Die Situation in Brasilien spitzt sich zu. Bei Demonstrationen in der Hauptstadt Brasília ist es am Mittwoch (24.) zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen, Gegenstände wurden in Brand gesetzt, Ministerien gestürmt und 49 Menschen verletzt. Die Regierung Michel Temers hat mit dem Einsatz des Militärs geantwortet.
Zunächst hatten die Proteste, zu denen Sozialverbände und der Dachverband der Gewerkschaften aufgerufen hatten, friedlich begonnen. Als einzelne Demonstranten versucht hatten, den Polizeiriegel vor den Regierungsgebäuden zu durchbrechen, reagierten Sicherheitskräfte mit Tränengas, Gummigeschossen, Pfefferspray und dem Einsatz von Schlagstöcken.
Vermummte Personen warfen mobile Toiletten um, nutzten diese als Schutzschild. Sie setzten aber auch Räder, Telefonzellen und andere Gegenstände in Brand, bis Gruppen des “Black Bloc“ damit begannen, Gebäude der Ministerien zu stürmen. Fenster wurden eingeschlagen, Büros verwüstet und ebenso teilweise in Brand gesetzt.
Nach Angaben der Sicherheitsbehörden wurden mehrere Personen festgenommen und 49 Menschen verletzt. Darunter soll sich ein Mann mit einer Schußwunde befinden. Fernsehbilder zeigen, dass Polizisten mit gezogener Waffe Demonstranten nachgelaufen sind und geschossen haben. Untersuchungen darüber sollen eingeleitet worden sein.
Am späten Nachmittag erließ Präsident Michel Temer schließlich ein Dekret, um die öffentliche Sicherheit zu gewähren und setzte das Militär ein. Die Ministerien waren schon vorher evakuiert worden.
Nicht gerade ruhig ging es auch im Parlament zu. Seitens der Regierung wird versucht, den Eindruck eines funktionierenden Kongresses zu vermitteln. Seit Brasiliens Präsident offiziell unter Korruptionsverdacht steht und ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet wurde, bröckelt der Regierung jedoch der Rückhalt weg und wird es immer schwieriger, Entscheidungen im Kongress durchzusetzen.
Während am Mittwoch (24.) vor dem Parlamentsgebäude die Gewalt herrschte, lieferten sich die Abgeordneten im Inneren einen Schlagabtausch. Nachdem Parlamentspräsident Rodrigo Maia am Vormittag angekündigt hatte, dass er so schnell nicht über die zwölf eingereichten Anträge für ein Amtsenthebungsverfahren Temers entscheiden werde, kam es zu ersten Tumulten.
Die Opposition antwortete mit lautstarken Rufen „Fora Temer“ (Temer raus) , entrollte ein entsprechendes Transparent und forderte Neuwahlen. Immer wieder musste die Sitzung unterbrochen werden.
Nach der Bekanntgabe des Einsatzes des Militärs gegen die Demonstranten kumulierte der Streit und die Sicherheitskräfte des Parlaments mussten gerufen werden. Kritik wurde vor allem daran geübt, dass das Militär bis zum 31. Mai auf den Straßen Brasílias zugegen sein soll. Verteidigungsminister Raul Jungmann relativierte dies später und sprach davon, dass das Militär nach einer Eindämmung der Gewalt wieder abberufen werde.
Von den Organisatoren der Demonstration wurden die gewalttätigen Ausschreitungen scharf verurteilt. Sie sprechen von “infiltrierten Gruppen“.
Etwa 36.000 Menschen haben nach Polizeiangaben vor dem Kongress in Brasília demonstriert. Sie forderten den Rücktritt Temers und Neuwahlen. Die Proteste richteten sich aber auch gegen die geplanten Reformen, mit denen unter anderem das Renteneintrittsalter heraufgesetzt und die Arbeitsgesetze zu Gunsten der Unternehmer flexibilisiert werden sollen.
Demonstriert wurde ebenso in anderen Städten, wie Belo Horizonte, Salvador und Porto Alegre. In Rio de Janeiro haben sich die Proteste gegen die Regierung des Bundeslandes gerichtet, die am Mittwoch eine Erhöhung der Rentenbeiträge beschlossen hat, die gänzlich auf Kosten der öffentlichen Angestellten geht und das ohnehin schon schmale Gehalt noch weiter verringert. Auch dort ist es zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen.
Temer selbst hat sich am Mittwoch nicht zu Wort gemeldet. Für dem beim Volk unbeliebten Präsidenten wird es immer enger. In den vergangenen Tagen sind weitere Assesoren und enge Mitarbeiter Temers wegen Korruptionsverdacht festgenommen worden, etliche seiner Minister mussten bereits den Hut nehmen, gegen acht laufen Ermittlungen.