Mit Panzerwagen, Hubschrauber und beinahe 5.000 Soldaten und Polizisten ist am Samstag in Rio de Janeiro ein Großeinsatz im Favela-Komplex Lins durchgeführt worden. Wegen der hohen Zahl an Lastwagen-Diebstählen, Kämpfen der Drogenbanden und der Gewaltwelle hat Präsident Michel Temer vergangene Woche den Einsatz des Militärs bewilligt. Das soll jetzt für Ordnung und Sicherheit sorgen.
Gegen vier Uhr morgens haben Armee und Sicherheitskräfte bereits Stellung rund um den Favela-Komplex Lins bezogen. Straßen wurden gesperrt und die Fahrgäste der Linienbusse kontrolliert. Soldaten und Polizisten haben sich in angrenzenden Waldbereichen positioniert, um Flüchtenden den Weg abzuschneiden.
Über dem Komplex, zu dem mehrere Armenviertel zählen, sind Hubschrauber gekreist. Mehrere Hausdurchsuchungen und 40 Haftbefehle sollten ausgeführt werden. Gekommen ist es ebenso zu Schußwechseln, bei denen zwei Menschen ums Leben kamen.
Beendet wurde der Großeinsatz erst am frühen Abend. Ausgeführt wurden jedoch nur 15 Festnahmen der vorgesehenen 40. Weitere drei Personen wurden in flagranti verhaftet und zwei Jugendliche abgeführt. Auch die Suche nach Waffen und Drogen hat nicht wirklich das erwünschte Ziel erreicht.
Bei den Durchsuchungen sind lediglich drei Pistolen, zwei Granaten, vier Funksender, 16 Autos und ein Motorrad beschlagnahmt worden.
Justizminister Torquato Jardim spricht dennoch von einem Erfolg. Die Aktionen würden den “Mythos vom mächtigen, organisierten Verbrechen“ beenden und das Ergebnis sei größer als Zahlen, sagte Jardim bei einer Pressekonferenz.
Auch darin, dass keine Schnellschußgewehre wie angestrebt sicher gestellt werden konnten, sah Jardim kein Problem. Wenn sie heute nicht beschlagnahmt würden, dann an einem anderen Tag, so der Minister.
In den vergangenen Monaten haben sich die Schlagzeilen über Gewalttaten überschlagen. Kämpfe rivalisierender Drogenbanden und auch zwischen Dealer und Polizisten haben immer wieder in verschiedenen Teilen der Stadt zu intensen Schußwechseln geführt. Bei denen sind ebenso unbeteiligte Männer, Frauen und Kinder durch Querschläger ums Leben gekommen.
Der App „Fogo Cruzado“ von Amnesty International zufolge, wurden in Rio de Janeiro vom 1. Januar bis zum 30. Juni täglich mindestens ein Schußwechsel registriert. Die tatsächlichen Zahlen liegen wesentlich höher. Allein im Juni soll es im Bundesstaat Rio de Janeiro zu 650 Schießereien gekommen sein.
Daten des Institutes für öffentliche Sicherheit (ISP) belegen eine Zunahme der durch Gewalt ums Leben gekommenen Menschen. 2016 sind in dem Bundesstaat 6.248 Menschen getötet worden. Erreicht wurde damit der höchste Index seit sieben Jahren. Im ersten Vierteljahr 2017 ist allerdings eine weitere Zunahme um 26 Prozent verzeichnet worden.
Registriert wurden in Rio de Janeiro im vergangenen Jahr insgesamt über 800.000 Verbrechen. Damit kommt es alle 39 Sekunden zu einem Überfall, Raub oder anderen Verbrechen. Dazu gehören auch die Diebstähle von Lastwagen. Auch die haben zugenommen. Zwischen 2000 und 2016 haben sie sich verdreifacht.
Laut den ISP-Daten aus diesem Jahr kommt es täglich zu 24 Lastwagen-Diebstählen, jede Stunde einer. Wie es heißt, soll mit dem Raub von Frachtgut der Kauf von Schwerstwaffen finanziert werden.
Dass die Gewalttaten zugenommen haben, wird mit mehreren Faktoren begründet. Dazu beigetragen haben auch die Sparmaßnahmen der Regierung Brasiliens sowie des Bundesstaates und des Munizips.
Wie lange das Militär in Rio de Janeiro im Einsatz sein wird, ist offen. Auch über die Dauer der Präsenz der Soldaten im Favela-Komplex Lins, wollte sich Justizminister Jardim nicht festlegen.