Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat die ihm von Richter Sérgio Moro gestellte Frist verstreichen lassen und sich nicht freiwillig der Polizei gestellt. Jetzt droht ihm die Festnahme. Wie diese geschehen soll, hat er mit der Bundespolizei noch am Freitag (6.) ausgehandelt. Einzelheiten wurden aus Sicherheitsgründen nicht verlautbart.
Angeheizt hat Lula mit seinem Verhalten Proteste. In 24 Bundesstaaten sind Anhänger des charismatischen Politikers auf die Straßen gegangen. Auf etlichen Zufahrts- und Bundesstraßen wurden mit brennenden Reifen und Ästen Sperren errichtet. Hunderte Menschen sind in Rio de Janeiro für Lula marschiert. Kleiner sind die Proteste gegen ihn ausgefallen. Sie sind in fünf Bundesstaaten registriert worden.
In São Bernado do Campo haben sich die Menschenmassen rund um das Gebäude der Metallergewerkschaft versammelt, in dem sich der in zweiter Instanz verurteilte Lula seit Donnerstagabend aufhält. Sie versprechen, eine schützende Menschenkette zu bilden, um eine Verhaftung zu vermeiden.
“Lula livre“ war auf den Plakaten zu lesen. Ob er aber auf freiem Fuß bleiben wird, ist fraglich. Seine Anwälte berufen sich auf den durch die Konstitution gewährten Grundsatz, dass er so lange als unschuldig gilt, bis sämtliche rechtlichen Instanzen durchlaufen sind.
Beim Obersten Gerichtshof Brasiliens haben sie weitere “habeas corpus“ beantragt. Auch an den UN-Menschenrechtsausschuß in Genf haben sie sich gewandt, um eine einstweilige Verfügung zu erreichen.
Nach dem Verstreichen der Frist für den freiwilligen Haftantritt hat es zunächst spannende Minuten gegeben. Theoretisch hätte die Bundespolizei lediglich bis 18 Uhr Lula verhaften können. Laut brasilianischem Gesetz dürfen zwischen 18 Uhr und Sonnenaufgang keine Festnahmen an Wohnort oder Arbeitsplatz durchgeführt werden. Befürchtet wurden jedoch Ausschreitungen durch die Demonstranten vor dem Gewerkschaftsgebäude.
Später wurde bekannt, dass der 72-Jährige am Samstag (7.) um 9:30 Uhr an einem Gedenkgottesdienst für seine im Februar 2017 verstorbene Frau Marisa Letícia teilnehmen will. Sie wäre an dem Tag 68 Jahre alt geworden. So wie es aussieht, wird ihm dies gewährt werden.
Ähnlich wie andere wegen Korruption zu Haft verurteilte Spitzenpolitiker hat offensichtlich auch Lula vorübergehend mit dem Gedanken gespielt, aus gesundheitlichen Gründen einen Aufschub zu erreichen. Zumindest gab es von seinem Arzt den Hinweis, dass sein Blutdruck hoch sei. Angefordert hatte er sogar einen Defibrillator.
Dann zeigte er sich doch wieder am Fenster, winkte und ließ verlautbaren, dass er bei einer Verhaftung keinen Widerstand leisten werde.
Ob bei einer Verhaftung am Samstag tatsächlich gefürchtete Gewaltausschreitungen vermieden werden können, muss sich zeigen. Donnerstagnacht ist ein Gegner von Befürwortern schwer verletzt worden.
Eine Frau wurde am Freitag bei einer Straßensperre angeschossen. In Belo Horizonte haben Vermummte ein Mehrfamilienhaus mit roter Farbe beworfen, in dem die Präsidentin des Obersten Gerichtshofes STF, Cármen Lúcia, eine Wohnung hat. Mit Parolen beschmiert wurde auch das Staatsministerium.