Sicher haben Sie sich schon einmal gefragt, ob überhaupt, und wie genau, man das Weihnachtsfest in Brasilien feiert?
Die bedeutendste Religion in Brasilien ist seit dem 16. Jahrhundert der römische Katholizismus. Er wurde von den Jesuiten-Missionaren eingeführt, welche die portugiesischen Eroberer und Kolonisten ins neu entdeckte Land “Vera Cruz“, wie sie Brasilien damals nannten, begleiteten. Heute bekennen sich von den rund 212.448.000 Millionen Einwohnern (Dezember 2020) zirka 65% zur römisch-katholischen Kirche – Brasilien ist damit die grösste katholische Religionsgemeinschaft der Welt.
Also wird in diesem Land die Geburt Christi, als Anlass und zeremonieller Mittelpunkt dieses Festes, von rund 130 Millionen Menschen gefeiert. Ihr Weihnachtsfest beginnt für die meisten Brasilianer um Mitternacht des 24. Dezember, mit der traditionellen Mitternachtsmesse, zu der sich alle Familienmitglieder in die Kirche begeben, um erst danach, zuhause, die „Ceia de Natal“ zu servieren – das ebenso traditionelle Weihnachtsessen, zu dem sich wieder alle Familienmitglieder um den Tisch des Hauses versammeln, auf dem manch köstliche Überraschung auf sie wartet: Menus und Spezialitäten wie “Rabanada“ (ein Gericht aus Ochsenschwanz), “Bolinhos de Bacalhau“ (Bällchen aus Stockfisch), “Pernil de Porco“ (ein im Ofen gebackener Schinken), und natürlich der unverzichtbare gegrillte Truthahn, gefüllt mit einer leckeren “Farofa“ (Maniokmehl mit Früchten), unter anderen Leckereien. Alles, was übrig bleibt – und es bleibt immer etwas übrig – wird dann am nächsten Tag, dem 25.12. beim “Almoço de Natal“, dem Weihnachts-Mittagessen verzehrt – die Schwelgerei vom Heiligabend geht weiter…
Die Geschenke werden nach dem lukullischen Mahl am Heiligabend ausgetauscht – in Geschenkpapier eingepackt und mit bunten Bändchen verschlossen, wie bei uns – allerdings nur zwischen den Erwachsenen, denn die Kinder bekommen ihre, etwas später, direkt vom “Papai Noël“ – dem Nikolaus, der allein ist verantwortlich für die Weihnachtsgeschenke der Kinder, vor allem jener, die sich während des vergangenen Jahres ordentlich benommen haben. Und er erscheint auch in Brasilien so, wie man ihn überall kennt: Mit weissem Rauschebart, Zipfelmüze und dickem, pelzbesetzten Mantel und schwarzen Stiefeln – bei Temperaturen um die 35 Grad ein schweisstreibendes Outfit.
Nicht nur mit dem Nikolaus, auch mit einem geschmückten Weihnachtsbaum, entsprechen viele Familien einer ehemals heidnischen Tradition, die ihre Wurzeln in den Festen zur Wintersonnenwende (am 21.Dezember) hat und von Griechen und Römern weit vor Erscheinen des Christentums gefeiert wurden. Dagegen orientiert sich die Aufstellung eines Krippen-Szenarios an der Schilderung der einzelnen Figuren einer Weihnachtsgeschichte, wie man sie in der Bibel (Lukas 2,1 – 20) nachlesen kann. Heidnische und christliche Symbole hat man inzwischen zu einem “Weihnachtsmix“ verquickt, der jedoch nicht nur in Brasilien zur traditionellen Weihnachtsdekoration gehört.
