dorf der Tenharim aufgenommen.
In der Mitte der 90er Jahre – infolge des Bevölkerungswachstums sowohl unter den Tenharim als auch den Jiahui – wurde die Spannung zwischen den beiden Gruppen zunehmend grösser. Die Zeit war reif für die Jiahui, den Prozess zur Rückgewinnung ihres Territoriums einzuleiten.
Bevölkerung
Das Volk der Jiahui besteht heute aus 17 Personen im Dorf “Ju´i” – darüber hinaus leben verschiedene Mitglieder ihrer Gruppe in benachbarten Orten. Zählt man die Dorfbevölkerung von “Ju´i” zu jenen Individuen, welche bei den Tenharim, sowie in Humaitá und Porto Velho leben, kommt man auf eine Gesamtbevölkerung von zirka 50 Personen.
Der gegenwärtige Moment im Leben dieses Volkes ist einzigartig. Aus einem Volk, welches bereits als ausgestorben galt, erhoben sich wenige Überlebende und begannen sich neu zu organisieren, besetzten ihr traditionelles Territorium in der Absicht, ihre Fragmente neu zu gestalten, indem sie die Bewohner aus anderen Dörfern und selbst aus den näheren urbanen Zentren wieder um sich versammelten.
Von Bedeutung ist, dass alle Stammesmitglieder trotz ihres Auseinandergehens niemals ganz den Kontakt zueinander verloren haben. Die meisten von ihnen wissen, wo sich ihre Familienmitglieder aufhalten, ja sie können sogar noch ihre geneologischen Verhältnisse aufzählen. Gegenwärtig entstehen drei wahrscheinliche Hausgemeinschaften, welche ihre wirtschaftlichen Aktivitäten im Kollektiv ausführen. Wenn eine Jagd sehr erfolgreich war, wird an alle Mitglieder Fleisch verteilt. Für die Ausübung der wirtschaftlichen Aktivitäten hat die Gemeinschaft Pfade angelegt, die von allen benutzt werden. Aber in nicht allzu entfernter Zukunft werden auch wieder die verschiedenen Hausgemeinschaftsgruppen ihre eigenen Wege gehen in diesem Territorium.
Gesellschaftliche Organisation
Die Jiahui, sowie die Kagwahiva im allgemeinen, sind ein Tupi-Volk, aber sie besitzen eine besondere Eigenheit im Vergleich zu den anderen Gruppen, welche derselben linguistischen Familie entstammen:
ein komplexes System exogamischer Hälften, die mit den Namen zweier Vögel benannt werden: “Mytu” und “Taravé“ (Fasan und Papagei). Dieses System definiert die Möglichkeiten einer Eheschliessung, denn ein Mann gehört von Geburt an zur Hälfte seines Vaters und kann die Ehe nur mit einer Zugehörigen der anderen Hälfte eingehen.
Dieses System unterteilt die Gesellschaft in zwei grosse Lager, welche die Ehen unter sich organisieren. Eine Heirat innerhalb derselben Hälfte ist nur möglich, wenn der eine Ehepartner sehr weit weg vom andern wohnt. In diesem Fall nimmt man an, dass eine geografische Distanz auch die geneologische beeinflusst – und eine Heirat wird zugelassen.
Obwohl der Bevölkerungsschwund das Funktionieren jenes Systems im Fall der Jiahui erschwert hat, wird es weiterhin angewendet, sei es bei internen Eheschliessungen, oder bei solchen mit anderen Kagwahiva-Gruppen. In dieser Form hat man auch Ehen zwischen Jiahui und Tenharim vom Rio Marmelos geschlossen. Von allen Seiten bedrängt und verzweifelt, haben sich die Überlebenden der Jiahui mittels einer Eheschliessung in den 70er Jahren ins Volk der Tenharim geflüchtet. Heute gibt es auch Ehen innerhalb derselben Hälfte, die aber in keiner Weise das System verletzen, da die geneologische Distanz zwischen beiden Gruppen dies erlaubt.
