Vor dem Museu de Arte de São Paulo (Masp) bilden sich derzeit ellenlange Warteschlangen. Der Grund für dieses seltene Ereignis ist eine Ausstellung mit Werken der Künstlerin Tarsila do Amaral.
Aber nicht nur vor dem Museum harren die Menschen stundenlang aus, bis sie an der Reihe sind. Gewartet wird auch in den Ausstellungssälen, und das vor allem vor dem Bild “Abaporu“, das die Brasilianerin 1928 gemalt hat.
Es zieht die Besucher magisch an. Um zu verhindern, dass ihm die Fans zu nahe kommen, wurde eigens eine Museumsmitarbeiterin abgeordnet, die ohne unterlass neben dem Werk steht. Das hängt normalerweise im Museo de Arte Latinoamericano in Buenos Aires. Für die Ausstellung “Tarsila Popular“ wurde es aber eigens eingeflogen.
Es ist eins der 92 Werke aus der Hand der 1973 verstorbenen Künstlerin, das noch bis zum Sonntag (28.) im Museum für Moderne Kunst in São Paulo zu sehen ist.
Die Ausstellung schlägt schon jetzt Rekorde. Am Dienstag (23.) haben sich die Menschenmassen bereits um 6 Uhr morgens lange Schlangen gebildet, um auf die Öffnung des Museums zu warten. Der Strom ist bis in die Nacht hinein nicht abgerissen. Über sechs Stunden musste teilweise auf den Einlass gewartet werden.
Dienstags ist im Masp der Eintritt kostenlos. Aber auch an den Zahltagen reisst das Interesse nicht ab. Seit April sind über 350.000 Besucher gezählt worden. Erreicht wurde dies im Kunstmuseum bisher lediglich mit einer Monet-Ausstellung in den 1990er Jahren. Sie zog 400.000 Besucher an.
Die 1886 geborene Tarsila do Amaral gilt als eine der bedeutendsten Künstlerinnen der Moderne. In Brasilien hat sie schon zu Lebzeiten mit ihren Bildern für Aufsehen gesorgt. Sie und ihr Mann, der Poet Oswald de Andrade, stehen für das “Movimento Antropofágico“.
Antropofagia ist ein kannibalischer Akt. Die Idee des “Movimento Antropofágico“ war, andere Kulturen aufzunehmen, sie aber nicht zu kopieren, sondern mit den Traditionen zu brechen und neue Wege zu gehen.
Das berühmteste Bild Tarsila do Amarals trägt den Titel Abaporu (1928), das in den indigenen Sprachen Tupi-Guarani ebenso Menschenfresser bedeutet. Es zeigt einen vor Kakteen sitzenden Menschen, dessen Arme und Beine gigantisch sind, um die körperliche Arbeit der Epoche zu symbolisieren.
Sein winziger Kopf steht hingegen für die damals weniger geschätzte geistige Arbeit. Was gefragt war, war die Arbeitskraft und nicht das Denken.