Suyá

Zuletzt bearbeitet: 1. Oktober 2014

Das Indiovolk der Suyá bilden die einzige Gruppe aus der Jê-Familie, die im “Parque Indígena do Xingu“ ansässig ist. Seit ihrem Einzug in dieser Region (wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) hat ihr Kontakt mit anderen Völkern des Xingu-Gebietes, besonders mit jenen der so genannten “Kultur des Oberen Xingu“, sie mit vielen neuen Sitten und Gebräuchen, sowie bis dato unbekannten Technologien, bekannt gemacht, die sie im Lauf der Zeit übernommen haben.

Suyá

Andere Namen: Suyá Orientais, Kisêdjê
Sprache: aus der Jê-Familie
Population: 330 (2011)
Region: Mato Grosso (Parque Indígena do Xingu)
INHALTSVERZEICHNIS
Mythologie und Geschichte
Das Leben im Park
Lebensraum und territoriale Streitigkeiten
Musik und Kosmologie
Gesellschaft und Rituale
Körperschmuck
Gehör, Vision und Zauberei
Produktive Aktivitäten
Indianer-Schulen
Quellenangaben
Associação Indígena Kisêdjê
Associação Indígena Kisêdjê
Associação Indígena Kisêdjê
Associação Indígena Kisêdjê
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nach obenMythologie und Geschichte

Um über die Geschichte und kulturelle Dynamik der Suyá etwas zu erfahren, beginnen wir am besten mit ihrer Mythologie. Im Gegensatz zu anderen eingeborenen Gesellschaften des Oberen Xingu, sehen sich die Suyá nicht als Wesen eines bestimmten Schöpfers oder eines Kulturhelden an – sondern führen ihre Entstehung auf eine Reihe von Episoden zurück, die “normale“ Menschenwesen involvieren. Die Gesellschaft der Suyá bildete sich aus den Gaben spezifischer Tiere und den Beiträgen feindlicher Indianer. So wurde ihnen das Feuer (und die Praxis des Kochens) vom Jaguar übertragen, der Mais (und die Praxis des Pflanzens) bekamen sie von der Maus, ihr System der Namensgebung (Basis für die gesellschaftliche Identität und alle Zeremonien) offenbarte ihnen ein feindliches Volk, welches unter der Erde lebte. Die Suyá selbst erzählen, dass sie später auf eine Gruppe von Menschen trafen, die ihnen sehr ähnlich waren – aber sie trugen Holzscheiben in ihren Unterlippen, ritzten ihre Haut mit Messern und waren Kannibalen – und die mythologischen Suyá übernahmen ihre Gebräuche. Ihre Lieder erlernten sie von mythologischen Feinden und ihren eigenen Leuten, während deren Metamorphose als Hirsche und Wildschweine. Folglich ist die Vision der Suyá von sich selbst eine Gesellschaft, welche aus einer selektiven Verbindung von Schönem und Gutem des Wissensbereichs anderer Wesen entstand.

Wechseln wir nun von der Mythologie zur mündlich überlieferten Geschichte. Die Suyá bekräftigen, dass sie vor langer Zeit aus dem Nordosten gekommen seien, aus einem im Norden des Rio Tocantins gelegenen Gebiet oder aus Maranhão. Dann wendeten sie sich gegen Westen, überquerten den Xingu zum Tapajós, wo sie gegen eine Reihe von indianischen Feinden kämpften, inklusive jenen, die sie als “Munduruku“ und als “Krenakarore“ (Panará) identifizierten. Unter stetigen Attacken wendeten sie sich gegen Süden – dann wieder gegen Osten in Richtung auf den Rio Batovi – und kamen schliesslich auch in Kontakt mit den Völkern des Oberen Xingu. Eine andere Suyá-Gruppe (die man “Tapayuna“ nannte), bewegte sich in Richtung der Flüsse Sangue und Arinos, wo sie später (auf dramatische Art und Weise) “befriedet“ wurden (1969).

Der Erstkontakt der Suyá mit Nicht-Indianern hat sich wahrscheinlich mit der Expedition des Karl von den Steinen ergeben, vom 3. bis 6. September 1884, als seine Mitglieder gegenüber des Suyá-Dorfes am Xingu-Ufer lagerten. Die Beschreibung des deutschen Wissenschaftlers hebt deutlich die Unterschiede der Suyá gegenüber anderen von ihm besuchten Indianern hervor. Er schildert sie als schwarz und rot bemalt, auf dem Boden schlafend, in kleinen Häusern, mit einer sehr simplen materiellen Kultur, dem “Männerhaus“ im Zentrum des Dorfes, welches, im Gegensatz zu denen des Oberen Xingu, keine Wände hatte. Die Suyá selbst berichten, dass ihre Grosseltern, vor einem permanenten Kontakt, die Weissen als “Volk der grossen Haut“ bezeichneten, denn ihre Kleider bedeckten locker ihre Körper.

Es gibt keine genauen Daten über die Ankunft der Suyá am Xingu. Nachdem ich mir verschiedene Kommentare der Ältesten des Stammes angehört habe, komme ich zu dem Schluss, dass ihr Auftauchen im Xingu-Gebiet ungefähr auf die Hälfte des 19. Jahrhunderts zu datieren ist. Relationen zwischen ihnen und den am Oberen Xingu ansässigen Völkern schwankten zwischen Harmonie und Feindschaft. In Konsequenz eines Verdachts der Hexerei (Auslöser von Krankheiten) und Angriffen seitens feindlich gesinnter Stämme, verzogen sie sich gegen Norden in Richtung der Mündung des Rio Suyá-Missu. Dort massakrierten sie die “Manitsaua“ und entführten Frauen und Kinder der “Iarumã“ (Indianer, die heute ausgestorben sind), welche sie in ihre Gemeinschaft eingliederten – danach war das Gebiet der Flüsse Manitsaua-Missu und Suyá-Missu frei von Feinden und sie besetzten es als ihren neuen Lebensraum.

Die “Juruna“ (Yudjá) und die nördlichen Kayapó tauchten in dieser Region gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf – aus dem Norden kommend und verdrängt von der Ausweitung der “weissen Grenze“. Beide griffen die Suyá an. Diese zogen sich dann in ein Gebiet zurück, das wenige Kilometer oberhalb am Rio Suyá-Missu lag. Wie es scheint, ging ihre Teilnahme am gemeinschaftlichen Leben mit den anderen “Xinguanern“ während dieser Zeit zurück. Sie griffen ihrerseits die Waurá an und entführten einige ihrer Frauen. Heute erinnern sie sich dieses Dorfes am Rio Suyá-Missu als einen Ort, wo sie auf die Initiative jener geraubten Xingu-Frauen hin endgültig die Hängematte als Ruheeinrichtung annahmen (vorher hatten sie nur auf Matten auf dem Boden geschlafen) und ihre eigenen Frauen von jenen geraubten auch die wichtige feminine Zeremonie “Yamuricumã“ vom Oberen Xingu erklärt bekamen – und die gab dem Suyá-Dorf seinen Namen und wurde in ihr zeremonielles Repertoire aufgenommen (das Ritual “YAMURIKUMÓ wird im Text über den “Parque Indígena do Xingu“ ausführlich beschrieben).

