In Brasilien wird heute Freitag (27.) der Tag des Atlantischen Regenwaldes begangen. Viel zu feiern gibt es allerdings nicht. Nur noch wenige Prozent sind von dem artenreichen Küstenregenwald übrig. Dennoch wird er weiterhin abgeholzt, wie aus dem Atlas der verbleibenden Flächen des Atlantischen Regenwaldes hervorgeht. Danach sind zwischen 2014 und 2015 mindestens 18.433 Hektar des wertvollen Bioms restlos zerstört worden.
Als die ersten Europäer in Südamerika angelegt haben, hat die Mata Atlântica, wie der Atlantische Regenwald in Brasilien genannt wird, beinahe die gesamte Küste Brasiliens vom Süden bis zum Norden geprägt und teilweise bis ins Zentrum des Landes gereicht. Seine ursprüngliche Fläche wird auf 1,3 Millionen Quadratkilometer geschätzt.
Heute sind nur noch etwa 163.000 Quadratkilometer übrig. Viele der Flächen sind verinselt oder durch Städte, Landwirtschaftsflächen und Infrastruktur durchbrochen. Werden alle Restflächen zusammen gezählt, sind lediglich zwölf Prozent des Atlantischen Regenwaldes übrig geblieben.
1990 hat die Stiftung SOS Mata Atlântica gemeinsam mit dem Umweltamt Ibama erstmals eine Erhebung über die verbliebenen Flächen des Küstenregenwaldes erhoben. Basierend auf zurückreichende Erhebungen mit dem Raumforschungsinstitut Inpe hat der Regenwald seit 1985 jährlich etwa 100.000 Hektar Fläche verloren. Allein in den vergangenen 30 Jahre sind 19.000 Quadratkilometer abgeholzt worden. Gebremst wurde der Kahlschlagsrhythmus vor allem ab 2000. Zum Stillstand ist er jedoch noch nicht gekommen.
Im Vergleich zu 2013/2014 hat es 2015 sogar eine leichte Zunahme von einem Prozent gegeben. Traurige Spitzenreiter sind die Bundesstaaten Minas Gerais, Bahia, Piauí und Paraná. In Paraná wurde sogar eine Zunahme von 116 Prozent verzeichnet. Bedroht sind besonders die von der Araukarie geprägten Wälder der Mata Atlântica bedroht. Der stattliche Nadelbaum steht indes längst schon auf der Roten Liste.
Bedroht ist jedoch nicht nur der Atlantische Regenwald, sondern ebenso seine Flüsse. Nach einer im März von der SOS Mata Atlântica vorgelegten Studie weisen 36,3 Prozent der in elf Bundesstaaten und des Hauptstadtdistrikts untersuchten Bäche und Flüsse eine schlechte oder sehr schlechte Wasserqualität auf. Nur 4,5 Prozent der 289 analysierten Bereiche haben eine gute Wasserqualität und 59,2 Prozent gelten als regulär oder sind mit einem Risiko zur Verschlechterung behaftet.
Im Bundesstaat Rio de Janeiro ist sogar von fünf “toten“ Flüssen die Rede. In ihnen wurden eine Reihe von chemischen Substanzen aus der Industrie und der Landwirtschaft (Agrochemikalien) nachgewiesen. Eins der größten Probleme neben der Abholzung von Quellbereichen und Uferrandstreifen ist die in weiten Bereichen fehlende Kanalisation und der Mangel an Kläranlagen.
Neben all den Hiobsbotschaften, gibt es jedoch auch erfreuliche Nachrichten. Nach Angaben von Marcia Hirota, Exekutiv-Direktorin der Stiftung SOS Mata Atlântica, gibt wurde in einigen Regionen eine Zunahme der Waldfläche verzeichnet. Neben der Stiftung haben sich verschiedene Einrichtungen und Nichtregierungsorganisationen der Wiederaufforstung des Regenwaldes verschrieben. Vor allem degradierte Flächen, Bach- und Flußufer sowie Quellbereiche stehen dabei im Mittelpunkt.
Ziel ist es ebenso, mehr Grundbesitzer von der Ausweisung einer “Reserva Particular do Patrimônio Natural” (RPPN) zu überzeugen. Bei diesen privaten Naturschutzgebieten verpflichten sich die Besitzer Teile ihres Grundes ausschließlich der Natur zu überlassen und vor Veräderungen zu schützen.
Im Gegenzug erhalten sie Steuererleichterungen. Für den Atlantischen Regenwald bedeutet dies einen aktiven Schutz. Wie Marcia Hirota hervorhebt hat die Zahl der RPPNs in den vergangenen Jahren zugenommen. Vor allem im Bundesstaat Rio de Janeiro sind etliche private Naturschutzeinheiten gebildet worden. Ihre Zahl beläuft sich bereits auf 150. Geschützt werden auf diese Art 12.600 Hektar Küstenregenwald.
Dass der Schutz des Atlantischen Regenwaldes allen zugute kommt, zeigen verschiedene Studien. Deutlich geworden ist dies ebenso bei der Dürre in den Jahren 2014 und 2015, die in São Paulo und Rio de Janeiro zu leeren Stauseen und zu gravierenden Problemen bei der Trinkwasserversorgung geführt hat. Werden die Quellbereiche und der Atlantische Regenwald geschützt, bedeutet dies indes ebenso einen Schutz des Trinkwassers.
Mit dem “Dia da Mata Atlântica” soll unter anderem auch darauf hingewiesen werden. Er steht aber auch für die Aufklärung der Bevölkerung über das immense Artenreichtum des Atlantischen Regenwaldes, seine Einzigartigkeit und seine Bedeutung für Mensch und Klima.
In Praia Grande, an der Küste des Bundesstaates São Paulo, findet zudem vom 31. Mai bis zum 2. Juni die 4. “Semana da Mata Atlântica” statt, bei der es neben Ausstellungen in verschiedenen Museen ebenso Vorträge und Disskussionsrunden geben wird sowie Pflanzworkshops.