Am Mittwoch (16.) haben sich die Ereignisse in Brasilien überschlagen. Nachdem Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zum Minister der Casa Civil ernannt worden ist, hat der Ermittlungsrichter im Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras wenig später abgehörte Gespräche zwischen Lula, Präsidentin Dilma Rousseff und anderen zur Veröffentlichung freigegeben. In mehreren Städten ist es abends daraufhin zu Demonstrationen gekommen.
Vorgeworfen wird Präsidentin Dilma Rousseff mit der Ernennung Lulas zum Minister, diesen vor weiteren Ermittlungen schützen zu wollen. Rousseff rechtfertigt den Schritt indes mit der Stärkung der Regierung.
Noch am Nachmittag hat Richter Sérgio Moro für eine Verschärfung der politisch angespannten Situation gesorgt. Er hat die Veröffentlichung von bisher unter Verschluß gehaltenen, abgehörten Telefongesprächen mit Lula freigegeben. Eins von diesen soll am gleichen Tag geführt worden sein.
In ihm ist vom Amtsantritt Lulas als Minister die Rede und der Zustellung der Dokumente, die “falls notwendig“ vorgezeigt werden könnten. Gewertet wird das Gespräch zwischen Lula und Rousseff als Beweis, dass die Ministerernennung als “Rettungsanker“ vor der Justiz geschehen ist.
Mit der Ernennung des Ex-Präsidenten zum Minister wäre für diesen nicht mehr Moro als Richter zuständig, sondern der Oberste Gerichtshof STF. Auch eine mögliche Verhaftung Lulas, wie von Staatsanwälten São Paulos kürzlich beantragt, könnte damit unter Umständen verhindert werden. Moro leitet den Ermittlungsprozess im Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras, in den auch Lula verwickelt sein soll.
Sowohl bei der Opposition als auch Teilen der Bevölkerung haben die Ernennung Lulas zum Minster der “Casa Civil“ und die veröffentlichten Gespräche für Empörung gesorgt. Im Senat und der Abgeordnetenkammer kam es zu einem lautstarken Schlagabtausch zwischen den Parteien. In mehreren Städten sind hunderte Menschen auf die Straßen gegangen. Autofahrer sorgten für Hupkonzerte und in den Stadtvierteln der besser verdienenden Mittelschicht war einmal mehr das Töpfeklappern als Protestform zu hören.
In der Hauptstadt Brasília haben nach Polizeiangaben etwa 5.500 Menschen vor dem Palácio do Planalto demonstriert. In São Paulo füllte sich die Avenida Paulista mit protestierenden Bürgern bis spät in die Nacht hinein. Vereinzelt ist es zu Handgreiflichkeiten zwischen Demonstranten und Polizisten und zu Verletzten gekommen.
In São Paulo wurde ein Paar angegriffen, das sich gegen die Rufe der Protestler geäußert hatte. Zu Tumulten ist es auch vor dem Gebäude gekommen, in dem Lula wohnt. Im Theater der katholischen Universität (Tuca) hatten sich währenddessen Fürsprecher der Regierung Rousseffs und Lulas getroffen, unter ihnen Juristen, Intelektuelle, Künstler und Vertreter sozialer Bewegungen, um über Demonstrationen Pro-Regierung zu diskutieren.