Acre, 16. Mai 2012 Weil das Gesetz den “Regatões“ das Mitführen von Waffen verbietet, werden diese Transport-Boote auf dem Amazonas zur leichten Beute von Piraten, die ihnen auflauern, sämtliche Waren konfiszieren und – wenn die Besatzung Glück hat, kommt sie mit dem Leben davon.
25 Millionen Menschen, die in einem abgelegenen Teil der vom Rio Amazonas durchquerten Regionen leben, sind plötzlich abgeschnitten von ihrer regelmässigen Belieferung mit Nahrungsmitteln und anderen Gütern ihres täglichen Bedarfs, weil sich die zunehmende Kriminalität in diesem Land einer neuen Masche bedient: Flusspiraten lauern jenen “Batelões“ (Transportboote) auf, die Waren zu den Uferbewohnern im extremen Westen des Bundesstaates Amazonas bringen, um sie dort zu verkaufen – diese Transportboote werden im Volksmund “Regatões“ genannt.
Und weil es diesen “schwimmenden Händlern” verboten ist, sich mit Waffen auszurüsten, werden sie eine leichte Beute der Piraten, denen solche Gesetzestreue perfekt ins verbrecherische Handwerk passt. Die Händlerbesatzung – in der Regel nur zwei oder drei Personen – werden von den Piraten in Schach gehalten, während sie die Waren auf ihr Boot umladen – wer Widerstand leistet, wird erschossen – oft legen sie auch alle Händler um.
Der gefürchtete Flussabschnitt der Überfälle befindet sich etwa auf halbem Weg zwischen der Versorgungszentrale und den entlegenen Flussbewohnern. Die Regierung des Bundesstaates Amazonas weiss von diesen Vorfällen – auch die Landesregierung in Brasília – aber bis jetzt hat man keinen Finger gerührt, um jenen Piraten ins Handwerk zu pfuschen oder den Transportbooten einen Polizeischutz zu gewähren, damit sie weiterhin jenen entlegen lebenden Bewohnern ihre Bedarfsgüter bringen können, auf die diese Menschen mit ihren Familien im Innern des Regenwaldes so dringend angewiesen sind.
Aber weil die Regierung nichts unternimmt, wird die Zahl der “Regatões”, welche trotz allem das Risiko eines Überfalls auf sich nehmen, immer kleiner – sie fürchten sich nicht nur vor dem Gesamtverlust ihrer Waren, sondern vor allem auch davor, ihr Leben zu verlieren.
Die Mutigsten der “schwimmenden Händler”, die nach wie vor alles riskieren, organisieren sich so, dass sie die Gefahrenzone während der Nacht passieren – sie stellen dann den Motor ab, löschen sämtliche Lichter an Bord und benützen Paddel, um keinen Lärm zu machen, bis sie an der berüchtigten Stelle vorbei sind. Dann wird der Motor wieder angeworfen und die Positionslichter gesetzt – aber nicht alle “Regatões” haben dasselbe Glück. Was einmal nur eine Frage von Arbeitseinsatz und verdientem Profit war, hat sich in ein riskantes, lebensgefährliches Abenteuer verwandelt.
Es ist eine Tatsache, dass von Seiten der Regierung für die Flussuferbewohner im extremen Okzident des Regenwaldes rein gar nichts getan wird, deshalb sind die “Regatões” auch so besonders wichtig für sie – sie sind ihre einzige Verbindung mit der Zivilisation. Und bei einem schwereren Krankheitsfall, zum Beispiel, nutzen die Bewohner die “Regatões” zum Transport in ein Krankenhaus – dies bedeutet allerdings eine Reise von mehreren Tagen, die ausser dem Risiko, für die Familie der kranken Person gratis ist – insofern kommt diesen “schwimmenden Händlern“, ausser ihrer kommerziellen, auch eine bedeutende soziale Funktion zu.
Des Weiteren gibt es eine Reihe von Anzeigen bei den polizeilichen Dienststellen des Bundesstaates Amazonas, dass Tankschiffe “Wasser vom Rio Amazonas stehlen, um es nach Europa und Asien zu exportieren” – darauf musste die Marine erklären, dass ihr diese Praxis bekannt sei, und es sich dabei nicht etwa um eine “Hydro-Piraterie” handele, wie vermutet, sondern um eine Ballast-Operation, die für die Stabilität und das Gleichgewicht dieser Schiffe notwendig sei. Das Stehlen von Wasser, um es weiter als 500km zu transportieren, sei wirtschaftlich gesehen unrentabel. Wenn sich jedoch ein Fall von “Hydro-Piraterie“ bestätigen sollte, wäre die Marine bereit, das Problem anzugehen.
Soweit, so gut . . . bleibt nur eins offen: Der Fall jener Piraten, die den “Regatões” das Leben schwer machen – und es ihnen oft auch nehmen – dieser Fall ist bestätigt und bewiesen. Also warum geht die Marine eigentlich nicht dieses Problem an? Oder ist das zu viel verlangt?
Und ich möchte nicht einmal dran denken, dass die brasilianische Regierung das Befüllen von ausländischen Tankern mit Süsswasser erlaubt, während die “Sertanejos” (Bewohner des trockenen “Sertão” des Nordostens) ihr gesamtes Hab und Gut verlieren, ihre Plantagen und Haustiere sterben sehen, weil ihnen Wasser fehlt.
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