Weil sie erneut angegriffen wurden, wichen die Suyá in Richtung des oberen Suyá-Missu aus und liessen sich nahe der Mündung des Rio Wawi, einem linken Nebenfluss, nieder. Ihr neues Dorf war gross, es hatte sogar zwei Männerhäuser, konstruiert nach dem exklusiven Jê-Modell. Dann wurden sie auch hier angegriffen – diesmal von den Waurá und Latex-Sammlern mit Gewehren – alles wurde zerstört. Die Suyá verliessen das Gebiet. Einige schlossen sich Verwandten und Alliierten im Kamayurá-Dorf an, andere bewegten sich noch weiter den Rio Suyá-Missu hinauf, um weiteren Attacken der Yudjá zu entgehen. Diese Periode haftet in ihrer Erinnerung als intensiver Kontakt mit den friedlichen Völkern des Oberen Xingu und wurde dadurch auch intensiv von deren Kultur beeinflusst – man spricht von der “Xinguanisierung“ der Suyá. Sie beschlossen, sich erneut in einem Dorf niederzulassen, jedoch eine kleinere Gruppe von ihnen wurde erneut von den Nord-Kayapó angegriffen, die viele ihrer Frauen entführten, wodurch sich wiederum die Suyá gezwungen sahen, sich von den Waurá neue Frauen zu holen. Daraufhin zogen sie sich in ein Labyrinth von kleineren Flüssen zurück, in dem sie sich von jeglichem Kontakt mit anderen Gruppen isolierten. Die Dörfer, in denen sie während dieser Isolationsperiode wohnten, liegen in derselben Region, in die sie Anfang des 21. Jahrhunderts zurückkehrten – nachdem sie endlich ihr Recht auf dieses Territorium durchgesetzt haben.

nach obenDas Leben im Park

Im Jahr 1959 schickten die Gebrüder Villas Bôas eine Gruppe von Juruna (Yudjá) zu den Suyá, um mit ihnen einen friedlichen Kontakt aufzubauen. Die Suyá sprechen von diesem Ereignis “als die Weissen uns aufsuchten“. Wenig später zogen sie auf den Vorschlag der Villas Bôas in die Nähe des Postens Diauarum, wo sie leichter medizinisch betreut werden konnten. Dort war es, wo sie kurz nach dem Umzug von den Ethnologen Harald Schultz und Amadeu Lanna besucht wurden.

Dort in Diauarum trafen sie auch auf ihre ehemaligen Feinde: die Juruna (Yudjá), die Trumai und die Metuktire – und auch die ebenfalls gerade eingetroffenen Kaiabi. Sie bauten ein Dorf im Stil der Xinguaner, und viele von ihnen heirateten kurz darauf in den Stamm der Trumai ein. Diese Heiraten unterschieden sich sehr von jenen Zwangsheiraten eingefangener Frauen – denn diesmal waren es Trumai-Männer, die ihre Frauen unter denen der Suyá auswählten. Später kam es auch zu ehelichen Verbindungen zwischen ihnen und den Juruna sowie den Kaiabi. Die Suyá begannen eine Reihe von Zeremonien dieser anderen Völker zu übernehmen und zu zelebrieren. In den 60er Jahren begannen die Jugendlichen, ihr Haar im Stil der Xingu-Völker zu schneiden – der Gebrauch von ohren- und Lippenscheiben wurde abgeschafft, und die Ohrläppchen wurden zukünftig nach Art der Völker vom Oberen Xingu durchbohrt. In den ersten Jahren nach diesem Umzug in den Park starben viele der Ältesten Suyá, und das war ein bedeutender Faktor innerhalb ihrer Anpassung an die Xingu-Völker, denn jetzt fehlten die Alten zur Ausrichtung ihrer traditionellen Jê-Zeremonien.

Die freundschaftliche Allianz zwischen Trumai und Suyá zerbrach, als ein Kaiabi einen Trumai tötete, der mit zwei Suyá-Frauen verheiratet war. Als Ergebnis erneuter Feindschaft verlegten die Trumai ihr Dorf in die Nähe des Postens Leonardo – ein beachtliches Stück weiter weg – und die Suyá zogen um in ein neues Dorf weiter oben am Suyá-Missu. Mit den Juruna und den Kaiabi unterhielten sie weiterhin Kontakt, von ihnen übernahmen sie die Kunst der Weberei und ein paar Arten von Nahrungsmitteln. Man forderte sie erneut auf, wieder in die Nähe von Diauarum zu ziehen, aus den schon bekannten Gründen – wieder folgten sie der Aufforderung, konstruierten allerdings dieses Mal ein Dorf, welches weder dem xinguanischen noch ihrem angestammten Jê-Stil ähnlich sah: es war nicht rund und hatte auch kein Männerhaus – die Häuser wurden aus kleinen, senkrecht stehenden Baumstämmen konstruiert, im Stil des Indianerschutz-Postens – und sie ähnelten dem Baustil der Kaiabi-Dörfer sehr.

Infolge eines verhängnisvollen Kontakts mit “weissen Befriedern“ im Jahr 1969 wurden 41 überlebende Tapayuna (die man auch okzidentale Suyá nennt, oder im Volksmund “Holzlippen“) aus ihrem traditionellen Gebiet zwischen den Flüssen Arinos und Sangue verlegt, um sich mit ihren Suyá-Brüdern am Xingu zu vereinen (die damals nur noch aus etwa noch 65 Personen bestanden). Mehr als zehn Mitglieder dieser Tapayuna-Gruppe starben kurz nach dem Umzug an Krankheiten. Aus der Sicht der “orientalischen Suyá“ hatten sich ihre kulturellen Merkmale – einst aus einem Guss – inzwischen ziemlich auseinander entwickelt. Die Tapayuna waren in ihrem Auftreten, ihrer Sprache und ihrem Handeln die verkörperten Vorfahren der Suyá. Dadurch fühlten sich die Suyá plötzlich neu erstarkt, zahlreicher und mit neuem Leben erfüllt. Im Verlauf eines Jahres bauten sie ein neues Dorf im typischen Jê-Stil – mit einem Rund von Häusern um einen grossen Platz – und, natürlich auch dem Männerhaus in seiner Mitte. Und dann veranstalteten sie Jê-Rituale. Die Suyá und die “neuen Suyá“, wie die Tapayuna jetzt genannt wurden, erzählten einer dem andern ihre Mythen und verglichen sie – erzählten auch von ihren Zeremonien und entdeckten dabei unzählige Übereinstimmungen.

Aber das Verhalten der Suyá gegenüber den Neuankömmlingen war in gewisser Weise zwiespältig. Während sie auf der einen Seite authentische Suyá schienen, sah man in ihnen auch die “unzivilisierten Wilden“, weil sie Sitten und Gebräuche sowie die Technologien der anderen Xinguaner nicht kannten. So verstanden sie es zum Beispiel nicht, die Maniok im Stil des Oberen Xingu zu verarbeiten, sie bauten keine Kanus und wussten nicht zu paddeln, und sie sprachen in einer Art und Weise, welche man als archaisch und fremdartig empfand, obwohl es dieselbe Sprache war. Aus diesem Grund wurden sie oft belächelt, aber man brachte ihnen schliesslich bei, was sie wissen mussten.

Im Jahr 1980 fühlten sich die Tapayuna genügend erstarkt und in der Lage, sich ein eigenes Dorf zu bauen, oberhalb des Zusammenflusses von Rio Suyá-Missu mit dem Xingu, am rechten Ufer des letzteren. Unter den Suyá blieben lediglich ein paar Waisen und Erwachsene, welche dort eingeheiratet hatten, zurück. Einer der Tapayuna jedoch wurde von den Suyú getötet und, aus Angst vor weiteren Anschlägen, flüchteten sich die restlichen Tapayuna in ein Dorf der Metuktire (Kayapó) – und dort leben sie noch heute (Cf. Lea, 1997).

Begeben wir uns nun aus der Geschichte wieder zurück in die Mythologie. Wir erinnern uns, dass die Anpassung und Übernahme von kulturellen Eigenheiten anderer Völker für die Suyá bereits in ihrer Mythologie verankert ist (und auch in der Mythologie der meisten anderen Jê-Völker). Folgerichtig werden von ihnen bereitwillig Gebräuche und Technologien anderer Eingeborener und auch von Nicht-Indianern bereitwillig übernommen, in einer kontinuierlichen Anpassung, wenn sie ihren Kriterien zufolge “gut“ und “schön“ oder “nützlich“ erscheinen.

