Dourados, 17. Februar 2008
Die nationale Indianerbehörde Funai will die Adoption von indigenen Kindern reformieren. Damit steht ein Bruch der bestehenden Traditionen bevor. Denn zukünftig sollen die Minderjährigen von Personen der eigenen Gemeinschaft adoptiert werden können. In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der indigenen Kinder, die auf den offiziellen Adoptionslisten stehen, stets gestiegen. Trauriger Hintergrund ist die Suche der brasilianischen Ureinwohner nach verbesserten Lebensbedingungen, die sie veranlasst, ihre Reservate zu verlassen.
Zuvor hatten sie versucht, in ihren zugewiesenen Gebieten von der Landwirtschaft zu leben, haben jedoch oftmals nicht genügend Anbauflächen. Daher lassen sie sich auf der Suche nach Arbeit an den Rändern der Städte nieder, wie z.B. in Dourados in Mato Grosso do Sul.
Dort werden dann oft unterernährte oder verlassene Kinder von den Behörden aufgegriffen und – wie es das Gesetz vorsieht – in Heimen untergebracht. Das grösste Problem ist hierbei jedoch nicht das Zusammentreffen von indigenen und nicht-indigenen Kindern, vielmehr sind die langen Prozesse zur Reintegration in die angestammten Familien ein Dorn im Auge der Funai.
In Dourados werden Kinder, die Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt wurden oder von ihren Eltern verlassen oder verstossen wurden vom örtlichen Vormundschaftsgericht in eines der vier Heime der Stadt untergebracht. Dies gilt für Kinder indigener Abstammung gleichermassen. Nach 60 Tagen werden sie dann dem Jugendamt unterstellt und kommen auf die Liste der Adoptionen.
Hier ist es für die Verantwortlichen der Funai extrem wichtig, dass die Kinder durch eine Adoption nicht die Bindung an ihre Kultur, ihrem Volk oder auch ihrer Dorfgemeinschaft verlieren. Eine Adoption durch eine weisse Familie provoziert nach Aussage der Behörde einen riesigen kulturellen Schock, der unbedingt verhindert werden muss.
Vielmehr wird derzeit geprüft, inwiefern diese Kinder wieder in ihre angestammten Gemeinschaften zurückkehren können, um weiterhin die Kultur und die Traditionen ihres Volkes zu erlernen. Und die Möglichkeit der Adoption durch die Indiofamilien in den Reservaten ist durchaus gegeben. Dort existieren Familien mit über 100 Personen, manche haben über 25 Kinder.
Laut der regionalen Niederlassung der Behörde wurden im vergangenen Jahr zwanzig Kinder wieder in Dorfgemeinschaften integriert. Ein halbes Jahr werden sie dann noch von Mitarbeitern der Funai betreut und beim Integrationsprozess begleitet. Und aufgrund dieser grossen Erfolge plant die Indianerbehörde nun ein eigenes Heim innerhalb der Siedlungen. Dort sollen die Kinder 15 Tage lang in vertrauter Umgebung leben, bevor die Behörde im Dorf nach Familien sucht, die interessiert sind, eines dieser verlassenen und verstossenen Kinder zu adoptieren.
Dietmar Lang für BrasilienPortal