Einer der umstrittensten Politiker Brasiliens muss nun doch seinen Hut nehmen. In einer Sitzung Montagnacht haben die Abgeordneten mit einer überraschend überwältigenden Mehrheit das vorläufig politische Aus Eduardo Cunhas bestimmt.
Der muss sich bereits in mindestens zwei Prozessen zum Korruptionsskandal “Lava Jato“ vor dem Obersten Gerichthof STF verantworten. Sein Mandat verloren hat er aber wegen einer Lüge vor einem Untersuchungsausschuß als er noch Präsident der Abgeordnetenkammer war.
Er galt als “poderoso“, mächtig, und hat bis zuletzt nicht wirklich glauben wollen, dass eine Mehrheit gegen ihn sein könnte. Als dann kurz vor Mitternacht 450 der 469 stimmberechtigten anwesenden Abgeordneten sich für den Mandatsentzug ausgesprochen hatten, hat er umringt von Sicherheitskräften und unter Fora-Cunha-Rufen (Raus Cunha) pikiert das Feld geräumt. Aufgeben wird er damit nicht.
Im Blitzlichtgewitter hat er kurz nach der Sitzung Einsprüche angekündigt und noch einmal zum Rundumschlag ausgeholt. Er sei zum politischen Opfer geworden, aus Rache, weil er den Antrag zum Amtsenthebungsverfahren der Ex-Präsidentin Dilma Rousseff zugelassen habe, sagt er und behauptet, dass es keinerlei Beweise gegen ihn gibt. Ausserdem würde er den Preis dafür zahlen, Brasilien von der Arbeiterpartei (PT) befreit zu haben, so Cunha.
Als Eduardo Cunha am 1.2.2015 zum Präsidenten der Abgeordnetenkammer gewählt worden war, ist er noch bejubelt worden. Da waren die Lava-Jato-Ermittler ihm allerdings schon auf den Fersen. Im Juli 2015 hat dann Júlio Camargo vor Gericht ausgesagt, dass Cunha ihn unter Druck gesetzt habe, fünf Millionen Dollar zu zahlen, um einen Vertrag des Unternehmens Camargo mit dem halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras zu garantieren.
Beim Untersuchungsausschuß (CPI) zu Petrobras hat er dies negiert und ebenso ausgesagt, keine Geheimkonten außerhalb Brasiliens zu haben. Kurz danach hat die Schweizer Justiz aber an ihre brasilianischen Kollegen Kopien von Konten Cunhas in der Schweiz übersendet, versehen mit Ablichtungen von den Pässen Cunhas, dessen Frau und dessen Tochter sowie mit Unterschriftsbelgen.
Bis heute redet sich der Politiker hingegen damit heraus, dass die Konten von einem Trust verwaltet würden und er lediglich der Nutznießer, nicht aber der Inhaber sei. Laut Ermittlungen sollen über eins der Konten Luxusartikel und Luxusreisen der Frau Cunhas bezahlt worden sein.
Zwei kleinere Parteien waren es, die im Oktober des vergangenen Jahres einen Antrag zum Einschreiten der Ethikkommission gestellt haben. Mit allen möglichen Mitteln hat der 57-Jährige versucht, diesen Prozess zu verschleppen. Der hat schließlich elf Monate gedauert und geht damit als der längste Prozess der Ethikkommission in die Geschichte ein.
Klein beigeben wollte Cunha indes nicht und auch im Abgeordnetenhaus hat er zunächst nur wenig an Unterstützung verloren, während auf den Straßen Brasiliens immer mehr sein Rücktritt gefordert wurde. Am 5. Mai 2016 ist dann der Oberste Gerichtshof eingeschritten und hat Cunha vom Amt des Kammerpräsidenten suspendiert.
Im Juni ist er von dem Amt offiziell zurückgetreten, wohl im Versuch, seine Haut zu retten.
Das ist ihm nicht gelungen. Mit nur einer knappen Mehrheit hat die Ethikkommission der Kammer empfohlen, Cunha das Abgeordnetenmandat zu entziehen. Jetzt hat die Kammer dies mit einer absoluten Mehrheit bestätigt. Darüber hinaus kann er erst wieder im Jahr 2026 als Kandidat für ein politisches Amt in den Wahlkampf ziehen.