E-Commerce boomt in Brasilien trotz wirtschaftlicher Rezession

Brasilien war lange Zeit das Beispiel schlechthin für einen Emerging Market. Rasantes Wachstum und optimistische Wirtschaftsprognosen sorgten im vergangenen Jahrzehnt dafür, dass viele Unternehmen der Industrieländer ihren Blick nach Südamerika richteten. Ein prominentes Beispiel für den Einstieg einer bekannten deutschen Firma in den brasilianischen Markt ist die Otto-Gruppe, die ihre Ware seit 2012 auch in Brasilien vertreibt. Auf internationaler Ebene sind es Global Player wie Amazon, die ihre Online-Präsenz in Brasilien ausweiten.

Dabei geht es der brasilianischen Wirtschaft zurzeit alles andere als gut. Seit der Regierungskrise infolge des Sturzes von Dilma Rousseff ist Brasilien in eine starke Rezession gerutscht, die auch vom neuen Präsidenten Michel Temer bisher nicht gestoppt werden konnte. Zwar wurde sein Amtsantritt im Jahr 2016 von einem vorsichtigen Wind des Optimismus umweht. Doch die weiterhin drastisch sinkenden Raten des Bruttoinlandsproduktes sprechen für sich. Inwieweit ist nun der E-Commerce von dieser Entwicklung betroffen und welche Hoffnungen hält das Geschäft der Online-Händler für die brasilianische Wirtschaft bereit?

Online-Handel auf die brasilianische Art

Prinzipiell ist der E-Commerce in Brasilien auf dem Vormarsch. Das wird eindrucksvoll von den Wachstumsraten der brasilianischen Online-Umsätze untermauert. Brasilien ist mittlerweile der zehntstärkste E-Commerce-Markt weltweit. Es scheint so, als würden die Online-Geschäfte vorerst von der wirtschaftlichen Rezession verschont bleiben. Woran könnte das liegen?

Da wären zum einen die Internet-Gewohnheiten der Brasilianer zu beachten. Ihre ohnehin schon gesellige südamerikanische Art wird durch das Surfen im Netz noch verstärkt. Sie sind auf Social-Media-Seiten sehr aktiv und werden dort von Online-Händlern gezielt angesprochen – mit Erfolg. Fast ein Drittel der brasilianischen Facebook-Nutzer gibt den von ihnen bevorzugten Einzelhändlern angeblich auch online ein „Like“. So fällt es den Unternehmen leichter, Kaufentscheidungen im Internet anzuregen und zu festigen.

Ein anderer Aspekt, der den Erfolg des E-Commerce in Brasilien zumindest teilweise erklärt, sind die lokalen Bedingungen, die dem Handel obliegen. Der berühmt-berüchtigte „Costo Brasil“ ist eine treffende Namensschöpfung für alle strukturellen, bürokratischen und ökonomischen Hindernisse, die Investitionen und Geschäfte in Brasilien erschweren. Vor allem die hohen inländischen Steuern sorgen dafür, dass die Brasilianer internationale Online-Plattformen den lokalen Einzelhändlern vorziehen.

Die Dynamik des Online-Handels muss in Brasilien aber auch mit Hinblick auf sein frühes Stadium verstanden werden. Natürlich gibt es für junge Online-Märkte mehr Entwicklungspotenzial, da weder die Kundenreichweite noch die Marktsättigung voll ausgeschöpft sind. Bisher wird vor allem Kleidung stark nachgefragt, aber auch Kosmetik- und Drogerieartikel sind beliebt. Das können einfache Medikamente sein, aber auch Luxusprodukte, wie sie der Parfümhersteller Valentino in verschiedenen Online-Shops wie zum Beispiel easyCOSMETIC anbietet.

Kontroverse soziale Hintergründe des Online-Booms

Was sagt der andauernde Erfolg des Online-Handels nun über die brasilianische Wirtschaft aus? Längerfristig könnte er dazu beitragen, mehr ausländische Investitionen in das Land zu locken. Diese Hoffnung steht allerdings auf wackeligen Stützen, da die E-Commerce-Händler gerade davon profitieren, dass sie die hohen lokalen Steuern umgehen und als multinationale Konzerne die Profite ins Ausland lenken können. Die Statistiken lassen eine starke Kaufkraft der Brasilianer vermuten. Es ist jedoch anzunehmen, dass es hauptsächlich die in den 2000er Jahren stärker gewordene Mittelschicht ist, die sich Online-Einkäufe leisten kann. Die Ratenzahlung wird immer noch stark nachgefragt, was das teils prekäre Lohnniveau veranschaulicht. Ausserdem sollte man bedenken, dass die Schere zwischen Arm und Reich in Brasilien immer grösser wird und dass es vor allem die Bewohner der einkommensstarken Südstaaten sind, die über die nötigen finanziellen Mittel einer Online-Shoppingtour verfügen.

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Aus unserer Redaktion · Bildquelle: Edilson Rodrigues/Agência Senado

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