Nur knapp fünf Monate im Amt steht Brasiliens rechtspopulistischer Präsident Jair Bolsonaro ersten Massenprotesten gegenüber. In über 200 Städten Brasiliens sind tausende Studenten, Schüler, Lehrer und Professoren auf die Straßen gegangen, um gegen Kürzungen im Bildungswesen zu demonstrieren. Vom Präsidenten wurden sie dafür als “nützliche Idioten“ bezeichnet.
In Rio de Janeiro haben sich etwa 150.000 Studenten, Schüler Lehrer, Professoren und Sympathisanten versammelt, um gegen Streichungen und das Einfrieren eines Teiles des Haushaltsbudgets der Universitäten zu demonstrieren. In São Paulo sind nach Angaben der Organisatoren 250.000 Menschen auf die Straßen gegangen. Auch in Fortaleza, Recife und anderen Metropolen Brasiliens haben die Proteste Massen angezogen.
Protestiert wurde in über 220 Städten der 26 Bundesstaaten des Landes. Angeheizt wurden die Demonstrationen noch durch die Kommentare Jair Bolsonaros. Der befand sich zum Zeitpunkt der Demonstrationen nicht in Brasilien, sondern in den USA. Während sich in seinem Land die Kritik an der Bildungspolitik und den Kürzungen zuspitzt, wird Bolsonaro in Dallas am Donnerstag (16.) von der Handelskammer Brasilien-USA zum “einflussreichsten Mann des Jahres“ ernannt werden.
In Dallas angesprochen auf die Demonstrationen in Brasilien, bezeichnete Bolsonaro die Studenten als “nützliche Idioten“ und “Schwachköpfe“, die sich als Manövriermasse benutzen liessen. Die Mehrheit der Protestanten seien Militante, die nichts im Kopf hätten. Kurz nach Bekanntwerden dieser Aussagen, zog es noch mehr Studenten auf die Straßen.
Gleichzeitig fand im Kongress eine Befragung des Bildungsministers Abraham Weintraub statt. Die war angesichts der jüngsten Ankündigungen Weintraubs mehrheitlich von den Abgeordneten beschlossen worden. Sie nutzten die Gelegenheit ebenso zur Kritk und forderten statt ideologisch geprägten Entscheidungen tatsächliche Aktionen und einen Dialog zur Verbesserung des mangelhaften Bildungssystems Brasiliens.
Dass dieses zu Wünschen übrig lässt, hat Bolsonaro ebenso erwähnt. Bei den Pisa-Studien liegt das südamerikanische Land auf den hinteren Plätzen. Brasiliens Regierung kämpft derzeit allerdings aufgrund der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung mit einem neuen Defizit. In den vergangenen Monaten ist die Arbeitslosenrate auf 13 Prozent gestiegen während die Steuereinnahmen erheblich gesunken sind.
Um die laufenden Kosten wie die Sozialhilfe Bolsa Família abdecken zu können, sind kurzerhand in verschiedenen Bereichen Teile der Budgets eingefroren worden. Getroffen hat es dabei ebenso die staatlichen Schulen und Universitäten. Er wolle keine Kürzungen, aber sie seien notwendig, rechtfertigte Bolsonaro in Dallas die Maßnahmen.
Von den staatlichen Universitäten hat das Bildungsministerium ohne jegliche Vorankündigung 24,84 Prozent des für nicht obligatorische Kosten vorgesehenen Budgets blockiert. In diese Kategorie fällt neben Ausgaben für Basismaterial, Strom und Wasser ebenso die Durchführung von Studien.
Abgesehen davon haben die Universitäten schon in den vergangenen Jahren Streichungen erlitten. Darüber hinaus wurde von der vorhergehenden Regierung des Ex-Präsidenten Michel Temer das Niveau der Bildungsausgaben für die nächsten 20 Jahre eingefroren.
Die jetzt vorgenommene Blockade von 24,84 Prozent des Etats für nicht obligatorische Kosten der Universitäten könnte aber auch als Druckmittel zur Durchsetzung der dringend notwendigen Rentenreform verstanden werden. Werde diese sowie andere Reformen erfolgreich verabschiedet und die Wirtschaft wieder angekurbelt, könnten die Blockaden überdacht und wieder aufgehoben werden, so Weintraub.
Den Etat-Blockaden vorausgegangen sind weitere polemische Ankündigungen des Bildungsministers. Er werde die Budgets der Universitäten kürzen, die “Rummel“ machen. Darunter fallen Schlamperei, unwichtige Wissensinhalte und ideologische Inhalte, wie aus seinen Aussagen hervorgeht.
Gleich drei Universitäten sind von Weintraub in diese Kategorie eingestuft worden, die Univesität Bahia (UFBA), Universität Fluminense (UFF) und die Universität Brasília (UnB). Die Universität Brasília soll im Vorfeld Debatten mit politischen Gegnern veranstaltet haben. Kurz später hieß es dann, dass Studiengänge der Humanwissenschaften, wie Soziologie oder Philosophie weniger Finanzmittel erhalten sollen, weil diese nicht produktiv seien.
In einem über Twitter verbreiteten Video verteidigt Weintraub Veränderungen der Schwerpunkte. Für jeden Studenten an einer Universität könne er weitere zehn Plätze in Kinderkrippen schaffen, so Weintraub, der die Basiserziehung stärker fördern will.