In einem tropischen Land wie Brasilien Weihnachten zu feiern, wird einen Europäer, der es zum ersten Mal erlebt, ziemlich befremdend anmuten, wahrscheinlich scheint ihm ein solches Erlebnis sogar unvereinbar mit seiner gewohnten Vorstellung von diesem grössten Fest des Jahres: statt Frost, hochsommerliche Temperaturen – statt schneebedeckter Landschaft, immergrüne Berge und Täler – anstatt Ski- und Schlittentouren, per Buggy am Strand und baden in lauwarmem Wasser – statt geschmücktem Tannenbaum, eine mit bunten, elektrischen Lichtern blinkende Palme. Und die Menschen kleiden, beziehungsweise entkleiden, sich entsprechend dieser hochsommerlichen Hitze, gleich nachdem sie von der Kirche zurück sind: Papa trägt ein offenes weisses Hemd über einer kurzen Hose, Mama ein weit ausgeschnittenes Bustier über einem Jeans-Short, die Jungs sind alle in Badehose und die Mädchen im Bikini, das Baby ist ganz nackt und fühlt sich offensichtlich so am wohlsten – es zappelt fröhlich und lutscht schmatzend seinen Schnuller. Die weihnachtlichen Melodien, die am Heiligabend aus allen Radiokanälen rieseln, runden dieses “hochsommerliche Weihnachtsszenario“ bei +35 Grad Celsius brasilientypisch ab und wecken in dem europäischen Gast ein kleines bisschen Sehnsucht nach Schnee und Frost.
Übrigens pflegen sich ganze Städte während der Weihnachtszeit in ein Meer von buntem Licht zu kleiden – nicht nur die Haustüren und Balkone sind mit bunten, blinkenden Lichterketten geschmückt, auch um die Bäume, von denen die Avenidas flankiert werden, ranken sich elektrisch beleuchtete Kugeln und Sterne, Kirchenprofile werden mit Lichterketten nachgezeichnet, auf öffentlichen Plätzen hat man beleuchtete Weihnachtsbäume aus Kunststoff aufgestellt – in Rio de Janeiro, auf dem Wasser der “Rodrigo-de-Freitas-Lagune“, den grössten schwimmenden Christbaum der Welt!
Und immer mehr der Dekorationen und Figuren werden aus rezyklierten Materialien angefertigt. Aber auch natürliche Materialien wie Fasern aus Palmen, Nüssen u.w.m. werden für Figuren und Decos eingesetzt.
Und wenn Sie sich endlich einen frischeren Platz unter dem Ventilator ergattert haben und gerade ein bisschen anfangen, sich an die brasilianische Art von Weihnachtsstimmung zu gewöhnen, weil die Weihnachtslieder aus dem Radio Sie bei geschlossenen Augen so wunderschön in die schneebedeckte Heimat versetzen – dann werden Sie sich hoffentlich nicht durch ein paar Kanonenschläge oder zischende Raketen aus dieser Stimmung bringen lassen, die direkt vor Ihrem Fenster explodieren, denn auch das gehört bei den Brasilianern dazu – ich meine zu Weihnachten! Wahrscheinlich ist es der Papa selbst, der mit seinen Söhnen ein bisschen von dem rauslassen will, was er unter “Frohe Weihnachten“ versteht – oder ist es die Vorfreude auf Silvester – oder vielleicht auf den Karneval? Ehrlich gesagt, ich habe diese Knallerei an Weihnachten nie verstanden, habe allerdings auch nie nach dem Grund gefragt – wie gesagt, ein brasilianisches Weihnachtsfest ist eben anders als eins bei uns, und das muss man einfach akzeptieren – wenn man dort ist.
Nachfolgend zwei Rezepte für eine typisch brasilianische “Ceia de Natal“ – und dazu wünschen wir Ihnen Guten Appetit!
TRUTHAHN IN ORANGEN-SAUCE
Orangensaft ist eigentlich ein traditioneller Fleisch-Zartmacher. In diesem Fall wollen wir jedoch einmal über dieses Ziel hinausschiessen und dem ebenfalls traditionellen Weihnachts-Truthahn mit einer Orangen-Sauce einen exotischen Touch geben – Sie werden sehen, er bekommt einen superben Geschmack!
Zutaten
- 1 Pute von zirka 4 Kilogramm (noch nicht gewürzt!)
