Das Oberste Wahlgericht hat Brasiliens Staatschef Michel Temer am Freitag (9.) freigesprochen. Ihm und Dilma Rousseff waren eine illegale Finanzierung ihrer gemeinsamen Wahlkampagne im Jahr 2014 vorgeworfen worden. Von den sieben Richtern wurde die erdrückende Beweislast zwar anerkannt, drei von ihnen sahen diese dennoch nicht als ausreichend an. Den Ausschlag gab Gerichtsvorsitzender Gilmar Mendes. Er hat seine Stimme für den Freispruch mit der Gewährung der Stabilität des Landes begründet.
Rousseff war 2014 als Kandidatin auf das Präsidentschaftsamt angetreten, Temer als ihr Vize. Beide haben Spenden von Großunternehmern erhalten, gegen die wegen Korruption ermittelt wird. Ein Teil der Spenden soll zudem nicht deklariert worden sein. Hätte das Gericht diese Vorwürfe anerkannt, hätten die Wahlen aufgehoben werden und Präsident Michel Temer sein Amt niederlegen müssen.
Vier Tage lang wurde am Tribunal Superior Eleitoral (TSE) teilweise hitzig debattiert. Relator Herman Benjamin konstatierte schwerwiegende Verbrechen bei der Wahlkampffinanzierung. Richter Luiz Fux rief zur Ethik und Moral im Kampf gegen die Korruption auf.
Der Vorsitzende Gilmar Mendes verwies indes auf eine „gängige Praxis“ und darauf, dass dann auch andere Wahlen annuliert werden müssten. Das Präsidentschaftsamt könne nicht ständig neu besetzt werden, wichtiger sei die Stabilität des Landes, so Mendes.
Nach dem mehrheitlichen Freispruch bleibt ein schaler Nachgeschmack und es stellt sich die Frage, ob tatsächlich alle Obersten Richter unparteiisch sind. Als Gilmar Mendes den Prozess zugelassen hatte, war Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei PT noch Präsidentin. Wenig später ist sie mit einem aufwendigen Verfahren wegen Verschönungen der Haushaltszahlen ihres Amtes enthoben worden und hat ihr Vize Michel Temer die Präsidentschaft übernommen.
Geblieben ist der Prozess. Jetzt erklärte der PT-Kritiker Mendes, dass er diesen nicht wegen einer möglichen Aufhebung der Mandate Rousseffs und Temers zugelassen hätte. Eine schlüssige Antwort für seine Entscheidung gab es hingegen nicht. Ebenso haben die von Temer erst jüngst ernannten Richter zu dessen Gunsten entschieden.
Darüber hinaus hieß es aus Regierungskreisen schon zu Prozessbeginn, dass dieser mit vier zu drei Stimmen ausgehen werde.Der mit Temer befreundete Gilmar Mendes hat ebenso vorab schon seine Position durchklingen lassen und verkündet, dass das Gericht nicht dazu da sei, politische Probleme zu lösen.
Der Prozessausgang wird ebenso zu einem Teil einer düsteren Wolke, die sich über der Anti-Korruptionbewegung zusammenbraut. Befürchtet wird ein stärkerer Gegenwind. Auch wenn offiziell die Wichtigkeit der Bekämpfung der Korruption betont wird, stehen die Signale anders.
Erst vor Kurzem hat Präsident Temer den Justizminister ausgetauscht und den Posten mit Torquato Jardim besetzt. Der steht den Lava-Jato-Ermittlungen kritisch gegenüber und hatte schon im Vorfeld angekündigt, den leitenden Direktor der Bundespolizei auszutauschen.
Dem voraus gegangen war das Bekanntwerden von Gesprächsmitschnitten zwischen JBS-Inhaber Joesley Batista und Senator Aéco Neves. Neves hatte sich darin über den zu dieser Zeit amtierenden Justizminister beklagt. Der habe die Bundespolizei nicht im Griff, sagte Neves in Anspielung auf die Lava-Jato-Ermittlungen. Mittlerweile steht Neves selbst im Mittelpunkt von Untersuchungen zu mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen, Geldwäsche und anderen Vergehen.
Eine weitere Schwächung der Korruptionsfront ist im September zu erwarten. Dann wird der Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot turnusgemäß sein Amt niederlegen. Janot ist für sein hartes Durchgreifen bekannt. Er hat die Eröffnung von Prozessen und Ermittlungen führender Politiker durchgesetzt, auch die gegen Präsident Michel Temer. Letzterer wird hingegen im September einen neuen Generalstaatsanwalt benennen, der dann für Lava-Jato verantwortlich sein wird. Dass dieser ebenso wie Janot unabhängig agieren wird, ist fraglich.
Noch kann sich Temer allerdings nicht ganz in Sicherheit wiegen. Nach immer wieder neu auftauchenden Skandalen bröckelt es an der Basis, werden die Rufe nach einem Rücktritt lauter. Zur Last gelegt werden ihm Gesprächsmitschnitte, in denen er Schweigegeldzahlungen an den inhaftierten ehemaligen Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha gut heißt.
Ermittelt wird gegen ihn ebenso wegen mutmaßlicher Schmiergeldzahlungen durch den Fleischkonzern JBS. Mit dessen Jet hat sich Präsident Temer samt Familie laut den neuesten Vorwürfen im Januar in den Urlaub fliegen lassen.
Bisher redet sich der ehemalige Vize Dilma Rousseffs heraus und stellt sich stur. Er beende seine Präsidentschaft erst am 31. Dezember, dem Ende der normalen Amtsperiode, wird er nicht müde zu wiederholen, während die Bevölkerung längst Neuwahlen und seinen Rücktritt fordert.