Dourados, 07. Januar 2008
Im Jahr 2007 ist die Zahl der gewaltsam ums Leben gekommenen Ureinwohner in Brasilien erneut gestiegen. Wie der Missionsrat für Indianerfragen der katholischen Kirche mitteilte, wurden im vergangenen Jahr 76 Indios bei Landstreitigkeiten ermordet. Dies entspricht einer Erhöhung von 58 Prozent gegenüber 2006.
Die meisten Morde geschahen im Bundesstaat Mato Grosso do Sul, wo 48 Indios getötet wurden. Der Missionsrat spricht in der Region, wo mehr als 63.000 Ureinwohner leben, schon von gezieltem Genozid.
Auch die brasilianische Gesundheitsbehörde Funasa spricht von einem massiven Anstieg der Todesfälle. In Mato Grosso do Sul wurden deren Angaben zufolge von Januar bis Oktober 2007 insgesamt 35 Indios ermordet, im gesamten Jahr 2006 wurden nur 14 Fälle bekannt. Der Anstiegt um 150 Prozent geht jedoch nicht nur auf Landstreitigkeiten zurück, auch Morde in Zusammenhang mit Drogen- und Alkoholkonsum wurden registriert.
Im Reservat von Dourados wurde hierbei knapp die Hälfte aller gewaltsamen Todesfälle registriert. Die Mordrate liegt dort hochgerechnet bei 120 von 100.000 Einwohnern und damit doppelt so hoch wie in Rio de Janeiro, wo auf 100.000 Einwohner 57 Morde kommen.
Im Reservat, welches mit einer Fläche von 3.500 Hektar im Jahr 1917 mit 500 Bewohnern gegründet wurde, leben heute 12.500 Ureinwohner. Die grössten Dörfer liegen hier fast an der Stadtgrenze von Dourados, der mit rund 190.000 Einwohnern zweitgrössten Stadt des Bundesstaates.
Traurige Berühmtheit erlangte das Reservat weltweit im Jahr 2005, als dort mindestens 36 Kinder der Ethnie guarani kaiowa an Unterernährung starben. Seitdem werden dort regelmässig Lebensmittelpakete verteilt, medizinische Routineuntersuchungen überwachen den Gesundheitszustand der Bewohner. Doch in der nahe gelegenen Stadt locken auch Alkohol und Drogen. Denn die Indios haben wenig zu tun. Im ganzen Reservat gibt es keine Möglichkeiten, Wild zu jagen oder Fische zu fangen. Mittlerweile ist es selbstverständlich, dass die Ureinwohner ihre Dörfer verlassen um Zuckerrohr zu schlagen oder auf den Strassen von Dourados zu betteln.
Viele Guarani-Indianer kommen zudem mit dem immer grösser werdenden Einfluss der Zivilisation nicht zurecht. Die Selbstmordrate hat sich in den vergangenen Jahren auf erschreckende Weise erhöht. Wie die brasilianische Gesundheitsbehörde Funasa ebenfalls veröffentlichte, haben sich im vergangenen Jahr 35 Indios das Leben genommen, viele davon im Alter von 15 bis 19 Jahren. In Brasilien kommen durchschnittlich 5,7 Suizide auf 100.000 Einwohner. Bei den Guarani wählt einer von eintausend den Freitod.
Dietmar Lang für BrasilienPortal