Fertigen Sie eine Marinade aus folgenden Zutaten
- 3 Knoblauch-Zehen
- ½ Tasse gehackte Petersilie
- Kräuter á gusto
- Salz und Pfeffer á gusto
- Saft von 6 grossen Orangen
- ½ Flasche Weisswein
Zum Braten
- 1 Tasse Butter
- ½ Tasse gehackte Petersilie
Für die Sosse
- 1 Esslöffel mit Weizenmehl, aufgelöst in
- ½ Tasse Wasser
Zubereitung
Den Truthahn mit der Marinade würzen und eine Nacht lang darin einlegen. Dann in eine entsprechende Form zum Braten geben. Giessen Sie den Inhalt der Marinade durch ein Sieb und reservieren Sie die Flüssigkeit getrennt von den festen Bestandteilen (Gewürzen). Dann mischen Sie mit einer Gabel 1 Tasse Butter (oder Margarine) und die festen Gewürze aus der Marinade und geben die ½ Tasse gehackte Petersilie dazu.
Mit einem spitzen Messer stechen Sie nun mehrere Löcher in die Putenbrust und streichen die gewürzte Butter hinein. Dann giessen Sie den flüssigen Teil der Marinade über den Vogel in die Bratform. Überziehen Sie nun die Form mir Alu-Folie und braten Sie den Vogel, bei mittlerer Hitze, bis er weich ist. Jetzt entfernen Sie die Alu-Folie und braten ihn weiter, bis er goldbraun ist.
Dann den Vogel herausnehmen – die Form über einer Herdflamme anbringen, um die Sosse mit dem in Wasser aufgelösten Mehl (oder mit Maizena) anzudicken. Wenn Sie mögen, geben Sie noch mehr Wein oder Orangensaft dazu – je nach Geschmack. Den Truthahn ein bisschen dekorieren – vielleicht mit Orangenscheiben – und die Sauce extra servieren.
FAROFA AUS ESSKASTANIEN
Diese „Farofa“ genannte Masse kann man einerseits sehr gut als Füllung der Pute verwenden – andererseits spricht nichts dagegen, dass man sie als Beigabe zubereitet. Grundlage aller „Farofa“-Arten ist stets das Mehl aus der Maniok-Wurzel, von dem wir annehmen, dass es inzwischen als Import auch in Deutschland erhältlich ist (Farinha de Mandioca).
Zutaten für 8 Portionen
- 2 Esslöffel mit Butter
- 1 mittelgrosse Zwiebel, gehackt
- 250 g Innereien vom Truthahn oder vom Huhn
- in Salzwasser gekocht und klein gehackt
- 30 gekochte Esskastanien, geschält und grob gehackt
- 10 geschälte und grob gehackte Walnüsse
- zirka eine Tasse Maniok-Mehl
- Salz á gusto
- gehackte Petersilie á gusto
Zubereitung
Geben Sie die Butter in einen Topf oder eine hohe Pfanne. Heiss werden lassen und dann die gehackten Innereien dazugeben. Wenn sie anfangen Farbe anzunehmen, die Zwiebel hinzufügen und weiterdünsten, bis sie glasig wird. Jetzt die gehackten Nüsse dazugeben – eine Minute dünsten lassen – dann die Kastanien hinzufügen. Gut umrühren – und das trockene Maniokmehl einrühren, solange, bis sich die Zutaten vom Boden lösen und verbinden. Mit Salz abschmecken – zuletzt etwas gehackte Petersilie darüberstreuen und fertig!
Tipps
Diese „Farofa“ erhält durch die Kastanien einen leicht süsslichen Geschmack. Wenn Sie den verstärken möchten, können Sie Rosinen hinzufügen.
Sie können die „Farofa“ mehrere Tage vorher vorbereiten und einfrieren, um sie dann später für die Füllung des Truthahns zu verwenden – sie sollte möglichst nichts von dessen Marinade abbekommen! Möchten Sie die „Farofa“ extra servieren, dann bereiten Sie sie erst am Tag des Truthahns frisch zu!
Anstelle von Maniok-Mehl eignet sich auch – besonders als Füllung – einfaches Paniermehl von Brötchen oder Weissbrot!