Im Fall des Oberen Xingu, wie gesagt, lernten die Suyá eine Menge neuer Technologien, ohne deshalb ihre eigenen zu verleugnen oder ihnen abzuschwören. Gleich zu Anfang erlernten sie die Verarbeitung der Maniok nach dem Muster des Oberen Xingu (wahrscheinlich von einer Tupi-Gruppe, wie den Kamayurá – viele Arten von Maniok und einige ihrer Nebenprodukte haben nämlich Tupi-Namen). Infolge des Zusammenlebens mit den geraubten Waurá-Frauen erlernten die Suyá-Frauen Töpfe und Schalen aus Keramik herzustellen, auch Körbe und Siebe zur Maniokverarbeitung zum Fladenbrot (Beiju), zum Maniokbrei und dem “Perereba“ (Schleim aus dem Gift der Maniok). Und sie begannen bald auch andere Techniken zur Lebenshaltung einzusetzen, wie Kanus zum Transport auf den Flüssen, übernahmen linguistische Ausdrücke, Baustile für ihre Behausungen, Zeremonien, Ornamente der Körperbemalung, und viele andere Dinge aus der Kultur des Oberen Xingu. Andererseits liessen die Suyá aber niemals davon ab, Tiere zu jagen und zu verzehren, welche die Leute vom Oberen Xingu niemals gegessen hatten, pflanzten auch weiterhin Mais und Süsskartoffeln ausschliesslich für den zeremoniellen Gebrauch – und sie produzierten weiter ihre Utensilien für die typischen Jê-Rituale. So war zwar die Übernahme von Eigenheiten der Kultur vom Oberen Xingu relativ ergiebig, jedoch haben sie, wie sie sagen, lediglich solche Dinge übernommen, die ihnen “schön“ oder “nützlich“ erschienen – die anderen lehnten sie ab.

nach obenLebensraum und territoriale Streitigkeiten

Gegenwärtig finden wir die Suyá verteilt auf Dörfer und Posten. Ngôjwêrê ist ein Dorf an der Grenze des IT-Wawi (zurückerobert von den Suyá, wie im vorliegenden Text berichtet), dort lebt der grösste Teil ihrer Bevölkerung seit dem Jahr 2001. Dies ist auch der Ort eines antiken Dorfes, in dem ein Teil derselben Gruppe gegen Ende der 50er Jahre lebte, als sie von den Brüdern Villas-Bôas aufgesucht wurden.

Bis zum Jahr 2000 lebten sie in dem Dorf Ricoh, das derzeit leersteht. Die Suyá kommen aber immer mal wieder vorbei um von ihren alten Feldern Produkte zu ernten und sich in den Pequi-Palmenhainen und von den Mangobäumen mit Früchten zu bedienen.

Ein anderer Teil der Suyá lebt im Dorf Ngôsokô, von dort aus begannen sie mit ihrer Forderung zur Demarkation des IT-Wawi – damals lag es noch ausserhalb der Grenzen des PIX. Und es gibt noch zwei kleine Dörfer, in jedem lebt jeweils nur eine einzige Grossfamilie der Suyá: Roptôtxi und Beira Rio.

Der Wachposten “Wawi” am Ufer des Flusses gleichen Namens, wird ebenfalls von den Suyá geleitet – dort leben zwei Grossfamilien. Auch der Indianerschutz-Posten Diauarum wird von einigen Suyá-Familien bewohnt, unter ihnen Personen, die als Funktionäre der ATIX und der FUNAI Dienst tun. Diese Familien haben aber auch ihr Haus in den Dörfern. Es gibt schliesslich noch einen Suyá, der ein Haus in Canarana besitzt, dem nächsten brasilianischen Ort ausserhalb des Parks, es wird benutzt zur Übernachtung von Familienmitgliedern, die im Ort Einkäufe machen.

Die Suyá haben sich besonders im Kampf um die Erhaltung der Natur in ihrem Territorium hervorgetan – sowohl hinsichtlich der Ökologie als auch in Bezug auf die Demarkation ihrer traditionellen Wohngebiete, die sich ausserhalb der Grenzen des PIX befanden. Um den Rio Suyá-Missu zu schützen, haben sie in den 90er Jahren verschiedene Festnahmen von Anglern und anderen Invasoren durchgeführt.

Als sie feststellten, dass das Wasser des Suyá-Missu lehmig trüb zu werden begannen und streckenweise Ölflecken mit sich führte, stellten sie eine Expedition im September 1992 zusammen, die aus fünf Suyá und dem Chef des Postens Diauarum bestand. Sie fuhren den Fluss hinauf bis zur Fazenda Jaú (auch unter dem Namen “Fazenda Roncador“ bekannt), einem der grössten landwirtschaftlichen Unternehmen der Gegend. Dort entdeckten sie einen enormen Bagger, der das Bett des Flusses Rio Daro aushob, einem Nebenfluss der linken Seite des Suyá-Missu. Zwei Jahre später machte sich die Verschmutzung selbst im grossen Xingu-Fluss bemerkbar – die Suyá stellten erneut eine Gruppe zusammen, diesmal begleitet von Mitgliedern anderer Stämme des Parks, wie den Ikpeng und den Kaiabi und dem Chef des Postens Diauarum – insgesamt zehn Personen. Der Bagger war immer noch da und der Leiter der Fazenda gab an, dass die Vertiefungsarbeiten am Fluss verspätet seien und dass es noch ein paar Monate dauern würde. Dieser Fall weckte bei den Suyá Befürchtungen einer problematischen Zukunft. Mit der Besetzung des Suyá-Missu-Beckens durch Fazendas hatten die Indianer die Kontrolle über ein bedeutendes traditionelles Gebiet verloren, in dem sich das Quellgebiet des Suiá-Missu und seiner wichtigsten Nebenflüsse befand. Und deshalb fliesst die gesamte Verschmutzung der Fazendas hinunter in den Park und beeinträchtigt auch die Flussläufe in seinem Innern.

Eine andere wichtige Aktion der Suyá war die Beendigung der Waldabholzungen durch die Betreiber der Fazendas am rechten Ufer des Rio Wawi (der erste Fluss, welcher in den Rio Suyá-Missu mündet, auch Rio Santo Antônio genannt), Zufluss vom linken Ufer des Suyá-Missu. Im Jahr 1994 übernahmen die Suyá die Kontrolle des Flusses, unter dem Protest der betroffenen Fazendeiros, und machten eine offizielle Eingabe bei der Regierung zur Anerkennung des Gebiets als Indianer-Territorium. Wissend, dass es ihnen unmöglich sein würde, die Herrschaft über den gesamten Rio Suyá-Missu zu bekommen, denn der erstreckt sich weit über den Park hinaus, versuchten sie zumindest die Kontrolle über eines seiner kleineren hydrografischen Becken zu erreichen: dem Flüsschen Wawi, dessen Quellgebiet sich innerhalb der Parkgrenzen befand. Und aus diesem Kampf gingen sie als Sieger hervor – das IT-Wawi wurde 1998 von der Regierung offiziell anerkannt.

