Am Donnerstag (23.) hat sich zum 22. Mal die “Chacina da Candelária” gejährt, bei der Polizisten in eine Gruppe von schlafenden Kindern und Jugendlichen geschossen haben, um diese hinzurichten. Acht Teenager sind ums Leben gekommen und etliche verletzt worden. Mit einer Messe und einer friedlichen Demonstration zum Schutz des Lebens ist den Opfern am Donnerstag gedacht worden. Gleichzeitig sind Maßnahmen angemahnt worden, um die hohe Zahl der Jugendlichen zu verringern, die jährlich gewaltsam ums Leben kommen. Durchschnittlich werden in Brasilien täglich 28 Jugendliche zwischen elf und 19 Jahren umgebracht.
Auch wenn seit der Hinrichtung vor der Kirche Candelária im Zentrum Rio de Janeiros über zwei Jahrzehnte vergangen sind, hat sich seitdem nicht viel geändert, was die Gewalt gegenüber Jugendlichen betrifft. Nach wie vor berichten Medien von willkürlichen Übergriffen der Polizei, bei denen vor allem schwarze Jungen aus den Favelas und Randgebieten der großen Städte erschossen werden.
Sie sind oft jedoch ebenso Opfer von Lynchjustiz, rivalisierenden Banden und anders motivierten Verbrechen. Nach der Mapa da Violência (Gewaltkarte) sind 2013 in Brasilien 10.136 Jungen und Mädchen zwischen elf und 19 Jahren gewaltsam ums Leben gekommen wobei die Zahlen seit Jahren steigend sind. Das entspricht einer Rate von 66,3 pro 100.000 Einwohnern, während es bei den gleichaltrigen Jugendlichen mit weißer Hautfarbe 24,2 sind.
Angesichts dessen sprechen einige Menschenrechtsorganisationen bereits von einem Genozid der afrobrasilianischen Jugendlichen. Von der weißen Gesellschaft wird das Problem indes nur am Rande wahrgenommen. Nach wie vor halten sich Vorurteile gegenüber Favela-Bewohnern und dunkelhäutigen Menschen hartnäckig. Stattdessen wird eine Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 16 Jahre gefordert, um jugendliche Gesetzesbrecher härter zu bestrafen.
Der Chefminister des nationalen Sekretariats für Menschenrechte, Pepe Vargas, fordert eine Übertragung der Ermittlungen und gerichtlichen Verhandlungen im Fall von polizeilichen Übergriffen auf den Bund, um Verschleierungsversuche der örtlichen Behörden zu vermeiden. Die Herabsetzung der Strafmündigkeit sieht er als einen Rückschritt, der nur weitere Gewalt mit sich bringe. Er ist davon überzeugt, dass die von der Gewalt betroffenen Jugendlichen vermehrt Opfer statt Täter sind. Notwendig sei vielmehr eine Kultur, in der die Menschenrechte geachtet und jeder mit Respekt behandelt werde, was bisher nicht der Fall sei, wie er sagt.
Bei der Chacina da Candelária in den frühen Morgenstunden des 23. Juli 1993 haben drei Polizisten und ein Ex-Polizist in eine Gruppe von über 40 Kindern und Jugendlichen geschossen, die sich um die Kirche versammelt hatten, um dort zu schlafen. Acht der auf der Straße lebenden Jungen sind dabei ums Leben gekommen. Sechs von ihnen waren Minderjährige. Einer der Überlebenden erlebte knapp ein Jahr später ein weiteres Mal ein Attentat.
Mit Hilfe seiner Zeugenaussage waren die beteiligten Polizisten ermittelt worden. Erst nach dem zweiten Attentat wurde er in das Zeugenschutzprogramm aufgenommen und lebt heute in der Schweiz. Allerdings wird ihn die Bluttat vom 23. Juli sein Leben lang begleiten. Bei beiden Attentaten hat er vier Schüsse erlitten, was unter anderem zum Verlust eines Auges und zur Taubheit geführt hat.
Von den vier verurteilten Männern, ist einer gestorben. Die anderen drei befinden sich wieder auf freiem Fuß, nachdem sie weniger als 20 Jahre abgesessen haben. Verurteilt worden waren sie indes zu insgesamt mehr als 200 Jahren Freiheitsentzug. Darüber warum sie in die Gruppe unschuldiger Straßenkinder geschossen haben, wird spekuliert. Eine These sagt, dass eine Gruppe von Jungen am Vortag vor der Kirche dabei war, als einer von ihnen von Militärpolizisten abgeführt wurde. Die Buben hätten daraufhin mit einem Stein die Windschutzscheibe des Polizeiautos eingeworfen.