Er überstand alles, jeden Prozess seiner Freunde wegen Korruption oder ähnlichen Anschuldigungen konnte der noch sehr beliebte Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva unbeschadet überstehen. Verdachtsmomente erhärteten sich nicht, doch das könnte sich bald ändern.
Die Auswirkungen der Schmiergeldaffäre, die in seiner ersten Amtszeit aufflog, breiten sich immer weiter aus. Vor einigen Wochen wurden deswegen in einem spektakulären Prozess einer der engsten Berater Lulas sowie 24 weitere Angeklagte verurteilt. Doch jetzt haben drei Richter des Obersten Gerichtshofs in Brasilien angedeutet, dass neue Ermittlungen eingeleitet werden könnten. Dabei solle geprüft werden, ob es eine direkte Verbindung zwischen dem ehemaligen Präsidenten und dem so genannten “Mensalão“-System gegeben hat. Hierbei haben verschiedene Abgeordnete monatliche Schmiergelder erhalten. Lula, wie er genannt wird, streitet seit Bekanntwerden der Vorwürfe im Jahr 2005 diese konsequent ab und spricht von einem Komplott seiner politischen Feinde.
Der Korruptionsskandal in Brasilien
1. Januar 2003:
Luiz Inácio Lula da Silva tritt sein Amt als Präsident an
6. Juni 2005:
Ein Abgeordneter des Kongresses behauptet, Lula da Silva bezahle Parlamentarier für ihre Stimmen
29. Oktober 2006:
Lula da Silva wird erneut zum Präsidenten gewählt
August 2007:
Der Oberste Gerichtshof eröffnet ein Verfahren gegen 40 Angeklagte
Oktober 2012:
25 Angeklagte im Prozess werden verurteilt
Dezember 2012:
Eine Aussage, nach der sich Lula da Silva direkt an den schwarzen Kassen bediente, sickert in die Öffentlichkeit
Dezember 2012:
Drei Richter des Obersten Gerichtshofs kündigen an, dass ein neues Verfahren gegen Lula da Silva geprüft wird
Die Richter reagierten damit auf eine neue Aussage eines Zeugen, Marcos Valério. Er will persönliche Ausgaben Lulas mit Geldern aus schwarzen Kassen beglichen haben. Die hinter verschlossenen Türen getätigten Aussagen, veröffentlichte eine Zeitung zu Beginn der Woche und wurde danach vom Obersten Richter Joaquim Barbosa bestätigt. Valério wurde wegen seiner Rolle im Mensalão-System bereits verurteilt und könnte eine Gefängnisstrafe von bis zu 40 Jahren erhalten.
Wie immer, wies das Lula-Lager die neuen Vorwürfe umgehend zurück. Justizminister Jose Cardozo sprach von einer “wertlosen“ Aussage. Auch Lula selbst, derzeit in Frankreich unterwegs, sprach vor Journalisten von einer Lüge. Doch dieses Mal wird die Schlinge um den Kopf des ehemaligen Präsidenten immer enger. In einem weiteren Fall beschuldigt die Bundespolizei eine Bekannte, Rosemary Noronha, sich auf Grund ihrer Position unlautere Vorteile verschafft zu haben. Als diese Anschuldigen publik wurden, erklärte Lula, er fühle sich “von hinten erdolcht“. Er habe nichts von Noronhas unlauteren Aktivitäten gewusst.
Über Jahre hinweg interessierte sich Niemand in Brasilien für die Korruption in Politikerkreisen. Doch langsam aber sicher ändert sich diese Mentalität in dem südamerikanischen Land. In der Bevölkerung wird Bestechlichkeit etc kritischer gesehen und der Oberste Gerichtshof hat mehrjährige Haftstrafen gegen die Angeklagten im Mensalão-Prozess verhängt und so mit der eingelebten Tradition gebrochen, dass hochrangige Amtsträger davonkommen. Zum Beispiel wurde 1992 der damalige Präsident Fernando Collor wegen Untreue zwar abgesetzt, doch nie verurteilt oder ins Gefängnis gesteckt. Später leitete er sogar die Ethik-Kommission des Senats.
Lula enorm beliebt
Lula da Silva ist zwar nicht mehr im Amt, doch seine Nachfolgerin Dilma Rousseff könnte von den Ermittlungen beschädigt werden. Da Silva ist einer der Mitbegründer der regierenden Arbeiterpartei PT und der erste Präsident aus ihren Reihen. Weil er laut Gesetz nach zwei Amtszeiten nicht wiedergewählt werden konnte, erwählte er Rousseff vor zwei Jahren als seine Nachfolgerin. Nicht nur im vergangenen Wahlkamp lebte die Partei von Lulas scheinbar unzerstörbarer Beliebtheit. Er absolviert Wahlkampfauftritte, neudeutsch würde man sagen, er fightet für seine Partei und ihre Kandidaten. Analysten und Experten würde eine erneute Kandidatur im WM-Jahr 2014 nicht verwundern. Bereits seit 2010 sah man Dilma als eine Platzhalterin für Lula an.
In Brasilien gilt der ehemalige Gewerkschaftsführer aus dem armen Nordosten des Landes als außergewöhnlicher Politiker, der die Leiden und die Gedanken der Ärmsten bestens versteht und vor allem bei ihnen beliebt ist. Sein Programm Bolas Familia half vielen Menschen aus der Armut in die Mittelschicht. In der Vergangenheit kam Lula stets unbeschadet aus den Querelen, denen er ausgesetzt war.
Doch die drohenden Korruptionsermittlungen im engsten Umfeld des Ex-Präsidenten kommen zu einem sehr undankbaren Zeitpunkt für die PT. Die Opposition wirft Rousseff und ihrer Regierung vor, der Wirtschaft immens geschadet zu haben. So sind nach 7,5 Prozent im Jahr 2010 in diesem Jahr wohl nur noch ein Prozent wirtschaftliches Wachstum zu erwarten. Kritiker behaupten, die Bemühungen der Regierung, die Energiepreise möglichst niedrig zu halten, habe Anleger abgeschreckt. Zudem würden die Steuern, die 35 Prozent der Wirtschaftsleistung abschöpfen, private Initiativen abwürgen.
Rousseff erklärte so solchen Vorwürfen, dass das Geld verantwortlich eingesetzt werde. So fließe es in Wohlfahrtsprogramme für die Ärmsten und Steuererleichterungen für kleine Unternehmen. Ein neuer Korruptionsskandal könnte nun die wahren Geldgeschäfte der Regierung aufdecken.