Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat ein vom Kongress vorgelegtes Gesetz zur Maskenpflicht in ganz Brasilien unterzeichnet. Allerdings hat er etliche Vetos eingelegt und das Gesetz aufgeweicht. So wird es kein Bußgeld bei Zuwiderhandlung geben. Abgelehnt hat er ebenso eine bundesweite Propaganda zum Tragen eines Mundschutzes.
Während sich Mediziner und auch die Kongressmitglieder einig sind, dass das Tragen von Masken die Ausbreitung des Coronavirus einschränkt, scheint Brasiliens Präsident nichts davon zu halten. Er selbst ist mehrfach in der Öffentlichkeit ohne Maske erschienen und musste von einem Gericht zum Tragen eines Mundschutzes verurteilt werden.
Jetzt hat er auch wichtige Punkte aus dem vom Kongress verabschiedeten Maskenpflichtgesetz gestrichen, weil diese in die Privatsphäre eingreifen würden, wie es zur Begründung hieß. Gestrichen hat er unter anderem eine Maskenpflicht in Kirchen, in Geschäften, der Industrie, in Schulen, an Universitäten und bei Versammlungen in Räumen. Arbeitgeber und der Staat müssen ihre Mitarbeiter nicht mit einem Mundschutz versorgen und auch die ärmere Bevölkerungsgruppe erhalten keine kostenlosen Masken, wie ursprünglich vorgesehen.
Die Maskenpflicht gilt damit nur noch im öffentlichen Nahverkehr, Taxis und auf Straßen und Plätzen.
Von Spezialisten und Politikern werden die Vetos Bolsonaros heftig kritisiert. Sie hatten eine einheitliche Regelung für ganz Brasilien erwartet. Stattdessen gelten weiterhin die von den einzelnen Bundesstaaten und Munizipen erlassenen Regeln. Befürchtet wird, dass das nun von Bolsonaro abgeflachte Maskenpflichtgesetz bei der Bevölkerung zu einer Verunsicherung und in der Konsequenz zu einem Verzicht auf den Mundschutz führen könnte.
Um doch noch eine einheitliche und umfassende Regelung zu erreichen, wurde beim Obersten Gerichtshof STF bereits ein entsprechender Antrag gestellt, mit dem die Vetos Bolsonaros aufgehoben werden sollen. Noch kann auch der Kongress selbst die Einsprüche des Präsidenten abweisen. Bis dahin wird jedoch wertvolle Zeit verstreichen.
Weiterhin stark steigende Zahlen von Neuinfektionen und Todesfällen
Nach den jüngsten Daten des Gesundheitsministeriums gibt es weiterhin keine Abflachung der Coronavirus-Kurve. Bis zum Samstag (4.) sind in Brasilien bereits 1,57 Millionen Menschen positiv getestet worden – und das bei einer nach wie vor geringen Testrate.
Täglich werden derzeit zudem über tausend Covid-Tote registriert. Die Gesamtzahl der an den Folgen von Covid-19 verstorbenen Menschen ist inzwischen auf 64.265 angestiegen.
Die Todesfälle haben sich dabei im Juni von 29.937 auf 59.594 beinahe verdoppelt. Bei der Zahl der auf Covid-19 positiv Getesteten hat es in 30 Tagen beinahe eine Verdreifachung gegeben. Sie ist im Juni von etwa einer halben Million auf knapp 1,4 Millionen gestiegen.
Allein in der vergangenen Woche (28. Juni bis 4. Juli) sind 263.337 Neuinfektionen und 7.195 Covid-Tote registriert worden. Von über 3.000 unter Covid-19-Verdacht verstorbenen Patienten steht indes das Testergebnis noch aus.
Hohe Zuwächse von Neuinfektonen werden in allen Regionen des Landes verzeichnet. Das Coronavirus ist in über 80 Prozent der Munizipe und damit fast flächendeckend präsent. Verschoben haben sich hingegen die Brennpunkte.
Während die Zahl der Neuinfektionen im Bundesstaat Amazonas in den vergangenen Tagen weniger stark gestiegen ist, steht die Gesundheitsversorgung in Mato Grosso angesichts der hohen Zahl von schweren Covid-Fällen vor dem Zusammenbruch. Covid-Patienten müssen teilweise mehrere Tage auf einen Platz auf der Intensivstation warten.
In Bahia ist mittlerweile vor allem das Hinterland betroffen. Die Belegung der Krankenhausbetten beträgt dort nach offiziellen Angaben bereits 80 Prozent. Im Großraum von Belo Horizonte (Bundesstaat Minas Gerais) wird sie mit 87 Prozent angegeben.
In den Bundesstaaten São Paulo und Rio de Janeiro gibt es hingegen weitere Lockerungen der Quarantänemaßnahmen. In den Hauptstädten der beiden Bundesstaaten scheinen die Zuwächse zwar zu stagnieren, in verschiedenen Munizipen steigen sie hingegen stark an. Die südbrasilianische Stadt Porto Alegre ist nach vorausgegangenen Flexibilisierungen wegen eines erneuten Anstiegs von Covid-Fällen wieder zurückgerudert.
Von der WHO heißt es dennoch, dass es noch nicht zu spät sei, die Pandemie in Brasilien in den Griff zu bekommen.