“Janots Liste“ ist mit Spannung erwartet worden. Jetzt liegt sie vor und verursacht Nervosität unter den Politikern. Die Liste von Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot enthält Namen dutzender, hochrangiger Politiker, die in den Korruptionsskandal Lava Jato verwickelt sein sollen, unter ihnen mindestens sechs Minister der aktuellen Regierung, fünf Gouverneure von Bundesstaaten, etliche Senatoren, Abgeordnete und Ex-Präsidenten. Betroffen sind alle der großen Parteien.
Seit drei Jahren hält die Operation „Lava Jato“ das Land in Atem, bei der zu Schmiergeldaffären und illegaler Parteienfinanzierung ermittelt wird. Auslöser war der Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Energiekonzern Petrobras. In diesen verwickelt ist auch der Bauriese Odebrecht, in dem es sogar eine eigene Schmiergeldabteilung gegeben hat, über die hunderte Millionen Dollar abgewickelt wurden.
Ende 2016 haben 77 ehemalige und aktuelle Direktionsmitglieder des Baukonzerns Odebrecht nun Kronzeugenaussagen abgelegt. Auf diesen fußt die von vielen Politiker gefürchtete Liste Janots. Sie enthält 320 Gesuche, die am Dienstag (14.) in elf Kartons verpackt an den Obersten Gerichtshof STFübergeben worden sind. Zu ihnen zählen 83 Anträge auf Strafermittlungen und 211 Anträge zur Übergabe von Fällen an untergeordnete Gerichte.
Die Ermittlungsanträge enthalten Indizien über passive und aktive Korruption, Geldwäsche, Betrug bei Ausschreibungen, die Bildung von Kartellen und Schwarzgeld zur Parteienfinanzierung und falsche Angaben gegenüber der Wahl-Justiz.
Eigentlich liegt die Liste unter dem Verschwiegenheitssiegel. Einige der in ihr enthaltenen Namen sind den Medien dennoch zugespielt worden. Zu ihnen gehören die Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva (PT) und Dilma Rousseff (PT), Ex-Präsidentschaftskandidat und Senator Aécio Neves (PSDB), die Senatoren José Serra (PSDB) und Renan Calheiros (PMDB).
Eng wird es auch für die derzeitige Regierung Michel Temers, der nach der Amtsenthebung Dilma Rousseffs das Präsidentschaftsamt ohne Wahlen übernommen hat. Einige von ihm benannte Minister mussten in der Vergangenheit bereits wegen einer möglichen Verwicklung in Korruptionsfälle ihren Hut nehmen.
Jetzt stehen noch einmal sechs Minister auf der Liste, allen voran Temers Kabinettschef und Freund Eliseu Padilha (PMDB). Auch die als Regierungsverbündete geltenden Präsidenten der Abgeordnetenkammer und des Senats sind dabei.
Der bei der Bevölkerung Brasiliens wenig beliebte Temer selbst soll bei den Kronzeugenaussagen ebenso mehrfach genannt worden sein. Ob es auch ein Strafermittlungsgesuch zu seiner Person gibt, ist bisher nicht bekannt geworden. Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot hat indes einen Antrag zur Veröffentlichung der Liste gestellt, aus Transparenzgründen und weil öffentliches Interesse betroffen sei.
Noch ist keiner der in Janots Liste Genannten angeklagt. Jetzt werden erst einmal Beweise gesammelt, so der Lava-Jato-Relator am Obersten Gerichtshof die Anträge zulässt. Erst nach der Beweisaufnahme wird entschieden, ob es tatsächlich zu einer Anklage kommen wird oder nicht. Für Aufregung sorgt das Dokument dennoch und einige Politikerstühle dürften gewaltig ins Wackeln geraten.
Währenddessen wird wieder über die eigentlich notwendige Politikreform diskutiert. In diese haben die Parlamentarier im vergangenen Jahr allerdings eine Klausel eingeflochten, mit der die Schwarzgeldkassen zur Parteienfinanzierung mit einer Amnestie bedacht werden sollen.
In der nun vorgelegten Janot-Liste sollen sich 30 Gesuche auf die Schwarzgeldkassen beziehen. Ob der Kongress die Amnestie durchsetzen wird, ist jedoch fraglich. Zwei Versuche Ende 2016 sind wegen der negativen Resonanz in Medien und Bevölkerung bereits gescheitert.
Präsident Michel Temer hat sich bisher nicht zur Liste geäußert. Wie gewohnt versucht er erst einmal alles auszusitzen. Sein Ziel ist es derzeit, die angekündigte Rentenreform durchzuziehen, die unter anderem eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit vorsieht.
Gegen die sind am Mittwoch Zehntausende Menschen in den Hauptstädten des Landes auf die Straßen gegangen. Die Zustimmung zu dem Projekt scheint zudem selbst in den Reihen der Regierungsverbündeten zu bröckeln. Sollte Janots-Liste tatsächlich einen Sturm im Kongress auslösen, dürfte die Verabschiedung der Reform zudem fraglich sein.