Die Lebensqualität in Brasilien ist gewachsen. Das ist allerdings in einen wesentlich langsameren Rhythmus geschehen, als erwartet. Bei der gewaltigen Schere zwischen Arm und Reich hat sich in den vergangenen Jahren hingegen kaum etwas verändert.
Zu dem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie des UN-Programmes Pnud, des brasilianischen Wirtschafts-Forschungs-Institutes Ipea und der Fundação João Pinheiro, die am Dienstag (22.) vorgelegt worden ist.
Von 2011 bis 2014 hat sich im Vergleich zum Jahr 2000 die Distanz zwischen den reicheren und den ärmeren Einkommensschichten nur unwesentlich verändert. Nach Meinung der UN-Pnud Koordinatorin Andrea Bolzon haben die Programme zur Umverteilung der Einkommen und die Politik zur Stärkung des Mindestlohnes den ärmsten Gesellschaftsschichten Brasiliens einen gewissen Schutz geboten.
Ausreichend waren sie aber bei Weitem nicht, um die schreiende Differenz zwischen Arm und Reich zu verringern. Notwendig wären dazu weitere Maßnahmen, wie die Besteuerung großer Reichtümer, so die Experten.
Insgesamt fallen die Ergebnisse der vorgelegten Studie “Radar IDHM“ (Menschlicher Entwicklungsindex der Munizipe) trotz aller Anstrengungen bescheiden aus. So hat der Entwicklungsindex zwischen 2011 und 2014 von 0,738 auf 0,761 gerade einmal um ein Prozent zugenommen, während es zwischen 2000 und 2010 1,7 Prozent pro Jahr waren.
Auf der Skala von Null bis Eins wird der erreichte Wert als “hoch“ eingestuft. Erreicht wird dieser jedoch längst nicht in allen Region Brasiliens, sondern vor allem im reicheren Südosten, Süden und im Hauptstadtdestrikt.
Der Entwicklungsindex setzt sich aus mehreren verschiedenen Indikatoren zusammen, welche die Bereiche Lebenserwartung, Bildung und das Einkommen abdecken. Bei denen konnten in den vergangenen Jahren nur leichte Verbesserungen erreicht werden.
In einem langsameren Rhythmus gewachsen ist die Lebenserwartung. Die hat 2000-2010 jährlich noch um 1,2 Prozent zugenommen. Zwischen 2011 und 2014 sind nur noch 0,6 Prozent Zuwachs erreicht worden. Hinzu kommt, dass dies nicht für das ganze Land gilt.
Wieder einmal ist es der ärmere Nordosten und Norden, der hinterher hinkt. Für den südlichen Bundesstaat Santa Catarina wird die Lebenserwartung mit 78,4 Jahren angegeben. In Maranhão ist sie um 14 Jahre geringer.
Mit Besorgnis sehen die Analysten die Werte im Bereich Bildung. Der Prozentsatz von Jugendlichen über 18 Jahren, die den “ensino fundamental“ (Basisschulabschluß) komplett abgeschlossen haben, ist 2011 bei 60,1 Prozent gelegen. 2014 waren es nur 0,7 Prozent mehr.
Knapp 40 Prozent verfügen damit über keinerlei Schulabschluß. Die Verbesserungen beim Bildungsindex haben sich jedoch auch insgesamt verlangsamt. Im Untersuchungszeitraum ist der Bildungsindex um lediglich jährliche 1,5 Prozent gestiegen. Zwischen 2000 und 2010 waren es hingegen 3,3 Prozent.
Anders sieht es beim Einkommen aus. Bei dem wurden mit jährlichen 1,1 Prozent höhere Zuwächse als zwischen 2000 und 2010 registriert (0,7 Prozent). Hinter den Durchschnitts-Prozentsätzen verbergen sich jedoch eklatante Unterschiede.
Während das Pro-Kopf-Einkommen im Hauptstadtdestrikt mit 1.606 Reais (umgerechnet derzeit etwa 452 Euro) angegeben wird, liegt es in Alagoas (Nordosten) bei gerade einmal monatlichen 414 Reais (etwa 116 Euro).
Wie sich die momentane Wirtschaftskrise und die angekündigten Maßnahmen zur Bewältigung dieser auf den menschlichen Entwicklungsindex auswirken wird, muss abgewartet werden, so die Experten. Eine von ihnen vorgeschlagene stärkere Besteuerung der Besserverdienenden wird es wohl auch mit der Regierung Michel Temers nicht geben.
Die setzt auf einen Sparkurs, von dem unter anderem ausgerechnet die ohnehin darbenden Bereiche Bildung und Gesundheit betroffen sind. Deren Ausgaben sollen für die nächsten 20 Jahre auf dem derzeitigen Niveau eingefroren werden. Vorgesehen ist lediglich eine Anpassung in Höhe der Inflation des Vorjahres.
Vom International Monetary Fund (IMF) wird das angestrebte Sparpaket der brasilianischen Regierung zur Sanktionierung des Staatshaushaltes indes begrüßt.