Aber die Waldabholzung der Fazendeiros rund um das neu gewonnene Territorium hat nicht aufgehört und erschreckt die Gesellschaft der Suyá immer noch. Erst kürzlich haben sie ihren Nachbarn und an die Distriktsverwaltung einen Avis geschickt, in dem sie die Invasion von Sojafeldern in der Nachbarschaft ihrer Ländereien denunzieren. Und sie drohen: “Wenn eine Maschine hierher kommt, um Soja zu säen, werden wir alles kurz und klein schlagen“. Der Multi Cargill, der im Mato Grosso in Sojaplantagen investiert, plant neue Lagerstätten in Canarana und eine andere, schon fast fertig, in Querência. Er hat bekannt gegeben, dass er eine weitere Anlage dieser Art auf der Fazenda Gabriela bauen wird, nur 40 km südlich vom “Parque Indígena do Xingu“. Wer auf der Strasse zwischen Canarana und dem Park entlangfährt, kann nicht umhin, die ungeheure Expansion der Sojafelder zu bemerken, mit der die Waldabholzung Hand in Hand geht.

nach obenMusik und Kosmologie

Die Suyá unterscheiden das Gehör und die Sprache als eminente gesellschaftliche Eigenschaften – das Sehen und Riechen dagegen als fundamental natürliche/tierische Instinkte – und asozial. Die beiden genannten sozialen Eigenschaften wurden traditionell durch Körper-Schmuck dargestellt – mittels grosser Holzscheiben in den Ohren und der Unterlippen. Augen und Nasen dagegen wurden nicht hervorgehoben durch Schmuck (siehe auch unter “Körperschmuck“). Obwohl die Suyá gegenwärtig, durch den Einfluss der Indianer vom Oberen Xingu, vom Tragen solcher Scheiben Abstand genommen haben – mit Ausnahme einiger alter Männer – sind diese Organe für sie weiterhin privilegiert im Ausdruck und der Synthese einer Suyá-Person.

Das Suyá-Verb im Zusammenhang mit dem Gehör (kumba) hat eine breitere Bedeutung für sie, als etwa unser Wort “hören“. Es bedeutet hören, verstehen und wissen in einem. Und diese Attribute sind die höchst bewerteten in dieser Gesellschaft. Sie glauben, dass das Ohr gleichzeitig Empfänger und Bewahrer gesellschaftlicher Formen sei – nicht etwa das Gehirn. Wenn ein Suyá etwas erlernt, selbst etwas Visuelles, wie zum Beispiel ein Webmuster, dann sagt er: “Es ist in meinem Ohr“.

In einer nicht-indianischen Gesellschaft pflegt man zu sagen: alle können reden, aber wenige singen in der Öffentlichkeit. Unter den Suyá ist es gerade umgekehrt. Singen ist für sie das Maximum an oralem Ausdruck – sowohl einzeln als auch im Kollektiv. Die Suyá arbeiten für ihren Lebensunterhalt zirka drei bis vier Stunden täglich und danach singen sie etwa dieselbe Zeit lang. Und an einem Zeremonien-Tag können sie bis zu 15 Stunden hintereinander singen.

Wie gesagt, auch die freie Rede ist unter den Suyá beliebt – es gibt verschiedene Rede-Kategorien. Die Sprache der Suyá wird im Allgemeinen in eine “alltägliche Sprache“ (Kaperni) und eine “Sprache des Platzes“ (Ngaihogo kaperni) unterteilt. Letztere kann als “aggressive Sprache“ (Grutnen kaperni) oder als “Sprache, der jeder zuhört“ (M mbai wha kaperni) auftreten. Während die alltägliche Sprache eben im Alltag von jedermann, Männer wie Frauen und allen Altersgruppen, gesprochen wird, werden die verschiedenen “Ansprachen“ nur von voll erwachsenen Männern benutzt. Sie haben einen besonderen Rhythmus, und bedienen sich personifizierten Formeln, Orten und Stilen. Obwohl sie niemals auf dem Platz sprechen, haben aber auch die Frauen besondere Formen des sprachlichen Ausdrucks entwickelt – und sie sind Spezialisten im ritualisierten Weinen und Jammern – das übrigens einer bestimmten Melodie folgt.

Und es gibt viele unterschiedliche Gesangsstile, darunter zwei besonders kontrastierende: “Akia” wird nur von den Männern gesungen, und “Ngere” singen Männer und Frauen. Die “Akia“ sind ein Mittel für die Männer, um in der Öffentlichkeit etwas von ihrer Individualität preiszugeben. Es sind Gesänge, die von jedem einzelnen Individuum selbst komponiert und dargeboten werden – in hoher Tonlage, mit melodischen Linien und einem ganz persönlichen Stil. Die Suyá glauben, dass nur sie “Akia“ singen und sich dadurch von anderen Indianern unterscheiden.

Die “Akia“ sind auch mit Ritualen verbunden, auf dem Dorfplatz oder ausserhalb der Peripherie des Dorfes. Für jede dieser Zeremonien muss ein Mann eine neue “Akia“ bereit haben, und natürlich möchte er, dass sie individuell angehört wird – jedoch singen alle Männer ihre “Akia“ simultan. Das heisst, jeder der teilnehmenden Männer intoniert einen individuellen Gesang zur gleichen Zeit wie die anderen, in einem für alle gleichen Rhythmus, begleitet vom Stampfen der Füsse und dem Klang der Rassel. Der Effekt ist eine unbeschreiblich gellende, schrille Kakophonie – jeder der Männer singt so laut und so hoch wie er nur kann, um die Chance zu haben, dass sein Ton sich von allen anderen abhebt und von seinen Schwestern oder Geliebten identifiziert werden kann. Bei den Zeremonien, in denen Männer die “Akia“ singen, bilden die Frauen das vorherrschende Publikum – und sind die Lieferanten des Imbisses zwischendurch.

Die Frauen haben ihre eigenen Zeremonien, in denen nun sie die wichtigste Rolle spielen, und in diesem Fall hören die Männer ihnen zu. Wie unter den Männern, so sind auch bestimmte Frauen als Zeremonienmeisterinnen bestimmter Rituale anerkannt. Im Lauf ihrer Geschichte haben die Männer Gesang und Tanz anderer Eingeborenengruppen in ihr eigenes Repertoire aufgenommen, wie zum Beispiel von den Munduruku oder den Stämmen vom Oberen Xingu. Auch die Frauen haben ihrerseits neue Gesänge in ihr Fest „Yamuricumã“ eingebracht (auch das Fest selbst von den Stämmen des Oberen Xingu übernommen).

Wenn die Suyá sich selbst singen hören, dann offenbart sich ihnen nicht nur der Allgemeinzustand ihrer Gemeinschaft, sondern sie erkennen auch das Gefühl jedes einzelnen Mannes gegenüber einem bestimmten Umstand oder einem Problem. Mit anderen Worten: die “Akias-Suyá“ werden von den Männern benutzt, um etwas über sich selbst zu erzählen (auch um “Dampf abzulassen“). Dagegen sind die “Ngere“ Eigentum der Gruppe, werden unisono und in einer tiefen Tonlage wiedergegeben. Man singt sie innerhalb des Dorfes oder auch im Innern der Häuser (sowohl der Wohnhäuser als auch im Männerhaus).

Eine “Ngere“ wird zum Beispiel von einer zeremoniellen Gruppe gesungen, deren Mitglieder nicht notwendigerweise verwandtschaftlich verbunden sind, auch nicht durch gemeinsame substanzielle Aktivitäten – sondern durch Namen, die sie nach ihrer Geburt erhalten haben. Jeder Mann gleicht in diesem Fall seine Stimme den anderen an, um nicht herausgehört zu werden. So können die beiden Hälften des Dorfes ihre “Ngere“ gleichzeitig singen, in komplementärer Opposition. Beim beliebten Fest des Wettlaufs mit geschulterten Baumstämmen singen die beiden Gruppenhälften dasselbe Lied, aber jede einen unterschiedlichen Teil. Wenn es zwei Männerhäuser in einem Dorf gibt, singt jede Hälfte ihren eigenen Gesang – die einen langsam und getragen, die andern schneller und rhythmisch akzentuiert. Die Umsicht und Präzision mit der eine “Ngere“ unisono ausgeführt wird ist deshalb der musikalische Ausdruck der Identität einer Gruppe von Männern.