Der konstante Verkehr innerhalb ihres Territoriums ist eine Charakteristik der Kagwahiva, die sich in kleinen lokalen Gruppen auf ein riesiges Gebiet zwischen den Flüssen Madeira und Tapajós verteilten. Sie lebten andauernd zwischen Allianz und Konflikt, anerkannten sich allerdings als eine einzige Gesellschaft. Jede einzelne dieser lokalen Gruppen, die sich wahrscheinlich um eine Hausgemeinschaft herum formierte, besass den Namen ihres Anführers oder ihres Wohnorts (Fluss, Gebirge, Tal etc.). Der Fraktionalismus ist eine besondere Charakteristik jener Völker, und in Konsequenz pflegten ihre Vereinigungen auch recht instabil zu sein – neue Gruppierungen bildeten sich regelmässig. Die politischen Strategien hinsichtlich der Frage ihres Lebensraumes charakterisieren die Art und Weise der Besetzung ihres Territoriums und die Bildung der einzelnen Gruppen. Mündliche Überlieferungen bestätigen die lokale Bestimmung der einzelnen Gruppen – sie führen die Verteilung der einzelnen Gruppen auf den Willen von Nhaparundi zurück, einem mythologischen Ahnen der Kagwahiva, und auch, auf die Flucht der einzelnen Gruppen nach dem Erstkontakt mit Nicht-Indianern (Menéndez, 1987:86-87; 1989:80).
Fraktionelle Eigenheiten der Kagwahiva-Gruppen führen noch heute zu internen Auseinandersetzungen – und daraus entstehen dann neue Dörfer von sich teilenden Gruppen. Allerdings werden solche neuen Dörfer in der Regel noch innerhalb des Gebiets errichtet, welches noch zur ehemaligen Gruppe gehört. In Übereinstimmung mit den Jiahui befinden sich sowohl Tenharim als auch Parintintin heute auf ihren traditionellen Territorien. Und sowohl Jiahui als auch Tenharim bestätigen, dass das von ersteren wiederbesetzte Territorium effektiv jene Region ist, in der sie schon immer gelebt haben.
Produktive Aktivitäten
Hinter dem Dorf Ju´i haben die Indianer einen Acker mit Maniok, Kürbis, Papaya, Bananen und anderen Feldfrüchten angelegt. Rund ums Dorf beginnen Wege und Pfade, die in Jagdgebiete, zum Fischen oder zum Sammeln bestimmter Waldfrüchte führen. Jagd, Fischfang und Feldarbeit dienen der Selbsterhaltung der Gruppe. Mit dem Sammeln von Waldprodukten erwirtschaften sie sich einen kleinen Gewinn auf dem regionalen Markt.
Die Para-Nuss ist das zentrale Produkt, mit dem sich die Jiahui einen grossen Teil des Jahres beschäftigen. Erst vor kurzer Zeit, mit der Wiedergewinnung ihres traditionellen Territoriums, nahmen sie auch die Ernte in ihrem Nussbaumbstand “Tañoapina” wieder auf – sie begannen auch andere Produkte einzubegreifen, die auf dem Markt gefragt sind, wie zum Beispiel die Früchte der “Açaí-Palme”. Letztere werden reichlich von ihnen produziert und auch verkonsumiert.
Dieselben Pfade, welche in ihre Jagdgebiete führen, werden in der Regel auch für andere Aktivitäten benutzt, sie führen zum Beispiel auch zu einem Para-Nussbaumbestand oder zu einem Açaí-Palmenhain. Allerdings gibt es auch ganz spezielle Pfade, die man als “Jagdwege” bezeichnet – auf ihnen legen die Jäger weite Entfernungen innerhalb ihres Territoriums zurück, um ein begehrtes Wild zu erlegen, wie zum Beispiel ein Wildschwein, einen Tapir, ein “Paca” oder “Cutia”. Auch die Transamazonica-Piste wird heute als “Jagdweg” benutzt – manchmal benutzen die Männer für eine längere Anfahrt sogar ihr Fahrrad.
