Brasília, 09. Mai 2008
Zukünftig ist es dem brasilianischen Militär erlaubt, in Indianerschutzgebieten in Grenznähe Truppen zu stationieren. Ein von Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva unterzeichnetes Dekret unterstützt damit den Plan der nationalen Verteidigungskräfte in Brasilien zur Verstärkung der militärischen Präsenz an den Aussengrenzen.
Die Militärposten sollen an strategischen Punkten besonders in unmittelbarer Nähe zu den Nachbarstaaten Venezuela, Kolumbien, Peru und Bolivien eingerichtet werden. Im Vorfeld kam es bei der Ankündigung der Truppenstationierung zu zahlreichen Protesten seitens indigener Völker und verschiedener nationaler und internationaler Organisationen. Diese forderten ein Mitbestimmungsrecht der Ureinwohner. Die Streitkräfte müssten die entsprechenden Ethnien um Erlaubnis bitten, die Gebiete betreten zu dürfen, so die Gegner einer Stationierung.
Das nun unterzeichnete Dekret wurde Anfang dieser Woche bei einem Treffen von Präsident Lula mit Verteidigungsminister Nelson Jobim und Justizminister Tarso Genro vereinbart. Es ersetzt ein anderes, welches bislang die Zustimmung des nationalen Verteidigungsrates und der Indianerbehörde Funai verlangt. Laut Jobim, der am Donnerstag in Rio de Janeiro an einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des zweiten Weltkrieges teilnahm, soll das Militär jedoch zuerst einen genauen Plan bezüglich der Erweitung der Militärpräsenz in den Grenzregionen vorlegen. Danach werde das Dekret exakt daraufhin angepasst.
Der Verteidigungsminister verteidigte die Anwesenheit des Militärs in den betroffenen Indianerreservaten. “Ich sag es ganz deutlich: indigenes Land ist brasilianisches Land. Es ist vereinbar mit der nationalen Souveränität. Es ist Teil der brasilianischen Nation. Es gibt keine indigene Nation. Es gibt Brasilianer die Indios sind.“
Staatspräsident Lula äusserte sich am Abend ebenfalls zum Thema der Demarkation indigener Zonen in Grenznähe. “Wer hat jemals gehört, dass unsere Indios das Land verlassen haben, weil sie Gefahr liefen, ihre Souveränität zu verlieren, und nur weil viele von ihnen in der Nähe der Grenze leben?“ Das Staatsoberhaupt kritisierte zudem, dass viele Menschen dagegen seien, ohne überhaupt umfassende Informationen vorliegen zu haben. Die Indios hätten zudem bei manchen Vorfällen in der brasilianischen Geschichte, als es noch kein Militär gab, selbst die Grenzen des Landes verteidigt.
Am Abend erklärte auch die Gouverneurin des Bundesstaates Pará ihre Zustimmung zu dem Präsidentschaftsdekret. Für sie ist die neue Verordnung alleine schon daher sinnvoll, weil in den Naturschutzgebieten oft Konflikte schwellen, die das Militär nun besser reduzieren kann. Auch den dort lebenden Ureinwohnern käme dies entgegen. Indigene Gruppen wollten schliesslich nicht ausgegrenzt sondern integriert werden, da sie sich als Brasilianer fühlen würden.
Umgesetzt kann das Gesetz aufgrund der rechtlichen Situation der Indianerreservate werden. Offiziell sind diese Flächen Eigentum des Staates und nicht der dort lebenden Gemeinschaften. Deshalb haben staatliche Organe ungehinderten Zugang und können – wie jetzt das Militär – entsprechende Einrichtungen errichten. Auf Privatbesitz ist dies hingegen gemäss der brasilianischen Verfassung nicht möglich.
Dietmar Lang für BrasilienPortal