Mit Ausnahme gewisser Flöten (selten gespielt), welche die Suyá von den Indianern des Oberen Xingu übernommen haben, war ihre Musik vorherrschend oraler Natur. Die einzigen traditionellen Instrumente sind verschiedene Arten von Rasseln, die in der Hand gehalten oder unter den Knien befestigt werden, manchmal auch am Gürtel oder anderen Teilen des Körpers. Ihre Euphorie wird einzig und allein vom Gesang motiviert und vom Essen – im Gegensatz zu Alkohol, Halluzinogenen und Narkotika bei anderen eingeborenen Völkern. Singen und Tanzen über lange Zeiträume hinweg ist eine physiologische Erfahrung, die wahrscheinlich auch die Wahrnehmung fördert.

In ihrem kosmologischen Universum singen die Suyá, weil sie durch den Gesang bestimmte Dinge ihrer Welt wieder in Ordnung bringen können – oder die Dinge neu ordnen. Als Erfahrung des Körpers und der gesellschaftlichen Person, ist der Gesang ein grundlegendes Instrument, um die individuellen Lebenserfahrungen innerhalb der gesellschaftlichen Prozesse zu artikulieren. Die Suyá sind eine Gesellschaft, in der alle Musik machen – “Musik machen“ heisst in diesem Fall auch tanzen, sich politisch zu engagieren und der Allgemeinheit etwas über sich selbst offenbaren.

nach obenGesellschaft und Rituale

Zahlreiche Aspekte der gesellschaftlichen und rituellen Organisation der Suyá wurden infolge jenes Angriffs durch die Juruna und die Latex-Sammler auf ihr Dorf verändert. Die niedrige Bevölkerungszahl, ihr intensiver Kontakt mit den Indianern des Oberen Xingu und der Tod eines grossen Teils ihrer Ältesten, gleich nach jener “Gewaltpazifizierung“, haben profunde Veränderungen innerhalb ihrer Gesellschaft bewirkt. Trotzdem ist es von Bedeutung, etwas über ihre Gesellschaft und ihre Kosmologie vor jenen Ereignissen zu erzählen, denn ihre Art zu denken und viele soziokulturelle Aspekte haben sich nicht verändert.

Die Suyá leben in Runddörfern, in Häusern rund um einen zentralen, offenen Platz, auf dem sich ein oder mehrere “Männerhäuser“ befinden. In der Vergangenheit war ihre Gesellschaft vorherrschend “uxorilokal“ – das soll heissen: der Mann zieht nach seiner Heirat um in die Familie der Frau. Danach durfte der Mann nicht mehr in sein Elternhaus zurück, nicht einmal mit seiner Schwester essen, denn nur Verheiratete, Versprochene oder Gruppen desselben Geschlechts essen gemeinsam. Der Mann darf dann auch seine eigene Schwester nicht mehr umarmen, denn diese Geste gilt als Einleitung zum Sexualakt. Aber ein Mann darf seiner Schwester sein Lied widmen und vortragen, ohne dass er deshalb in ihr Haus gehen muss.

Eine Person besitzt, in der Vorstellung der Suyá, drei Komponenten: den physischen Körper, welcher aus dem Samen des Vaters resultiert und von der Mutter entwickelt wird – die gesellschaftliche Identität, welche durch eine Serie von Namen des Onkels mütterlicherseits an ihren Sohn verliehen werden (und von der Tante väterlicherseits an dessen Tochter) – und die so genannte “Seele“, einzig in jedem physischen Objekt und unverzichtbar für das menschliche Wesen, denn ohne sie erkrankt die Person und stirbt.

Die Suyá sind extrem tolerant mit ihren Kindern, erwarten nicht von ihnen, dass sie hören-verstehen-sprechen oder sich “anständig verhalten”. Aber dann in der Pubertät erwartet man von ihnen, dass sie auf Anweisungen zu hören wissen und sich Ermahnungen ihrer Eltern und Führer zu Herzen nehmen und korrekt handeln. Ungefähr in diesem Alter werden die Jugendlichen als “frech und schamlos“ (añi mbai kidi) bezeichnet, wenn sie die Regeln hinsichtlich sexueller Aktivität, Verteilung des Essens und des Eigentums, sowie Restriktionen in Bezug auf ihre Ernährung und Aktivitäten, nicht beachten.

Für einen Mann werden die verschiedenen Altersstufen mit traditionellen Initiations-Zeremonien markiert, die seinen Bruch der Verbindung mit dem Elternhaus deutlich machen. Zuerst wird der Knabe ins Männerhaus (als “Sikendúyi“) transferiert – hier verbringt er seine weitere Jugend, und wird von alten Männern unterrichtet – um später in das Haus seiner Ehefrau (als “Henkra“) umzuziehen. Dort lebt er mit ihr und deren Familie, nachdem er einen Sohn gezeugt hat.

Für die Frauen existieren weniger Altersstufen und auch weniger Zeremoniell. Während der Pubertät gibt es einige, die sich in die “Reklusion“ im Elternhaus zurückziehen (eine Sitte, die vom Oberen Xingu übernommen wurde). Nach der Pubertät bleibt die Frau im Elternhaus. Wenn sie ihren ersten Sohn geboren hat, grenzt sie ihre eigene Schlafstelle im Elternhaus ab, und ihr Ehemann wohnt von da an bei ihr. Sie werden zu einer Kernfamilie innerhalb der grösseren Wohneinheit, welche aus den Eltern der Frau besteht, ihren ledigen und verheirateten Schwestern mit ihren Männern und Kindern, sowie aus ihren noch nicht initiierten Brüdern. Wenn nichts Ungewöhnliches geschieht, schläft das Paar zusammen in derselben Wohneinheit bis sie alte Leute geworden sind. Schliesslich werden sie in getrennten Gräbern begraben, im selben Haus, in dem sie ihr Leben verbracht haben.

Eine Frau wird nach ihrer Kapazität beurteilt, während ihrer ersten produktiven Jahre Kinder zu gebären. Wie ein Mann auch, beginnt sie mit wenig Autorität im Haushalt, und die bekommt dann zunehmend Gewicht, je älter ihre eigene Mutter wird und je mehr Söhne sie selbst bekommt. Mit Eintritt der Menopause ändert sich ihr Status – auf der einen Seite gewinnt sie, auf der anderen Seite verliert sie. Aber alte Frauen werden normalerweise nicht so abhängig wie alte Männer. Denn sie sind eng verbunden mit den häuslichen Aktivitäten ihrer Töchter und können immer noch die meisten femininen Aufgaben in der Gesellschaft wahrnehmen, wenn auch in einem langsameren Rhythmus. Alte Frauen werden zudem respektiert wegen ihrer Weisheit und werden von den Jüngeren oft konsultiert.

Nachdem sie einen Sohn in die Welt gesetzt haben, werden Mann und Frau als “Hen kra“ klassifiziert. Haben sie mehrere Söhne, bezeichnet man sie als “Hen tumu“ (schon alt und reif) oder als “Hen kwi ngédi“ (sind schon alt). Wenn ihre Söhne sich verheiraten und ihnen viele Enkel schenken, bezeichnet man die Grosseltern mit “Wikényi“.

Die Unterschiede zwischen den Mitgliedern der Altersklassen “Hen kra“ und “Hen tumu“ machen sich auch im gesellschaftlichen Leben bemerkbar. Letztere werden zum Beispiel aktiver in das politische Leben der Suyá eingebunden. Aber es gibt kein Ritual für den Übergang von einer in die andere Klasse – und entscheidungsfreudigere Männer agieren als “Hen tumu“ eben früher als andere, die schüchterner oder zurückhaltender veranlagt sind. Es gibt allerdings in der Tradition der Suyá eine deutliche Trennung zwischen den “Hen tumu“ und den “Wikényi“, geprägt von einem besonderen Ritual und veranlasst durch dramatische Verhaltensänderungen.

