Gewalt an Mensch und Natur scheint in den abgelegenen Gebieten Brasiliens ein Teufelskreis darzustellen. Von den 100 Gemeinden mit der grössten Waldzerstörung im Amazonasgebiet finden sich 61 Stück auf der kürzlich veröffentlichten Liste der Gemeinden mit den höchsten Mordraten in Brasilien wieder.
Nach einem Abgleich der Kriminalitätsstatistik des brasilianischen Gesundheitsministeriums mit Daten, die durch Satellitenaufnahmen des Regenwaldes gewonnen wurden, veröffentlichte das ibero-amerikanischen Bildungsinstitut OEI nun die Ergebnisse. Insgesamt wurden die grafischen Daten von Rodungsflächen in 556 Gemeinden und deren umliegenden Landkreisen ausgewertet. Diese Bezirke umfassen 10% aller brasilianischen Städte und Gemeinden und hatten 2004 in ihren Grenzen 71.8% alle Mordfälle Brasiliens zu verzeichnen.
Unter den Gemeinden, die nun auf der abgeglichenen Liste anzutreffen sind, liegen 28 im Bundesstaat Mato Grosso, 21 in Pará, acht in Rondônia und zwei in Maranhão. In den Bundesstaaten Acre und Tocantins ist jeweils ein Gemeindebezirk betroffen.
Will man der Gewalt gegen Mensch und Natur einen Namen geben, so muss dieser „Colniza“ lauten. In der Gemeinde im Mato Grosso wurde nicht nur die prozentual grösste Fläche an Regenwald gerodet, hier wurden auch im Verhältnis die meisten Menschen umgebracht. Sie liegt in der Auswertung des OEI klar auf Platz 1. Und noch zwei Städte im Mato Grosso haben es unter die ersten Zehn geschafft. São José do Xingu liegt auf Platz 5, Aripuanã ist auf Platz 8 zu finden.
Für den Verfasser der Kriminalitätsstatistik, Julio Jacobo, sind die Abwesenheit von staatlicher Autorität und die dadurch verbundene illegale Besetzung und Abrodung von Waldflächen verantwortlich für die dortige Gewalt. Für ihn besteht somit ebenfalls eine Verbindung zwischen beiden Studien. „Von den 10 Gemeinden mit den höchsten Mordraten liegen fünf in den illegalen Rodungsgebieten. Dies ist ein deutliches Zeichen für einen Zusammenhang“ erläutert der Sozialwissenschaftler.
Laut Jacobo könnten in den betroffen Gemeinden die Menschen allerdings nur alleine die Gewalt wirksam bekämpfen. „Die Gemeinden müssen akzeptieren, dass dort eine grosse Gewalt vorherrscht. Dies heilt im übertragenen Sinne zwar noch lange nicht die Krankheit, aber man muss zuerst einmal einzusehen, dass man tatsächlich krank ist“. Zudem ist er davon überzeugt, dass die Menschen in der Region sich mit Sicherheit eine verstärkte Präsenz von Polizei und anderen staatlichen Ordnungskräften wünschen. Dann würden dort auch mehr illegale Besetzungen, Kahlschläge und Brandrodungen angezeigt werden.