Die Zeit der Militärdiktatur in Brasilien sorgt für neue Wellen. Am Mittwoch (10.) hat die Wahrheitskommission ihren Schlussbericht vorgelegt und eine Überarbeitung des 1979 verabschiedeten Amnestiegesetzes empfohlen. Dieses stellt bislang die gegen die Menschenrechte begangenen Verbrechen straffrei. Mit der Forderung könnten die zwischen 1964 und 1985 vom Regime begangenen Morde und Folterungen nun jedoch möglicherweise in naher Zukunft geahndet werden. Brasiliens Präsidentin zeigte sich bei der Übergabe des Berichtes sichtlich berührt. Sie selbst ist während der Diktatur gefoltert worden.
Über zwei Jahre lang hat die Wahrheitskommission an dem Bericht zu den während der Militärdiktatur (1964 bis 1985) begangenen Verletzungen der Menschenrechte gearbeitet. Die Kommission kam dabei zu dem Schluss, dass das im August 1979 erlassene Amnestiegesetz gegen internationales Recht verstößt, da es öffentlichen Akteuren und Militärangehörigen, die Verbrechen gegen die Menschenrechte begangen haben, Straffreiheit zusichert. Illegale und willkürliche Festnahmen, Folterungen, Erschießungen, Vergewaltigungen, Verschleppung und Verschwindenlassen von Personen und Leichen seien unvereinbar mit brasilianischem und internationalem Recht und von einer Amnestie ausgeschlossen, heißt es. Das Gesetz war indes als Kompromiss gedacht, welches sowohl militanten Gegnern der Diktatur als auch den Militärs eine Straffreiheit zugesichert hat. Im Jahr 2010 hatte der Interamerikanische Gerichtshof in einem Urteil jedoch bereits darauf hingewiesen, dass Brasilien mit dem Amnestiegesetz gegen die Amerikanische Konvention der Menschenrechte verstößt.
Laut Bericht sollen 377 öffentliche Bedienstete, vor allem Militärangehörige, an den Verletzungen der Menschenrechte direkt oder indirekt beteiligt gewesen sein. Damit diese zur Verantwortung gezogen werden können, fordert die Wahrheitskommission eine entsprechende Anpassung des Amnestiegesetzes.
Die Forderung stößt jedoch bei Juristen und Politikern auf ein gemischtes Echo. Damit die Verbrechen geahndet werden können, müsste entweder der Oberste Gerichtshof Brasiliens oder der Kongress eine Revision des Amnestiegesetzes einleiten. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch bereits 2010 gegen einen entsprechenden Antrag gestimmt. Im Kongress kursiert seit 2011 ein Projekt, das derzeit allerdings auf Eis liegt. Auch die Bevölkerung scheint kein großes Interesse zu haben. Bei einer Unterschriftensammlung von Amnesty International zur Änderung des Amnestiegesetzes wurden lediglich 13.000 Unterschriften erzielt. Bei einer Umfrage des Forschungsinstitutes Datafolha im März dieses Jahres hatten sich jedoch 46 Prozent der Brasilianer dagegen ausgesprochen, dass Folterer und Schergen der Militärdiktatur unbestraft bleiben.
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff begrüßte den Bericht als wichtiges Mittel zur Wahrheitsfindung. Insgesamt gibt die Kommission 29 Empfehlungen, darunter auch die Öffnung der Archive der Militärdiktatur.