So gesehen, kann man die Übergangszeremonien der Suyá als Ritualisierung des Lebenswandels eines Mannes von seiner Geburtsstätte zur Wohnstätte seiner Verwandten betrachten. Die maskulinen “Wikenyí“ beenden diesen Weg: sie gehören nun vollständig zur Wohnstätte ihrer Ehefrau. Die Vollständigkeit dieser Integration wird deutlich durch den Unterschied einer “Wikényi-Zeremonie“ gegenüber anderen Initiations-Zeremonien: der “Wikényi“ ändert seinen Körperschmuck, seinen Gesangsstil, hört auf zu jagen und erhält von nun an sein Essen von den Jüngeren.

Während die jüngeren Initiierten als Ausdruck maximaler Maskulinität und Selbstkontrolle angesehen werden, ist das Verhalten der “Alten“ vollkommen gegensätzlicher Natur – gekennzeichnet vom Humor, von einer lockeren Haltung und sogar Obszönität. So, wie man auch den Kindern moralisch nicht viel abverlangt, dürfen auch die Alten der Suyá-Gesellschaft ihre besondere Rolle ausleben. Bei Ritualen agieren sie als Clowns. Und sie sind auch für jene humoristischen Szenen an den Spätnachmittagen verantwortlich, bei denen sich die Jüngeren vor Lachen ausschütten wollen.

Männer und Frauen, die sehr viele Enkel haben, sind Kandidaten für ein Ritual, welches ihrer Transformation zum “Wikényi“ vorausgeht. Die Frauen werden erst “Wikényi“ nach ihrer Menopause. In der Vergangenheit erlebten fast alle Mitglieder des Stammes ihren Übergang zum “Wikényi“, aber dann kam die Periode der zahlreichen Massaker durch ihre Feinde und Epidemien durch Kontakte mir Weissen, die besonders ihre älteren Mitglieder im Alter des “Wikényi-Rituals“ dahinrafften. Seither war diese Art von Zeremonie selten geworden. Seit Anfang des 21. Jahrhunderts jedoch, kann man die begeisterten Schreie der Alten bei ihren Zeremonien wieder vernehmen.

Eine Mehrheit von Zeremonien hebt die Verbindung eines Mannes mit seinen realen oder klassifizierten Schwestern, sowie mit seiner Mutter, hervor – noch über allen anderen Verbindungen, wie zum Beispiel zur Ehefrau, den Schwägern oder dem Schwiegervater. Während solcher Rituale reicht er seinen Schwestern Essen und erhält ebenfalls von ihnen Essen zurück. Er verleiht dem Sohn seiner Schwester seinen Namen, und seine eigene Tochter erhält den Namen von einer seiner Schwestern. Brüder und Schwestern sind demnach die wichtigsten Verwandten einer Zeremonie. Die Suyá-Männer singen für ihre Schwestern, keine Liebeslieder sondern “Akia“, den Gesang individueller Selbstbestätigung für jene, welche gesellschaftlich und räumlich von ihnen entfernt existieren, wegen dem Brauch der erwähnten “Uxorilokalität“.

Wenn ein Suyá seinen Körper für ein original Suyá-Fest bemalt (und nicht ein vom Oberen Xingu übernommenes), richtet sich der Stil der Bemalung nach seinem Namen. Also bemalen sich auch alle Mitglieder mit gleichem Namen auf dieselbe Art und Weise. Die Assoziation des Namens mit dem Inhalt der Zeremonie, seine Position innerhalb einer Riege von Tänzern und die “Ngere“, die er singt – alles wird durch seinen Namen bestimmt. Wenn er sich dagegen für ein Fest bemalt, das vom Oberen Xingu übernommen wurde, fällt die Körperbemalung individueller aus.

Hinsichtlich der politischen Macht ist zu bemerken, dass jene Führer politischer Fraktionen und die Spezialisten für Zeremonien die Männer mit dem höchsten Prestige im Dorf sind. Die Suyá betrachten zwei Eigenschaften als für einen politischen Führer unabdingbar: die Anstrengungen einer Gruppe koordinieren zu können und eventuelle Streitigkeiten anhand einer brillanten Rede zu schlichten. Wenn solche Leute aufhören zu sprechen, erwartet man, dass alle Bewohner des Dorfes “alles gehört haben“ (mbai wha). Die Autorität der Spezialisten für Zeremonien rührt aus ihrem Wissen und ihrer Erinnerung an Gesangstexte. Führungspositionen werden in der Regel “patrilinear“ vererbt – das heisst, die Söhne eines Führers oder Häuptlings sind ebenfalls potentielle Führer. Männer, die “Herren“ von Festen sind, welche man vom Oberen Xingu übernommen hat, können dieses Recht auch patrilinear weitergeben. Den Töchtern eines politischen Führers kommt ebenfalls ein bemerkenswerter Status zu, sie werden aktiv unter den anderen Frauen, und ihre Meinung wird besonders respektiert.

nach obenKörperschmuck

Körperschmuck, der bestimmte “chirurgische“ Eingriffe erfordert, wird während der Übergangsriten angebracht, er wird als Zeichen für einen gewissen Status angesehen. Die ornamentalen Gebräuche der Suyá erlitten grundlegende Veränderungen seit dem Jahr 1959. Ihrer Tradition entsprechend trugen Männer wie Frauen grosse, runde Holzscheiben links und rechts des Halses, die von einem dünnen Streifen Haut des gedehnten Ohrläppchens umgeben waren – der Durchmesser dieser Scheiben konnte mehr als acht Zentimeter betragen. Anfang des 20. Jahrhunderts hörten die Frauen auf, ihre Ohrläppchen zu durchbohren – Grund war der Kontakt mit Nicht-Indianern und die Einheirat in Gruppen des Oberen Xingu, welche solche Ohrenscheiben nicht zu tragen pflegten.

Die Unterlippe der Männer wurde von einer ovalen Holzscheibe nach vorne gezogen – wie beim Ohr, spannte sich der äussere, dünne Hautstreifen um die Scheibe herum und hielt sie fest (Durchmesser zwischen sieben bis acht Zentimeter) – Ergebnis einer Durchbohrung der Unterlippe. Die Scheibe war auf der Oberseite mit der roten Urucum-Pflanzenfarbe bemalt – auf der Unterseite war das Holz naturbelassen, mit Ausnahme einer kleinen runden Zeichnung (Darstellung der Pleyaden) am Rand eines schwarzen Zentrums, bemalt mit Genipapo-Pflanzenfarbe.

Die Männer trugen ihre Ohrenscheiben in der Regel nicht während des Tages, sondern rollten den ausgedehnten Hautstreifen des Ohrläppchens um das Ohr herum auf. Aber die Lippenscheiben trugen sie immer, entfernten sie lediglich kurz zum Auswaschen des Mundes beim Bad im Fluss. Anlässlich gewisser Zeremonien wurden neue Scheiben für Ohren und Lippen hergestellt und eingeführt, die dann mit Baumwollfäden und anderem Extraschmuck verziert waren.

Die Ohren beider Geschlechter wurden anlässlich der ersten sexuellen Aktivitäten durchbohrt – die Unterlippe der Männer erst zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr, wenn sie ein Alter erreicht hatten, in dem sie als vollkommen erwachsen angesehen wurden und anschliessend in das Männerhaus übersiedelten. Und während jener Zeit im Männerhaus – das heisst: bevor sie selbst Vater wurden und ins Haus ihrer Schwiegereltern umzogen – gebot es die Tradition, dass die jungen Männer ihre Lippen kontinuierlich ausweiteten und mit immer grösseren Lippenscheiben bestückten.

