Berlin, 07. März 2012 PRESSEMITTEILUNG SURVIVAL INTERNATIONAL
Ein australischer Fernsehbericht wurde das erste Ziel einer neuen Kampagne von Survival International gegen rassistische Darstellungen indigener Völker im Fernsehen. Der Bericht stellt die Angehörigen eines indigenen Volkes aus dem Amazonas-Gebiet als Kindermörder dar, die einen „Selbstmordkult“ aus der „Steinzeit“ praktizieren würden und die „schlimmsten Menschenrechtsverletzer“ der Welt seien.
Ziel der „Freakshow-TV“-Kampagne ist, Darstellungen indigener Völker als „primitive, rückständige Wilden“ herauszufordern.
Der Bericht wurde in Australiens Channel 7 Sunday Night Show übertragen und zeigt den ‚Abenteurer‘ Paul Raffaele und Reporter Tim Noonan zu Besuch bei den Suruwaha-Indianern in Brasilien.
Die Suruwaha wurden bereits in der Vergangenheit von fundamentalistischen Missionaren ins Visier genommen, als diese fälschlicherweise behaupteten, die Suruwaha würden regelmäßig Neugeborene töten. Evangelikale Missionare drängen Brasiliens Kongress, ein Gesetz zu erwirken, das erlauben würde, indigene Kinder von ihren Familien zu entfernen.
Die Indianer gaben dem Channel 7-Team Zugang zu ihrem Gebiet, nachdem Herr Raffaele ankündigte, er wolle einen „positiven Bericht“ filmen.
Der Bericht hat starke Kontroverse ausgelöst. Survival Internationals Direktor verurteilte ihn als einen der „verzerrtesten, irreführendsten und ekelhaftesten, den wir je gesehen haben“.
Die Suruwaha werden als ein „wahrer Selbstmordkult“ und „Steinzeit-Volk“ beschrieben, das „in der Zeit verloren“ ist. Das indigene Volk würde „den Mord behinderter Kinder … in der grausamsten Form fördern“ und „arme, kleine, unschuldige Babies in den Dschungel bringen, damit sie dort von wilden Tieren gefressen werden“. Sie seien für „eine der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen der Welt“ verantwortlich.
Auf der Internetseite des Berichtes werden öffentlich Spenden für eine evangelikale Organisation gesammelt, die mit der indianerfeindlichen Kampagne in Verbindung steht.
Survival hat an Channel 7 geschrieben, um auf die vielen Irrtümer und Verfälschungen des Berichtes hinzuweisen. Der Sender hat jegliche Vorwürfe zurückgewiesen. Jetzt hat Australiens Rundfunk-Regulierungsbehörde ACMA eine förmliche Untersuchung eingeleitet.
Paul Raffaele ist ehemaliger Autor des Smithsonian Magazine und löste wegen eines ähnlichen Berichtes in 2006 bereits Kontroverse aus. Damals behauptete er in einem Bericht für den australischen Sender Channel 9, dass ein Papua-Junge in Gefahr war, von seinem Volk gegessen zu werden. Raffaele bezeichnete das Volk als „Steinzeit-Kannibalen“. Die Sendung wurde weitgehend von Experten kritisiert. Herr Raffaele gab Angaben zufolge später zu, sogar das Volk des Jungen falsch identifiziert zu haben.
Survival hat an Yahoo! in Australien geschrieben, das in einer Partnerschaft mit Channel 7 steht, und gebeten, den Bericht von seiner Internetseite dringend zu entfernen. Die Anfrage blieb unbeantwortet.
Survival Internationals Direktor Stephen Corry sagte heute: „Das ist „Freakshow-TV“ in seiner schlimmsten Form. Mit derselben Verachtung des kolonialen 19. Jahrhunderts für den ‚primitiven Wilden‘ werden die Indianer als grausame und unmenschliche Monster dargestellt. Es soll dasselbe auswirken – andeuten, dass sie keine Rechte verdienen. Der Gedanke, dass so ein Unsinn indigenen Kindern helfen soll, ist atemberaubend.“
Survival International hat einen Verhaltenskodex für Dreharbeiten verfasst, um Filmemacher dabei zu unterstützen, verantwortungsvoll mit indigenen Völkern zu arbeiten. Survival nutzt ebenfalls seine „Sag Nein zur Steinzeit!“-Kampagne, um rassistische Darstellungen herauszufordern, die, auch unwissentlich, in den Medien erscheinen.