Die Jagd ist eine exklusive Aktivität der Männer – die Jagd ist eine der bedeutendsten Proteinquellen der Kommune. Obwohl nicht immer durchführbar, ist das Ziel der Jagd immer ein möglichst grosses Beutetier. Trotzdem lehnt der Jäger auch ein kleineres Tier oder Vögel nicht ab, die gerade seinen Weg kreuzen.
Für die Jagd kann er entweder eine Feuerwaffe, Pfeil und Bogen oder auch Fallen benutzen, die er im Wald aufstellt. Der Jäger geht entweder allein oder innerhalb einer kleinen Gruppe von zwei bis drei Freunden. Stets wird eine reichliche Jagdbeute mit den anderen Mitgliedern der Kommune geteilt. Was übrig bleibt, wird entweder geräuchert oder eingesalzen.
Obwohl nicht so von zentralem Interesse wie die Jagd, gebührt dem Fischfang ebenfalls eine grosse Bedeutung im Leben der Jiahui. Er wird als eine Aktivität betrachtet, welche den Speiseplan der eingeborenen Kommune vervollständigt. Im Gegensatz zur Jagd, kommen in diesem Fall auch Frauen und Kinder zum Einsatz, die sich auf ihre Weise in und an den Wasserläufen im Umfeld des Dorfes betätigen.
Die von allen geschätzten Fischarten sind: Tucunaré, Surubim, Tambaqui, Jatuarana, Matrinchã und Piau. Die Fangtechniken und entsprechenden Instrumente sind ganz unterschiedlich. Man bedient sich einerseits der Nylonschnur mit Haken, aber auch des Bogens mit speziellen, widerhakenbewehrten Pfeilen, des “Zagaia” (einer Harpune), des Spinells, der jyki’ywa (juqui) sowie der Timbó-Liane. Nylonschnur mit Haken wird von allen gern benutzt, wenn es sich um das Angeln von Fischen in Seen oder Lagunen mit Wassertümpeln handelt, also stehendem Wasser. Das Spinell besteht aus einer Reihe von Angelhaken an einer Schnur, die man zwischen zwei aus dem Wasser ragende Wurzeln oder Äste spannt, so dass die Haken mit den Ködern knapp über der Wasseroberfläche schweben. In diesem Fall kann der Angler sich mit einer anderen Tätigkeit befassen. Das Schiessen mit Pfeil und Bogen oder der zielsichere Wurf der Harpune verlangen eine sichere Hand von demjenigen, der diese Instrumente benutzt. Es gibt auch einige andere Techniken, die zur Tradition der Kagwahiva gehören, wie zum Beispiel das Benutzen eines handgeschnitzten Fisches aus Holz, der in der Nähe der Wasseroberfläche angebracht wird, um die Fische anzulocken – nach dem ersten gespeerten Fisch (mit dem Pfeil oder der Harpune) wird der Holzfisch von diesem ersetzt, und der Fang geht weiter. Für eine andere Fangtechnik benutzt man einen kleinen Holzring, der mittels einer Schnur an einem Stöckchen befestigt ist und nun auf die Wasseroberfläche fallen gelassen wird – er immitiert das Fallen von Früchten, und die davon angelockten Fische werden harpuniert. Der jyki’ywa (juqui) wird für grosse wie für kleine Fische eingesetzt. Er gleicht einem Korb, der aus den Blattrippen der “Inajá” geflochten ist, und hat auch in etwa diese Form. Man bringt ihn im Strömungsmittelpunkt eines kleineren Flüsschens an – die Fische schwimmen hinein auf der Suche nach Futter, finden aber den Ausgang nicht mehr.
