Nachdem sie über Jahrhunderte einem Kontakt mit anderen Personen widerstanden haben – sogar solchen aus ihrem eigenen Volk – haben drei Indios “Awá-Guajá“, die bisher isoliert im Indio-Territorium (IT) Caru, im Westen des Bundesstaates Maranhão, lebten, ihre Isolation aufgegeben und anderen, sesshaften Mitgliedern ihres Volkes eine Annäherung erlaubt – dann folgten sie ihnen in ihr Dorf, wo die sesshaften Awá seit längerer Zeit leben und mit dem Kontakt zu Nicht-Indios vertraut sind.
Wie der regionale Koordinator der FUNAI (Indio-Schutzorganisation) von Maranhão, Daniel Cunha de Carvalho, berichtet, handelt es sich um zwei Frauen und einen halbwüchsigen Jungen derselben Familie (Mutter, Sohn und Grossmutter), die alleine angetroffen wurden. Am Sonntag (28.12.2014) entdeckten Indios des Dorfes diese Familie bei der Nahrungssuche in der Nähe des Dorfes Tiracambu. Die näheren Umstände des Zusammentreffens sind noch nicht bekannt, aber es ist möglich, dass die beiden Frauen nach der Annäherung eine verwandtschaftliche Beziehung zum einen oder anderen Teilnehmer dieser Begegnung feststellten und ihnen deshalb in ihr Dorf folgten.
Dieses Geschehnis ist so ungewöhnlich, dass die FUNAI die Ferien ihres verantwortlichen “Koordinators für isolierte und neu kontaktierte Indios unterbrach, damit dieser von Brasília nach Maranhão fliege. Eine Angestellte der regionalen Koordination der FUNAI, die ebenfalls in den Ferien war, musste zurück zu ihrem Arbeitsplatz, und reiste am Montag (29) zum Indio-Reservat, um sich ebenfalls ein Bild von der Situation zu machen.
“Dies ist ein seltener Fall, besonders durch die Tatsache, dass jene Gruppen jahrhundertelang isoliert gelebt und sogar einen Kontakt mit den Angehörigen ihres eigenen Volkes verweigert haben. Anfangs dachten wir, dass irgend etwas Schlimmes passiert wäre – wie zum Beispiel ein Gesundheitsproblem oder ein Zusammenstoss mit Holzfällern, die illegal innerhalb des IT agieren – und dass es sich um einen Hilferuf handele“, sagte die Koordinatorin.
Nach Aussage des Koordinators Carvalho sind die beiden Frauen und der Junge in guter Verfassung. Die FUNAI veranlasste sofort die nötigen Massnahmen zum Schutz von isolierten Indios, die besonders empfänglich für eine eventuelle Ansteckung mit Krankheiten sind, gegen die ihr Körper keine Abwehrstoffe besitzt. Carvalho versicherte, dass eine Equipe der “Indigenen Gesundheits-Organisation“ (Sesai) des Gesundheitsministeriums, bereits zum Reservat gereist sei.
Die Missionarin des “Conselho Indigenista Missionário” (Cimi), Rosana, die seit fast 25 Jahren mit den sesshaften “Awá-Guajá“ arbeitet, sagte, dass sie “sehr erstaunt“ sei, über das Geschehen. Wie sie weiter berichtet, hatte sie von “ ihren Indios“ schon seit längerer Zeit gehört, dass sie Anzeichen von isoliert lebenden Indios entdeckt hätten. Diese Begegnung ist die zweite, innerhalb von einem Jahrzehnt, die sich spontan zwischen zwei Gruppen ergeben hat.
Der andere Fall liegt etwa zehn Jahre zurück – damals fanden Awá-Guajás eines Dorfes, im IT Awá, eine Frau und ihren Sohn, der heute fast erwachsen ist, in einer primitiven Hütte. Diese Beiden leben heute in ihrem Dorf, aber, so sagt Rosana, die Frau hält sich abseits und spricht nur wenig.
Daniel Carvalho und Rosana Diniz glauben, dass es nicht die natürliche Neugier der Awá-Guajá gewesen ist, mit der man erklären kann, dass plötzlich isolierte Indios ihre Gruppe verlassen, um sich allein einer anderen Gruppe zu nähern. Für beide steht fest, dass die Ursache bei der Degradierung des Regenwaldes durch die illegalen Holzfäller zu suchen ist, die selbst die gesetzlich garantierten Indio-Territorien nicht respektieren und mit ihren Aktionen den internen Zusammenhalt indigener Gruppen zerstören. So erklären sie sich das Zusammentreffen am 28.12.2014.
“Bis heute waren alle Kontakte zwischen einzelnen indigenen Gruppen die Folge einer Zerstörung ihres Territoriums durch Nicht-Indios“, empört sich Rosana. Und der regionale Koordinator der FUNAI ergänzt: “Die gesamte Region leidet unter der Waldzerstörung. Es liegt in der Tradition der Awá-Guajá, wie auch in der anderer Indios, ihr Jagd- und Sammelterritorium abzugrenzen. Die Gegenwart der Holzfäller, ihre illegalen Aktionen und der Druck, den sie auf die Indios ausüben, führt dazu, dass besonders isolierte Gruppen ihre territorialen Referenzen verlieren, und ohne andere Mittel zum Überleben, nähern sie sich immer mehr den Dörfern von sesshaften Gruppen“.
Der brasilianische Staat hat das Territorium der Awá-Guajá seit Jahrzehnten anerkannt. Trotzdem geht die illegale Waldzerstörung weiter und ist Gegenstand kontinuierlicher Denunzierungen durch ambientale und indigene Organisationen, sowie durch die Staatsanwaltschaft. Letztere hat nun die Obere Bundesjustiz gebeten, die IBAMA (Naturschutz-Organisation) und die FUNAI zu verurteilen, Kontrollposten zu installieren, die verhindern sollen, dass im Innern der drei ITs der Region (Alto Turiaçu, Awá-Guajá und Caru) Wald abgeholzt wird. Der Richter hat eine Frist von 120 Tagen festgesetzt, innerhalb derer die entsprechenden Staatsorgane die angeordneten Massnahmen auszuführen hatten, um einen effektiven Schutz jener Areale zu garantieren. Wie die Staatsanwaltschaft bekannt gab, wurden diese Auflagen nicht erfüllt.
Unter den drei indigenen Reservaten ist das IT Caru am schutzlosesten. Aus diesem Grund lockt es auch die meisten Holzfäller an. Das IT wurde 1980 von der FUNAI demarkiert und anerkannt, nachdem es vom Gurupi-Waldreservat abgetrennt worden war, aus dem auch das IT Alto Turiaçu entstand. Miteinander verbunden, bilden die beiden Reservate (Caru und Turiaçu), zusammen mit dem IT Awá – letzteres anerkannt von der Landesregierung im Jahr 2005 – einen Komplex indigener Territorien, die vor allem von Indios Awá-Guajá bewohnt werden – jedoch unter ihnen auch Indios vom Volk der “Ka’apor“ und der “Guajajara“.