Im Verlauf von Jahrzehnten des Kontakts mit anderen Völkern des “Parque Indígena do Xingu“, sowie mit Nicht-Indianern, liessen die Suyá langsam ab von dieser Sitte. Aber ihre kosmologische Bedeutung lebt weiter in diesem Volk, und das bedeutet: die Ohren- und Lippenscheiben sind deutlich verbunden mit der kulturellen Bedeutung, welche sie dem Hören und dem Sprechen beimessen. Sie bestätigen, dass das durchbohrte Ohr dazu dient, gut zu hören-verstehen-wissen. Und erklären die Lippenscheibe als assoziiert mit Aggressivität und Streitlust, in Verbindung mit maskuliner Selbstbestätigung, Redegewandtheit und Gesangeslust.

Die Farbe der Scheiben, rot, bringen sie mit Wärme und Streitlust in Verbindung. Die runde Zeichnung auf der Unterseite der Lippenscheibe präsentiert das Siebengestirn (Pleyaden). Die Suyá sagen, dass diese Konstellation die Lippenscheibe eines Mannes im Himmel darstelle. Die Ohrenscheiben dagegen sind mit weissem Ton bemalt, der Farbe, die gelassene Kühle und Passivität ausdrückt.

Wenn diese beiden Scheiben unterschiedlich bemalt sind – wie bei Jagdausflügen oder Zeremonien, in denen die Männer zu “Tieren werden“ – färbt man, darüber hinaus, noch Augenpartien und die Nase schwarz, der Farbe, die sie mit asozialen Attributen und Hexerei assoziieren.

nach obenGehör, Vision und Zauberei

Im Gegensatz zu den Eigenschaften des Sprechens und des Hörens, die bei den Suyá besonders gefördert und hoch geschätzt werden, wird dem Sehen solche Wertschätzung nicht zuteil. Das Suyá-Wort für “sehen“ hat eine begrenztere Bedeutung als in unserem Sprachgebrauch. Das Auge ist bei ihnen nicht etwa das “Fenster zur Seele“ – eher etwas, das gefährlich werden kann und asozial. Eine symbolische Aufwertung erfährt das Sehen bei den Suyá lediglich in der Bedeutung der aussergewöhnlichen “Vision“, die ihren Zauberern (Wayanga) eigen ist.

Eine Person wird zum Zauberer (Medizinmann), wenn ein unsichtbarer Zauber durch seine Augen in ihn eindringt. Bestimmte Vogelarten haben ebenfalls einen Zauber in ihren Augen. Solche Personen haben dann eine Art “Super-Sicht“ (Vision) – sie schauen nach oben und sehen das Dorf der Toten im Himmel, sie sehen nach unten und erblicken das Feuer der Leute, die unter der Erde wohnen – und sie blicken um sich herum und können die indianischen Feinde in den weiter entfernten Dörfern erkennen.

Solche Visionen können nicht vererbt oder weitergegeben werden – solcher Zauber fliegt nur denen ins Auge, die in irgendeiner Form amoralisch leben oder “ohne Scham“ (añi mbai kidi) sind. Zauberer sind asoziale Personen, Egoisten und rachsüchtig. Deshalb werden solche Personen zu Zauberern oder Hexern, die ihr Essen oder andere Güter mit niemandem teilen, oder weil sie die sexuellen und Ernährungs-Restriktionen missachten. Weitere Möglichkeiten ein Hexer zu werden sind: auf ein neu aufgeschüttetes Grab treten, sexuelle Kontakte mit einem (einer) Zauberer (Hexe) pflegen oder einen toten (tote) Zauberer (Hexe) anfassen. Wenn eine Person die Ermahnungen (Kaperni) ihres Vaters oder Häuptlings nicht beachtet, ist sie “añi mbai kidi“ und läuft Gefahr, eine Hexe zu werden.

Die Suyá-Zauberer sehen Dinge, die sich normalen Personen entziehen. Sie hören-verstehen-wissen nicht wie eine normale Person (im Sinne von Ermahnungen beachten). Dagegen haben sie ihre eigene Art zu reden – eine “böse Ausdrucksweise“, die “Kaperni kasaga“ genannt wird (kasaga bedeutet “schlecht“ und “hässlich“). So ist die “böse Ausdrucksweise“ das Gegenteil der “Sprache des Platzes“ in vielen Aspekten. Und sie wird ausschliesslich im Innern der Häuser oder ausserhalb des Dorfes benutzt – niemals auf dem öffentlichen Dorfplatz.

Die Suyá sagen, dass die Zauberer für fast alle Arten von Krankheiten und Sterbefällen verantwortlich sind. Wenn solche Fälle eintreten, versuchen die Opfer die Identität solcher Zauberer herauszufinden – und in der Vergangenheit töteten sie solche “Hexer“. Personen, die sich allerdings von deren Hexerei erholen, werden als Schöpfer neuer Gesänge verehrt, denn sie haben durch ihre Krankheit ihre auditive Kapazität erweitern können (haben die Gesänge von Tieren und Pflanzen im Fieberwahn vernommen) und werden diese nun bei nächster Gelegenheit in die periodischen Rituale mit einbringen.

Was den Geruchssinn betrifft, so stellt er ein klassifizierendes Kriterium sowohl der Tiere als auch des Menschen dar. So existieren zum Beispiel Tiere mit “starkem“, “herbem“ und “leichtem“ Geruch – jedes mit seinen eigenen Attributen. Die Dinge, welche als “mit starkem Geruch“ klassifiziert werden, sind in der Regel mächtig und in gewisser Hinsicht auch gefährlich, wie zum Beispiel Raubtiere, sexuelle Fluida und Frauen. Dinge von “herbem Geruch“ sind symbolisch gesehen weniger gefährlich: herbe Tiere sind in ihrer Mehrheit essbar – fast alle Medizinpflanzen sind “herb“, so wie auch die symbolisch wenig überladenen Elemente. Die Kategorie “leicht“ erfasst Tiere und Dinge, die nicht gefährlich und auch, symbolisch gesehen, nicht sehr wichtig sind – und deshalb fast immer verzehrt werden können.

nach obenProduktive Aktivitäten

Die femininen Aktivitäten werden in der Regel innerhalb von verwandtschaftlichen Gruppen ausgeübt, die sich um eine Kernfamilie scharen. Das Areal für feminine Arbeiten befindet sich hinter dem Haus – dort unterhalten sich die Frauen zwanglos während ihrer Tätigkeit, und um sie herum bewegen sich ihre kleineren Kinder und eventuelle Haustiere. Den grössten Teil der Zeit verbringen die Frauen mit der Zubereitung von Nahrung aus Produkten, die sie von den Feldern mitbringen – besonders die Maniokwurzeln, ihre Basisnahrung, aber auch Jagdbeute und Fisch, die der Mann zum täglichen Speiseplan beisteuert. Eine Ausnahme macht die Zubereitung des “Caxiri“, ein fermentiertes Getränk aus Maniok und Mais, das die Suyá von den Yudjá übernommen haben. Dieses Getränk wird von den Frauen der jeweiligen Hausbewohner-Gruppe hergestellt und ihren Männern serviert.