Eine von allen Jiahui und Kagwahiva sehr geschätzte Art des Fischfangs ist die Benutzung der Timbó-Liane – vorzugsweise während des Sommers, wenn sich überall im Gelände kleinere Tümpel finden, die von Überschwemmungen der Regezeit zurückgeblieben sind. Besagte Liane enthält einen giftigen Saft, den die Indianer durch Schlagen mit einer Keule oder Quetschen zwischen zwei Steinen herauspressen und ins Wasser tropfen lassen – diese Substanz betäubt die Fische, sie treiben an der Wasseroberfläche und können eingesammelt werden. Nach Auffassung der Jiahui spielt sich ein Krieg zwischen der Liane und den Fischen ab: Und einige Fische gewinnen sogar in diesem Krieg, denen macht das Gift nichts aus, wie im Fall des “Acará” oder dem “Jeju”. Damit man bei dieser Art des Fischfangs erfolgreich ist, muss man vorher mit der Liane sprechen und sie bitten, dass sie die Fische betäubt.
Was die Tätigkeit des Sammelns betrifft, so kann sie sowohl als männliche wie auch als weibliche Tätigkeit eingestuft werden, das hängt jeweils von der anzuwendenden Kraft und erforderlichen Geschicklichkeit ab – in einigen Fällen kann sie sogar sämtliche Mitglieder einer Familie einbegreifen, das heisst Männer, Frauen und Kinder. Als Produkt für den Eigenbedarf wird die Para-Nuss in ihrem Naturzustand belassen, gemischt mit typischen Mahlzeiten, wie Beiju (Fladenbrot) und Tapioca (Küchlein aus Maniokstärke) oder als Gewürz zum Fleisch. Als kommerzielle Ware erhält die Para-Nuss einen Verkaufspreis, der sich nach der Ernteausbeute richtet.
Die Indianer verbringen den ganzen Tag mit dem Aufbrechen der Nussschalen – abends kehren sie entweder ins Dorf zurück oder – wenn sie weit entfernt sind – übernachten sie am Ernteplatz. Um die Nahrungsversorgung während der Nussernte zu gewährleisten, legen die Jiahui einen Vorrat während der Wochen vor der Ernte an. Es kann passieren, dass sie ihre Nussernte im Voraus an einen Händler verkaufen, von dem sie Industrieprodukte wie Öl, Salz, Reis und Kaffee eintauschen.
Die Açaí-Ernte ist eine maskuline Arbeit – sie verlangt eine gewisse Erfahrung und Geschicklichkeit beim Gebrauch der “Peconha”, eines Ringes aus Lianen geflochten, der an den Füssen des Mannes befestigt wird und ihn befähigt, den glatten Palmstamm hinaufzuklettern. Die Fruchtrispen werden in grossen Körben (Paneiros) ins Dorf getragen. Für die Herstellung des Palmweins belässt man die Früchte über Nacht in lauwarmem Wasser. Dann werden sie in einem Mörser zerstampft, und schliesslich wird der Saft gesiebt und dann mit Maniokmehl gemischt konsumiert.
Ein anderes wichtiges Produkt im Leben der Jiahui ist die “Babaçu”-Palme und ihre Früchte – letztere können in natura als Mehl oder als eine Art Kaugummi genossen werden. Die Blätter der Palme eignen sich bestens als Dachbedeckung. Die Jiahui verehren auch die “Puremu” als besonderen Leckerbissen, eine Raupe, welche im Innern der Babaçu-Nuss zu finden ist, und die von ihnen gegrillt gegessen wird. Das Nussöl findet zur Haarpflege Verwendung. Wenn man den Jiahui glauben kann, verhindert es weisse Haare.
Im Einzugsbereich des Dorfes befinden sich die Felder. Im allgemeinen werden sie während der Trockenperiode (zwischen Juli und August) von den Männern vorbereitet – um dann vor den ersten Regenfällen abgebrannt und eingesät oder bepflanzt zu werden. Die Rodung des Baumbestands und das Abbrennen sind Männerarbeit, während die Einsaat und Bepflanzung, sowie Unkraut jäten und die Ernte sowohl von Männern wie von Frauen und Kindern erledigt wird.
