Zehntausende Menschen sind am Sonntag (15.) in vielen brasilianischen Städten auf die Straßen gegangen, um gegen die Korruption und ebenso gegen die Regierung Dilma Rousseffs zu demonstrieren. Allein im Wirtschaftszentrum São Paulo haben sich über eine Millionen Demonstranten zu den friedlichen Protesten versammelt, die an einem für Brasilien historischen Datum stattgefunden haben. Hat sich am 15. März 2015 doch zum 30. Mal das Ende der Militärdiktatur und die Wiedereinsetzung der Demokratie gejährt.
Seit Wochen hatten verschiedene Bewegungen in den sozialen Netzwerken mit Fotos, Texten und Videos zu den Demonstrationen aufgerufen und gegen die Regierung Dilma Rousseffs Stimmung gemacht. Mit einer so großen Beteiligung hatten jedoch selbst sie nicht gerechnet. In 18 Hauptstädten der Bundesstaaten, dem Hauptstadtdistrikt und vielen anderen Städten, waren zehntausende Menschen unterwegs. In der Megametropole São Paulo wurden am Sonntagnachmittag über eine Millionen Teilnehmer gezählt. Viele von ihnen waren in den Farben des Landes grün-gelb oder mit den gelben Hemden der brasilianischen Fußballseleção bekleidet.
Anders als bei den Demonstrationen im Jahr 2013 ist es am Sonntag zu keinen Zwischenfällen und Vandalisumus gekommen. Vielmehr beteiligten sich ebenso viele Familien mit ihren Kindern an den friedlichen Protesten und machten ihren Unmut über die Regierung Rousseffs laut und forderten deren Amtsenthebung. Rousseff steht vor allem wegen des Korruptionsskandals des Ölkonzerns Petrobras in der Kritik, aber ebenso wegen der stagnierenden Wirtschaft, Steuer- und Preiserhöhungen sowie der steigenden Inflation, die in den vergangenen zwölf Monaten auf 7,7 Prozent betragen hat.
Zu Protesten kam es ebenso an der Copacabana in Rio de Janeiro, in der Hauptstadt Brasília, Salvador de Bahia, Manaus und dutzenden anderen Städten. Versammelt haben sich die Menschen nicht nur in Brasilien, um gegen die aktuelle Regierung des Landes zu demonstrieren. Auch in verschiedenen Städten der USA, wie New York und Miami kam es zu Protesten. In den USA leben etwa 1,2 Millionen Brasilianer. Kleinere Demonstrationen wurden ebenso in Sidney und London verzeichnet.
Noch am Samstag hatte Präsidentin Dilma Rousseff im Facebook gepostet, dass sie hoffe, dass Brasilien am Sonntag seine demokratische Reife beweise. Mehrfach hat sie zudem deutlich gemacht, dass Demonstrationen zu einer Demokratie gehörten. Eine Stellungnahme Rousseffs zu den Demonstrationen wurde für Sonntagnacht erwartet.
Schon seit dem denkbar knappen Wahlausgang im Oktober 2014 rumort es in der Bevölkerung Brasiliens. Gegenkandidat Aécio Neves, der im zweiten Wahlgang mit 3,4 Millionen Stimmen (3,28 Prozent) unterlegen war, hatte nach der Niederlage umgehend eine “harte Opposition“ angekündigt. Offiziell unterstützen er und seine Partei, die Mitte-Rechts stehende PSDB, kein Impeachment Rousseffs. Allerdings hatte Neves Parteimitlgieder und Unterstützer dazu aufgerufen, sich an den Protesten zu beteiligen.
Am Freitag (13.) war es ebenso in fast allen Bundesstaaten Brasiliens zu Protesten gekommen, zu denen verschiedene soziale Bewegungen und Arbeitervertretungen aufgerufen hatten. Auch bei ihnen ist die Forderung nach einem Ende der Korruption im Mittelpunkt gestanden. Demonstriert wurde am Freitag jedoch zugunsten der Regierung und Dilma Rousseffs. Allerdings gelang es den sozialen Bewegungen bei Weitem nicht, die Massen zu mobilisieren, die bei der Gegenbewegung am Sonntag verzeichnet wurden, bei denen auch ein Amtsenthebungsverfahren der Präsidentin gefordert wurde. Das wird ebenso von einigen Oppositionspolitikern vertreten. Experten sehen es jedoch aus rechtlichen und politischen Gründen für unwahrscheinlich an, dass es zu einem solchen kommen wird.