Brasília, 01. November 2007
Die Abteilung für die Gesundheitsversorgung der Ureinwohner der staatlichen brasilianischen Gesundheitsbehörde Funasa hat die Geiselnahme von eigenen Mitarbeitern und fremden Helfern durch einen Indianerstamm verteidigt. Der Abteilungsleiter der Behörde, Flávio Nunes, erklärte am gestrigen Mittwoch, dass die 11 Personen, die sich seit dem 17. Oktober in der Gewalt eines schwer zugänglichen Indianerdorfes im Nationalpark Xingu an der Grenze der Bundesstaaten Mato Grosso und Pará befanden, nun freigelassen wurden und wohlauf sind.
“Wir verteidigen sie [die Geiselnahme], ja, aber wir verteidigen nicht die Gewalt. In keinem Moment kam es zu Gewaltanwendung, aber es war eine Form, die Aufmerksamkeit der Regierung und des brasilianischen Volkes auf sich zu ziehen, wie es um die Gesundheitsversorgung der indigenen Bevölkerung bestellt ist“ erklärte Nunes im Rahmen einer Pressekonferenz.
Es ist das zweite Mal seit Beginn des Vorfalls, welcher durch die Entlassung eines lokalen Leiters der Gesundheitsbehörde in der Region ausgelöst wurde, dass die Freilassung mitgeteilt wurde. Bereits am 26. Oktober hat der Direktor der Fachabteilung in einem live ausgestrahltem Radiointerview erklärt, dass das Problem gelöst sei und der Leiter wieder eingesetzt wurde. Die geforderte Freilassung der Geiseln erfolgte danach allerdings nicht.
Die Indianer der Region bemängeln in erster Linie die schlechte Infrastruktur bei der Gesundheitsversorgung. Selbst leben sie jedoch weitgehend abgeschottet von der Aussenwelt inmitten des amazonischen Regenwaldes und sind weder per Boot noch per Flugzeug zu erreichen. Staatliche und private Helfer müssen daher lange Fussmärsche durch den nicht ungefährlichen Dschungel in Kauf nehmen, um das Dorf zu erreichen.
Für Nunes ist die Geiselnahme eine Form des Protestes, da die indigene Bevölkerung grundsätzlich nur ein geringes Mitspracherecht bei Versammlungen über die soziale Kontrolle des Landes hat. Über die komplette Anzahl von widerrechtlich festgehaltenen und entführten Mitarbeitern der staatlichen Gesundheitsbehörde in diesem Jahr konnte oder wollte er auch auf Nachfrage keine Angaben machen.
Wie in vielen Fällen zuvor werden die Strafverfolgungsbehörden auch diesmal die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft ziehen. In der brasilianischen Bevölkerung wächst dabei ständig der Unmut über die Aktionen der Indianer. Denn macht ein “normaler Brasilianer“ in dieser Form auf Probleme der Gesundheitsversorgung in seiner Heimatstadt aufmerksam, darf er mit mehreren Jahren Gefängnis rechnen.
Ob solche Aktionen also tatsächlich helfen, ist daher äusserst fraglich. Für einen Grossteil der Brasilianer fordern die indigenen Gruppen mittlerweile immer nur mehr Rechte und finanzielle Hilfen für sich ein, ohne sich im Gegensatz in den Staat zu integrieren, Steuern zu zahlen oder die Gesetze einzuhalten. Das Verständnis für die indianische Bevölkerung in Brasilien sinkt daher kontinuierlich.
Dietmar Lang für BrasilienPortal