Brasiliens Kampf gegen die Crack-Sucht

OLYMPUS DIGITAL CAMERADer Crack Markt boomt in Brasilien und dürfte dem organisierten Verbrechen in São Paulo und Rio inzwischen noch grössere Profite einbringen. Das Ausmass von Brasiliens Crack Problem wurde im Januar 2012 deutlich, als die Polizei von São Paulo einen zentralen Stadtteil durchkämmte, der in der Umgangssprache als “Cracolândia“ (Crack-Land) bekannt ist. Mehr als 100 Personen wurden festgenommen und um die 350 Suchtkranke wurden der Sozialfürsorge übergeben. Brasiliens zweitgrösste Stadt, Rio de Janeiro, hat in diesem Jahr ebenfalls eine Polizeiaktion durchgeführt, um die entsprechenden “Cracolândias“ zu durchkämmen – Hunderte wurden in staatliche Rehabilitationsprogramme eingewiesen.

Solche Operationen sind Teil einer zunehmenden Anstrengung, Crack-Verteilung und Konsum in Brasilien, der Welt grösstem Kokain-Konsumenten nach den USA, zu behindern. Und das billigere, schneller süchtig machende Kokain-Nebenprodukt lockt beide, die Reichen und die verzweifelt Armen in Brasilien. Nach Informationen der Nachrichten-Website UOL, gehören geschätzte 40% der Crack-Konsumenten in Rio de Janeiro der Mittelklasse an. Nach Auskunft der Polizei verkonsumiert das Land zirka eine Tonne Crack pro Tag – was sich in zirka 11 Millionen Dollar an Profiten niederschlägt. Allein in Rio de Janeiro bringt der Crack-Handel mehr als 800.000 US$ pro Monat ein – so die polizeilichen Schätzungen.

Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass die Verbrecherorganisation “Primeiro Comando da Capital“ (PCC) aus São Paulo am tiefsten in den Crack-Handel involviert ist. Ein Offizier des Anti-Drogen-Kommandos bestätigte, dass die PCC auch die Crack-Kokain-Verteilung in Nordostbrasilien kontrolliert – von ihrer Basis in São Paulo aus. Die Coca-Basis wird in Bolivien produziert und dann nach Paraguay transportiert, wo sie von PCC-Angehörigen empfangen und nach São Paulo weiter transportiert wird. Die PCC verwandelt die Basis in Kokain und verkauft das Nebenprodukt als Crack. Häufig muss derjenige, der eine Kokainladung zur Verteilung kauft, auch einen bestimmten Prozentsatz an Crack übernehmen – so der UOL-Report. Drogenhändler, die in Brasiliens Strafanstalten einsitzen, geben dann ihre Order an PCC-Verteiler via Handy weiter. Nachdem die Deals ausgehandelt sind, wird das Crack mit LKWs und Bussen über den gesamten Nordosten verteilt.

Die Polizei hat auch die Theorie aufgestellt, dass die PCC für die Crack-Überflutung des städtischen Marktes in Rio de Janeiro verantwortlich ist, dass sie es der regional stärksten Verbrecherorganisation, dem “Comando Vermelho“, ins Haus liefert. Um die 90% von Rios Crack, so ein Bericht, wird von São Paulo in die Kleinstadt Taubaté versandt und dann auf der grössten Fernstrasse zwischen den beiden Metropolen (der “Via Dutra“) weiter transportiert.

Die Polizei von Rio de Janeiro hat der Nachrichten-Website UOL erzählt, dass sie im Jahr 2003 damit begonnen haben, signifikante Mengen an Crack zu beschlagnahmen. Ab 2008 waren bereits 10 Favelas (Slum-Quartiere) von einem boomenden Crack-Handel betroffen, alle unter der Kontrolle des “Comando Vermelho“ (Rotes Kommando). Die polizeilichen Beschlagnahmungen wuchsen dramatisch – von gerademal 8 Kilogramm im Jahr 2008 zu fast 100 Kilogramm im Jahr 2010. Nach Auskunft der Anti-Drogen-Agentur, der DCOD, hat sich die Zahl der Crack-Süchtigen in der Stadt innerhalb von 16 Monaten – zwischen 2009 und 2010 – verdoppelt.

Das “Comando Vermelho“ ist eng mit Rios Crack-Handel assoziiert und kontrolliert auch rivalisierende Gangs innerhalb der Stadt-Favelas, wie zum Beispiel die “Amigos dos Amigos“ (ADA) oder die Gang des “Terceiro Comando Puro“ (TCP) – letztere haben versucht, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen. UOL notierte, dass sie am Eingang zu einem von Rios Armenvierteln (Favela), das sie kontrollieren, ein Spruchband aufgespannt hatten mit dem Text “Hier verkaufen wir kein Crack“! Auf der einen Seite mag es sich dabei um eine Masche handeln, das Vertrauen der lokalen Kommune zurückzugewinnen, die von der Crack-Epidemie hart getroffen sind, aber es ist wahrscheinlicher, dass diese Gruppe einfach keine Lust hatte, sich mit dem billigen Crack-Handel zu befassen, der ihr das profitablere Kokain-Geschäft verderben könnte.

Die von den “Milizen“ (siehe Erklärung unten) kontrollierten Favelas in Rio de Janeiro haben ebenfalls den Crack-Verkauf eingestellt. Auch in jenen Favelas, in denen die Stadt eine Kommando-Einheit der Friedenspolizei (Unidade Polícial Pacificadora – UPP) eingerichtet hat, wird die Droge nicht mehr gehandelt.

Die Landesregierung hat bereits eine Summe von 2 Milliarden Dollar versprochen, um die Verbreitung von Crack in Brasilien zu bekämpfen. Eine erfolgreiche Strategie müsste zuerst einmal damit beginnen, die Kontrolle der PCC über dieses Geschäft in São Paulo und dem Nordosten definitiv zu beenden – ebenfalls das Monopol des “Comando Vermelho“ in Rio de Janeiro zu brechen. Bis jetzt gibt es leider nur eine Menge Alarmglocken, die bestätigen, dass der Crack-Markt weiter zunimmt!

Erklärung:
“Milizen“ – man könnte sie als “Bürgerwehr“ bezeichnen. In Rio de Janeiro bestehen sie aus normalen Bürgern – zum Beispiel Polizisten, Feuerwehrleute, Wachmänner, Gefängniswärter, Militärs etc. – die sich einerseits zusammengefunden haben um, ausserhalb ihres regulären Dienstes, die Favela-Bewohner vor den Drogenhändlern mit Waffen zu “beschützen“, sich andererseits aber ebenfalls illegaler Praktiken bedienen, indem sie von den Bewohnern dafür ein Schutzgeld verlangen. Den meisten Favela-Bewohnern sind die “Milícias“ genauso unangenehm wie die Drogenhändler, und den Politikern sind sie ebenfalls ein Dorn im Auge. Ende November 2010 beherrschten die Milizen 41,5% der 1.006 Favelas von Rio de Janeiro (gegen 55,9% beherrscht von Drogenhändlern und 2,6% von Einheiten der “Polícia Pacificadora“).

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Aus unserer Redaktion · Bildquelle: Dietmar Lang / IAPF

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