Für Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva wird es eng. Der Oberste Gerichtshof STF hat am Mittwoch einen vorläufigen “habeas corpus“ verweigert. Damit rückt ein Haftantritt des bereits in zweiter Instanz wegen Korruption und Geldwäsche verurteilten Ex-Präsidentes immer näher.
Noch ist es allerdings offen, wann und ob Lula tatsächlich ins Gefängnis kommt. Mit der STF-Entscheidung liegt es jetzt wieder in der Hand des TRF-Gericht (Tribunal Regional Federal da 4. Região) sowie an Lava-Jato-Richter Sérgio Moro. Letzterer ist für seine harte Linie bei Korruptionsprozessen bekannt. Noch können Lulas Anwälte jedoch Einsprüche gegen abgelehnte Einsprüche einlegen.
Lula war im Januar in zweiter Instanz zu zwölf Jahren und einem Monat Haft verurteilt worden. Die Gerichte sahen es als erwiesen an, dass der Ex-Präsident vom Bauriesen OAS Schmiergeld in Form einer Luxuswohnung in Guarujá erhalten und dem Konzern im Gegenzug dem Unternehmen zu Verträgen mit dem halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras verholfen hat.
Jetzt sollte der Oberste Gerichtshof (STF) entscheiden, ob Lula die Haftstrafe antreten muss oder er mit Hilfe eines “habeas corpus“ auf freiem Fuß bleiben kann.
Das STF hatte 2016 entschieden, dass eine verhängte Strafe schon nach einer Verurteilung in zweiter Instanz angetreten werden kann. Bis dahin war es durchaus möglich dem zu entkommen und bis zur Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten frei zu bleiben.
Wer sich Spitzenanwälte leisten konnte, hatte gute Chancen, trotz einer Verurteilung eine Haft aufzuschieben. Mit etwas Glück war das Verbrechen dann auch verjährt, bis sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft waren.
Oberster Richter Luís Roberto Barroso hat in seiner Begründung zur Ablehnung des “habeas corpus“ genau dies aufgeführt und auf eine Zwei-Klassen-Justiz verwiesen. Es sei leichter, dass ein Jugendlicher wegen 100 Gramm Mariuhana eingesperrt werde, als einen öffentlichen Angestellten oder Politiker, der Millionen öffentlicher Mittel abgezweigt hat, hinter Gitter zu bringen, so Barroso.
Gilmar Mendes berief sich hingegen auf mögliche Fehler der Justiz. Einem Verurteilten sollte deshalb das Recht gewährt werden, erst nach der letzten Instanz seine Strafe antreten zu müssen.
Die Entscheidung des STF am Mittwoch war keineswegs einhellig. Von den elf Richtern haben sich fünf zu Gunsten Lulas ausgesprochen und fünf dagegen. Die entscheidende Stimme kam von STF-Präsidentin Cármen Lúcia, die ebenso einen „habeas corpus“ negiert hat.
Ähnlich geteilt ist auch die juristische Ebene Brasiliens. Während von der Staatsanwaltschaft im Vorfeld 4.000 Unterschriften gegen einen Haftaufschub gesammelt wurden, haben sich 3.600 Verteidiger dafür ausgesprochen.
Der Riß zieht sich auch durch die Bevölkerung. Während der elfstündigen Gerichtssitzung ist es in mehreren Städten Brasiliens zu Protesten gekommen, sowohl für als auch gegen Lula.
Der hat sich nicht nur wegen der Luxuswohnung in Guarujá vor Gericht zu verantworten, sondern ebenso wegen eines ländlichen Anwesens. Das soll ebenso als Schmiergeldzahlung gedient haben. Lula selbst spricht von einer politischen Verfolgung, Willkür und mangelnden Beweisen.
In der Hand der Justiz liegt auch noch, ob Lula nun bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober antreten kann oder nicht. Laut Umfragen hat er nach wie vor große Chancen, gewählt zu werden. Allerdings könnte ihm wegen der Verurteilung in zweiter Instanz eine Kandidatur verwehrt werden.