Hinsichtlich der typischen Männerarbeit ist zuerst einmal die Rodung und Vorbereitung des Ackers zu nennen – dann die Fischerei, die Jagd, sowie die Konstruktion der Kanus und der Häuser – wobei letztere im Männerkollektiv erledigt wird. Unter den Feldfrüchten ist die Maniok die bedeutendste. Wild und Fisch werden als edle Nahrung geschätzt. Im Unterschied zu den Gruppen des Oberen Xingu konsumieren die Suyá eine ganze Reihe von jagdbaren Tieren, inklusive Alligatoren und Kaimane. Das Sammeln von Waldfrüchten trägt relativ wenig zum Speiseplan bei, wird aber durchaus wichtig genommen, wobei sich folgende Früchte anbieten: Pequi-Palmnüsse, Nüsse anderer Palmenarten, Mark der Inajá-Palme (Palmito), wilder Honig – der wird von allen besonders geschätzt. Wie auch bei anderen Indianerstämmen, isst man, je nach Jahreszeit, unterschiedliche Sachen – so gewinnt zum Beispiel die Pequi an Bedeutung, in einer Zeit, in der andere Früchte noch nicht reif sind.

Seit 1998 haben die Suyá eine neue Möglichkeit zur Lebenshaltung entdeckt: Eine Vieh-Fazenda, die im Gebiet des Rio Wawi in Betrieb war, bevor sie diesen Lebensraum für sich zurück erobert hatten. Sie erlernen nun die Grundmechanismen der Viehwirtschaft, haben vor, unfruchtbare Weiden wieder aufzuforsten und viele Obstbäume anzupflanzen.

Was die Arbeitsverteilung der Geschlechter auf dem Feld angeht, so kommt dem Mann die Vorbereitung der Erde für die Einsaat zu – dafür rodet er den Wald, verbrennt die Rückstände und pflanzt die Maniok. Die Frau erntet die Maniok, reisst die Wurzeln aus der Erde, transportiert die schwer beladenen Körbe ins Dorf, um die Wurzeln dort in Mehl zu verwandeln, aus dem sie das Fladenbrot backt. Dann gibt es Produkte, welche allein von den Frauen gepflanzt werden, wie zum Beispiel Baumwolle. Ihre Einsaat, Ernte, Spinnen des Fadens und ihre Webarbeit sind einzig und allein Frauenarbeit. Auch Mais, Süsskartoffeln, Erdnüsse, verschiedene Bohnensorten, Cará-Wurzeln etc. pflanzt und erntet die Frau allein.

Die Aktivitäten der Jagd und des Fischens sind exklusiv maskuline Tätigkeiten – ausgenommen das Fischen mit Gift von der Timbó-Liane, in diesem Fall beteiligt sich das ganze Dorf. Die ganze Familie sammelt in der Regel auch die Eier von Tracajá-Wasserschildkröten im Ufersand der Flüsse. Allerdings spannt keine Frau je einen Jagdbogen.

Am Spätnachmittag versammeln sich die Kernfamilien in der Umgebung ihrer Häuser um ein gemeinsames Feuer, an dem sie sich wärmen und eine gemeinsame Mahlzeit zubereiten. Normalerweise wendet sich ein Mitglied dieser Gruppe dann in alle vier Richtungen, um den anderen Dorfbewohnern von ihrem Essen anzubieten. Diese zirkulierenden Nahrungsmittel sind solche, welche von den Männern der Gruppe produziert wurden – besonders Fisch und andere Dinge, die in grossen Mengen gesammelt worden sind, wie Waldfrüchte und Schildkröteneier. Fisch und Jagdbeute sind dabei die meist verteilten. Wenn für eine Kernfamilie zuviel Essen da ist, wird der überschüssige Teil an die Wohngemeinschaft abgegeben. Ist viel zu viel vorhanden, verteilt man es an benachbarte Häuser – und es gibt sogar Gelegenheiten, bei denen das ganze Dorf etwas abbekommt.

nach obenIndianer-Schulen

Schon seit längerer Zeit haben die Suyá die Notwendigkeit erkannt, lesen, schreiben und rechnen zu lernen, um sich im Umgang mit den Weissen behaupten zu können. Im Dorf Ngôjwêrê leben zwei eingeborene Lehrer mit Magistertitel, die in der Kisêdjê-Sprache unterrichten und als Zweitsprache Portugiesisch verwenden. Sie folgen dem Curriculum des “Projeto Político Pedagógico“, das von den Lehrern des PIX erarbeitet wurde – unter Mitarbeit einer Equipe der ISA – und unterrichten Geschichte, Geografie, Mathematik und andere Wissenschaften mit zentralen Themen wie Umwelt, Gesundheit, Kultur und Verteidigung des Territoriums.

In den Dörfern Ngôsokô und Roptôtxi arbeiten ebenfalls eingeborene Lehrer – einer von ihnen ausgebildet und der andere noch in der Ausbildung als Magister.

nach obenQuellenangaben

Die ersten Werke über die Suyá stammen von Amadeu Lanna (1966) und Harald Schultz (1962). Beide Autoren waren unter diesem Volk kurz nach seiner Umsiedelung in den “Parque Indígena do Xingu“ im Jahr 1959. Schultz konzentrierte sich auf schriftliche und fotografische Registrierung ihrer materiellen Kultur, während Lanna ihre wirtschaftlichen, historischen und gesellschaftlichen Aspekte beschrieb, sowie den Einfluss anderer Gruppen in ihrer kulturellen Konfiguration.

Was meine eigenen Publikationen über die Suyá betrifft, so befindet sich die vollständigste Arbeit in meinem Buch “Nature and Society in Central Brazil – the Suya Indians of Mato Grosso, 1981“. In ihm werden alle kosmologischen und soziologischen Aspekte dieser Gruppe behandelt, wie auch die Konfiguration des Dorfes, klassifizierende Kriterien von Pflanzen, Tieren und Menschen, die Körperornamente, die Ernährung, gesellschaftliche und politische Organisation, Konzeption von Zeit und Raum, sowie auch Aspekte der Mythologie, Medizin und anderer Themen. In einem zweiten Buch “Why Suya Sing: A Musical Anthrology of an Amazonian People” behandele ich en detail die Rolle der Musik in dieser eingeborenen Gesellschaft.

In dem Artikel “Die ethnische Identität als Prozess: die Suyá-Indianer und die Gesellschaft des Oberen Xingu“, publiziert im „Anuário Antropológico“ Nummer 78, arbeite ich Aspekte der Suyá-Geschichte auf, welche demonstrieren, wie ihre selektive Anpassung an Gebräuche anderer Eingeborenen-Gruppen, und auch an die der brasilianischen Gesellschaft, genau dem mythologischen Vorbild folgt, nach dem die kulturellen Eigenheiten der Suyá (die sie zu eigentlichen Menschenwesen machten) aus einer selektiven Verbindung von Schönem und Gutem anderer Wesen (“gewisser Tiere und Gruppen von Feinden“) entstanden.

Ebenfalls im Jahr 1980 veröffentlichte ich das Buch “Die Indianer und wir“ – Studien über brasilianische Eingeborenen-Gesellschaften, in denen ich Aspekte der Indianerkultur behandele, mit Betonung auf den Fall der Suyá – wie der Bedeutung der Körperornamente, die gesellschaftliche Rolle der Alten, musikalische Aspekte, Führung, Politik, Verwandtschaft, sowie ein einleitendes Kapitel über die ethnografische Arbeit und ein Schlusswort über die ethnologische Produktion hinsichtlich der brasilianischen Indianer.

Dasselbe Thema, mit Schwerpunkt des Berichts von Karl von den Steinen über die Suyá, wird auch in meinem Artikel “Diebe, Mythen und Geschichte: Karl von den Steinen unter den Suyá – 3. bis 6. September 1884“ behandelt.

© Anthony Seeger, Anthropologe der Abteilung “Ethnomusicology of the University of California (UCLA)” und
Ehrendirektor der “Smithsonian Folkways Recordings”, Washington DC.
Deutsche Übersetzung/Bearbeitung, Klaus D. Günther
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