Am Rio Iguaçu rauscht es derzeit gewaltig. Rund 10.8 Millionen Liter Wasser trägt das „grosse Wasser“ – so die Übersetzung aus der Sprache der Ureinwohner – im Moment jede Sekunde an den Rand der Klippen und lässt sie die berühmten Wasserfälle hinunterfallen. Zehnmal mehr als normal.
Es scheint, als wolle der Fluss zeigen, welche Macht die „Garaganta de Diabo“ ausstrahlen kann. Der grösste, mächtigste und eindrucksvollste Wasserfall, der im Deutschen meist mit „Teufelsrachen“ übersetzt wird, soll nämlich umbenannt werden. Geht es nach den grossen Tourismusbüros und Kirchen der Region, wird der „satanische Name“ bald der Vergangenheit angehören. Letzte Woche hat man sich bereits zu einer Diskussionsrunde getroffen und darüber beraten. Auch die argentinischen Nachbarn wurden vom regionalen Tourismusbüro informiert und eingeladen.
Diskutiert wurde vor allem über „negative Schwingungen“, die der Name auslöst. Ausserdem wird die Bezeichnung der Legende der dort ansässigen Indiogruppen Naipi und Tarobá nicht gerecht. In deren Mythen waren es zwei Schlangen – Götter also – die die Wasserfälle entstehen liessen. M’boi werden diese Götterwesen übrigens von den Ureinwohnern genannt.
Es ist nicht das erste Mal, dass eine Namensänderung heftig diskutiert wird. Die Region will sich stärker weltweit profilieren und somit auch internationalisieren. So wurde Ende 2005 geplant, die Stadt tatsächlich von „Foz do Iguaçu“ in „Foz do Iguassu“ umzuändern. Damit ihn auch wirklich jeder richtig schreiben und aussprechen kann. Doch es scheiterte an den Protesten der Bevölkerung. Nur vereinzelt findet man heute Schilder mit doppelter Schreibweise. Offiziell hat sich jedoch nichts geändert.
Aber die Besucherzahlen gehen zurück. Rund 4% weniger Touristen kamen in den ersten Monaten dieses Jahres, um das gigantische Naturschauspiel zu bewundern. Nach Meinung einiger lokalen Kirchenfürsten liegt es am falschen Namen. Und die Reiseveranstalter suchen den Positivismus. „Teufelsschlund“ oder „Teufelsrachen“ – „Kehle des Teufels“ – zeichnet einfach ein zu negatives Bild des Naturschauspiels. Und so liegt nun ein Vorschlag auf dem Tisch, den grössten der knapp 300 Wasserfälle auf „A Voz de Deus“ – „die Stimme Gottes“ abzuändern. Sie hoffen dabei natürlich auf die derzeitige ausgeprägte christliche Stimmung im Land, die durch den in Kürze erfolgenden Besuch von Papst Benedikt XVI. erzeugt wurde.
Zwischenzeitlich haben sich auch die Wasserfälle bereits zu Wort gemeldet. Das sonst so faszinierende Rauschen hat sich zu einem Dröhnen gewandelt, die weisse Gischt ist nun ein Inferno aus braunem Wasser. Immer mächtiger schiesst das Wasser mit brachialer Urgewalt über die Klippen. Die brasilianische Parkleitung musste sogar am Freitagnachmittag aufgrund der starken Regenfälle der vergangenen Tage bereits den Steg zur Aussichtsplattform aus Sicherheitsgründen für Besucher sperren. Und das Wasser steigt weiter.
Noch haben die Wassermassen nicht die gewaltige Kraft von Ende 2005 erreicht, wo auf argentinischer Seite ganze Teile des Steges weggerissen wurden. Doch es scheint eine erste Warnung zu sein. Als wollte das “grosse Wasser“ allen Kritikern sagen: „Lasst meinem schönsten Wasserfall seinen Namen, oder wollt ihr erneut meinen Zorn spüren?“