Einmal mehr hat Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro die Coronaviruspandemie heruntergespielt, von einem “Gripplein“ (“gripezinha“) gesprochen, den Medien Panikmache unterstellt und ein Zurück zur “Normalität“ gefordert. Dieses Mal war es in einer brasilienweit ausgestrahlten Ansprache zur Coronaviruskrise. Die ist von der Bevölkerung umgehend mit lautstarkem Töpfeschlagen quittiert worden. Auch unter Politikern und Spezialisten des Gesundheitswesens hat sie Empörung und scharfe Kritik ausgelöst.
In seiner nationalen Ansprache hat sich Bolsonaro gegen die Empfehlungen von Experten und Gesundheitsbehörden Brasiliens und der Welt zur Einschränkung der Verbreitung des Virus gestellt. Unter anderem verurteilte er den Aufruf, soweit möglich, das Haus nicht zu erlassen.
Auch stellte er Schulschließungen in Frage, da es nur bei wenigen Covid-19-Patienten unter 40 Jahren einen schweren Verlauf gebe. 90 Prozent würden überhaupt keine Symptome spüren, so Bolsonaro. Von Gouverneuren und Präfekten forderte er, die in einigen Bundesstaaten verhängten Erlässe zur Massenquarantäne, Geschäftsschließungen und Einreiseverbote aus anderen Regionen aufzuheben.
“Das Virus ist angekommen, wird von uns durchgestanden und wird bald vergehen. Unser Leben muss weitergehen. Arbeitsplätze müssen erhalten werden. Der Lebensunterhalt der Familien muss erhalten werden. Wir müssen zur Normalität zurückkehren“, sagte Bolsonaro. In seinem Fall müsste er sich nicht sorgen, würde er angesteckt. Im höchsten Fall wäre es bei ihm wie ein “Gripplein“.
Dem entgegen riet er dennoch dazu Ansteckungen zu vermeiden, besonders der Eltern und Großeltern, sowie den Empfehlungen des Gesundheitsministeriums zu folgen. Denen hat Bolsonaro selbst indes wenig Folge geleistet. Nach seiner Rückkehr von einem Treffen mit US-Präsident Donald Trump waren mehrere Mitglieder seines Komitees auf Covid-19 positiv getestet worden. Bolsonaro hätte deshalb eigentlich in Isolation bleiben sollen. Stattdessen hat er sich Demonstranten eines Pro-Regierung-Protestes angeschlossen und mit diesen für Selfies posiert.
Die Ansprache Bolsonaros wurde umgehend hart kritisiert. Senatspräsident Davi Alcolumbre, der sich wegen einer Covid-19-Ansteckung in Quarantäne befindet, sagte es sei nicht der richtige Moment Presse und andere Staatsrepräsentanten anzugreifen.
Das Land benötige vielmehr eine ernsthafte, verantwortungsvolle und mit dem Leben und der Gesundheit der Bevölkerung engagierte Führung. Andere sprachen von einer Verhöhnung der Covid-19-Patienten, die in Intensivstationen um ihr Leben kämpfen und der Angehörigen der Todesopfer.
Nach Daten des Gesundheitsministeriums sind in Brasilien 2.201 Covid-19-Fälle registriert. 46 Menschen sind bereits verstorben.