Das bedeutendste Feldprodukt der Jiahui ist die Maniok, aus der sie das Mehl gewinnen. Dieses Maniokmehl ist Mittelpunkt ihrer Ernährung, es wird während des ganzen Jahres verzehrt. Sie pflanzen auch Bananen, Macaxeira (ungiftige Maniok), Wassermelonen, Mais, Bohnen und Kürbisse an. Zu aussergewöhnlichen Anlässen verkaufen sie auch die landwirtschaftlichen Überschüsse – im allgemeinen jedoch wird die Produktion in ihrem Gesamt von der Kommune aufgebraucht oder mit Familienangehörigen der Nachbarschaft (Parintintin und Tenharim) getauscht.
Der Kommerz ergibt sich aus den gesammelten Produkten – in erster Linie Para-Nüsse und Açaí – die werden auf dem Markt in Humaité verkauft. Es gibt auch eine kunsthandwerkliche Produktion, die hauptsächlich von den Frauen bestritten wird. Viele ihrer Halsketten, Ringe, Armbänder und Kopfschmucke werden in Humaitá und Porto Velho angeboten. Ihr Kunsthandwerk hat einen starken Identitätscharakter, vor allem deshalb, weil der Kopfschmuck erst einmal eine Zeitlang von den Männern bei politischen und zeremoniellen Anlässen getragen wird, bevor man ihn verkauft.
Das Mboatava-Fest
Die Vereinigung sämtlicher wirtschaftlicher Aktivitäten der Jiahui, sowie auch aller Kagwahiva-Gruppen im Allgemeinen, wird von einem zentralen Fest gekrönt – dem jährlichen Höhepunkt ihrer eingeborenen Kultur. Jedes Jahr, zu Beginn ihrer Feld- und Pflanzungsarbeit veranstalten die Kagwahiva ihr grösstes Fest, das sie “Mboatava” nennen – der Name stammt von ihrem Wort für die Para-Nuss. Das Hauptgericht, welches allen Anwesenden zu diesem Anlass serviert wird, besteht aus Fleisch vom Tapir (oder Wildschwein) gekocht in der Milch der Para-Nuss!
Kontemporane Aspekte
Gegenwärtig möchten die Jiahui jenen zentrifugalen Prozess der letzten Jahre umkehren und versuchen, die versprengten Mitglieder ihres Volkes neu zu gruppieren. In diesem Sinne ist die Wiederbeschaffung ihres traditionellen Territoriums nicht einfach als Besetzung eines physischen Raumes zu betrachten, sondern auch als eine symbolische Rekonstruktion ihres Volkes. Mit der territorialen Garantie steigen die Chancen, dass auch jene Jiahui, die in die grossen Städte abgewandert sind und ihre indianische Identität verleugnen, ihre Meinung ändern und sich entschliessen, wieder mit ihren Familienangehörigen zusammen zu leben. Eine Verheiratung der Jiahui-Frauen könnte ebenfalls eine Reihe von neuen Männern in das Dorf Ju´i bringen. Es existiert inzwischen auch eine feste Allianz zwischen der Gruppe Ñagwea’i und verschiedenen Hauswirtschaftsgruppen der Tenharim.
Das bedeutendste Hindernis in diesem Prozess ist die Frage der vom INCRA ehemals ausgestellten Besitztitel an Farmer im Interior des Indianer-Territoriums (IT). Grundsätzlich gibt es hier keine illegalen Landbesetzer – allerdings illegale Aktivitäten hinsichtlich der Fällung von Edelhölzern. Aber die Ausstellung eines Landbesitztitels in einer Region mit starker Eingeborenen-Präsenz sollte grundsätzlich auf diese Tatsache Rücksicht nehmen. Weil dies aber nicht geschehen ist, muss man sich jetzt mit der Revolte von Seiten der Landbesitzer herumschlagen – die auch noch die Indianer für den Verlust ihres Besitzes verantwortlich machen.
Deutsche Übersetzung/Bearbeitung, Klaus D. Günther