Am internationalen Autofreien Tag wird auch in Brasilien in etlichen Städten mit Aktionen aufgewartet. Eingebunden ist der Aktionstag in die brasilienweite „Semana da Mobilidade“ (Mobilitätswoche), bei der es um den Verkehr, die Mobilität und die Reduzierung von Verkehrsopfern geht. In der Politik wird indes auf die Automobilindustrie gesetzt, die in dem südamerikanischen Land ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist.
Mit Vorträgen, Workshops und verschiedenen Veranstaltungen soll die Semana da Mobilidade Probleme und Lösungen im Zusammenhang mit dem Verkehr aufweisen. Sie ist aber auch als Anregung zum Nachdenken gedacht. Gleiches gilt für den autofreien Tag am 22. September. In São Paulo und Rio de Janeiro gibt es zu diesem bereits seit 2004 Aktionen und Protest-Radfahren. Auch dieses Jahr haben etliche Stadtverwaltungen und Organisationen in etlichen Munizipen des Landes zur Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen aufgerufen.
In den großen brasilianischen Medien wird der Aktionstag hingegen kaum angekündigt. Noch setzt auch die große Politik vor allem auf die Mobilität per Auto. Mit günstigeren Steuersätzen wird der Kauf von Neuwagen angeheizt. Im Vordergrund stehen die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie. Die musste dieses Jahr angesichts der Wirtschaftskrise Brasiliens jedoch starke Einbußen verzeichenen. Die Flotte auf den Straßen ist dennoch am Wachsen.
Nach Angaben der nationalen Verkehrsbehörde Denatran waren im August dieses Jahres in ganz Brasilien 49,2 Millionen Autos Brasilien angemeldet, 2,6 Millionen Lastwagen und 19,9 Millionen Motorräder. Die Flotte ist jedoch nicht gleichmäßig über das Land verteilt. Der größte Anteil der stattlichen Zahl an Autos wird mit über 27 Millionen im industrialisierten Südosten Brasiliens verzeichnet. Allein auf den Bundesstaat São Paulo entfallen 16,68 Millionen Personenkraftwagen, während es im nördlichen Roraima gerade einmal 61.540 sind. In der Stadt São Paulo sind hingegen 5,28 Millionen Autos und 856.044 Motorräder unterwegs, in Rio de Janeiro 1,92 Millionen Autos und 273.262 Motorräder.
Brasiliens Großstädte leiden vor allem unter den Blechlawinen, die sich all morgendlich und abendlich oft nur im Schneckentempo durch die Straßen wälzen. In São Paulo sind täglich 6,5 Millionen Menschen mit dem eigenen Auto zur Arbeitsstelle unterwegs, und das in der Regel alle zur gleichen Zeit. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind für sie keine wirkliche Alternative. Zu den Stoßzeiten sind Metros und Busse zum Bersten gefüllt. Mehrfaches Umsteigen und häufig lange Fahrtzeiten machen sie ebenso unattraktiv. Hinzu kommt, dass viele der öffentlichen Verkehrsmittel des südamerikanischen Landes im tropischen Sommer mangels Klimaanlagen zur Sauna werden.
Das Auto ist für die meisten Brasilianer nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern ebenso wichtiges Statussymbol. Das Fahrrad, im Volksmund „magrela“ (die Dürre) genannt, wird hingegen von vielen als Fortbewegungsmittel der armen Leute betrachtet. In den Stau anfälligen Großstädten ist jedoch ein Umdenken zu spüren. In São Paulo haben Velofreunde und Initiativen jahrelang für den Bau von Radwegen gekämpft und dabei etliches erreicht. Noch bis Jahresende soll das Radwegenetz der Megametropole auf 400 Kilometer anwachsen. Jüngst eingeweiht wurde der 2,7 Kilometer lange zur Fahrbahn der Kraftfahrzeuge hin abgesicherte Radweg auf der Avenida Paulista, der als Meilenstein für die Mobilität auf zwei Rädern angesehen wird. Eingerichtet wurden ebenso Leihradsysteme und zentrale Radgaragen.
Leihradsysteme setzen sich auch in anderen Städten durch, wie in Santos, das mit 37 Stationen und 370 Rädern aufwartet. Auch Santos beteiligt sich am autofreien Tag. Dort wird an diesem ein weiterer Radweg feierlich der Öffentlichkeit übergeben. In Curitiba ist zum „Marcha das 2015 bicicletas“ (Marsch der 2015 Fahrräder) aufgerufen und in São Paulo werden in Anlehnung an die Food-Trucks unter anderem Food-Bikes unterwegs sein. Dass es auch ohne Auto geht, wollen aber auch andere Städte zeigen, wie Salvador de Bahia, Joinville oder Aracaju, um nur einige zu nennen.