Zum ersten Mal in der Geschichte Brasiliens sind gleich drei indigene Frauen in die Abgeordnetenkammer des Landes gewählt worden. Unter ihnen ist Sônia Guajajara, die vom Magazin Times bereits zu einer der einhundert einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt gewählt worden ist. Zweite im Bunde ist Célia Xadriabá. Wie Guajajara hat auch sie schon die indigenen Völker bei den UN-Klimaverhandlungen COP vertreten. Ebenso den Sprung ins Abgeordnetenhaus geschafft haben es die der Familie Bolsonaro nahe stehende Silvia Waiãpi und Juliana Cardoso von der Arbeiterpartei PT.
Vor allem die politische Lage und die anti-indigene Politik Jair Bolsonaros haben die Urvölker des Landes einen Rekord aufstellen lassen. Noch nie haben sich so viele indigene Männer und Frauen als Kandidaten zur Wahl gestellt, wie dieses Jahr. Insgesamt sind 186 Indios angetreten, die meisten von ihnen für einen Sitz im Abgeordnetenhaus. Dahinter stand unter anderem die Idee “Wenn wir es nicht schaffen, unsere Rechte von Außen durchzusetzen, werden wir es von Innen versuchen“.
Der indigene Dachverband Articulação dos Povos Indígenas do Brasil (APIB) hatte dazu eigens ein Projekt aufgelegt, das mit “Campanha Indígena 2022“ betitelt war. Obwohl die Frauen mit 45 Prozent der Kandidaturen dabei in der Minderheit waren, werden sie ab Januar die einzigen Vertreter ihrer Völker im brasilianischen Kongress sein.
Die indigenen Völker feiern vor allem die Wahl von Célia Xadriabá und Sônia Guajajara. Guajajara ist im Bundesstaat São Paulo mit 156.695 Stimmen ins Abgeordnetenhaus gewählt worden. Sie will die Stimmen der Urvölker in die politische Debatte einbringen, wie sie sagt. Sie steht aber auch für den Schutz der Regenwälder und der Minderheiten.
Als Aktivistin setzt sie sich seit über 20 Jahren für die Urvölker und den Natur- und Klimaschutz ein. Vertreten ist sie zudem beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. Bei den Wahlen 2018 war sie als erste Indigene überhaupt als Vize-Präsidentin des Präsidentschaftskandidaten Guilherme Boulos nominiert. Sônia Guajajara kam 1974 im Indio-Territorium Araribóia in Maranhão zur Welt. Ihr Dorf hat sie zum ersten Mal mit 15 Jahren verlassen, um in Minas Gerais zu studieren.
Im Bundesstaat Minas Gerais wurde Célia Xakriabá mit 101.078 Stimmen in die Abgeordnetenkammer gewählt. Geboren wurde die erst 32-Jährige in Itacarambi im Indio-Territorium Xakriabá. Sie hat einen Mastertitel in Nachhaltiger Entwicklung und arbeitet derzeit an ihrer Doktorarbeit in Anthropologie. 2015 wurde sie mit nur 25 Jahren eingeladen, im Sekretariat für Erziehung und Bildung des Bundesstaates Minas Gerais mitzuwirken. Eingesetzt hat sie sich dabei unter anderem für den Erhalt der indigenen Sprachen.
Anders als ihre Kolleginnen gilt Silvia Waiãpi nicht als offizielle Vertreterin eines der indigenen Völker oder eines Verbandes der Indigenen. Silvia Waiãpi kam 1976 in einem Indiodorf im Bundesstaat Amapá zur Welt, wuchs aber ab 4 Jahren als Adoptivkind in der Stadt Macapá auf. Waiãpi ist ausgebildete Physiotherapeutin und sie war die erste indigene Soldatin Brasiliens mit einem Leutnantstitel.
2019 wurde sie im Gesundheitsministerium der Bolsonaro-Regierung zur Sekretärin der Gesundheit der Indigenen ernannt. Bei offiziellen Vereinigungen der indigenen Völker, wie der Apib, stieß dies auf harte Kritik, weil sie sich vor den Karren einer anti-indigenen Politik Jair Bolsonaros hat spannen lassen, so der Vorwurf. Silvia Waiãpi gilt als Bolsonaristin. Unterstützt wird sie von der ultrakonservativen Ex-Familienministern Bolsonaros Damares Alves. Silvia Waiãpi wurde mit 5.435 Stimmen im Bundesstaat Amapá zur Bundesabgeordneten gewählt.
Ebenso indigener Abstammung ist Juliana Cardoso. Geboren wurde die 42-Jährige im Großraum der Megametropole São Paulos. 2008 wurde sie zum ersten Mal in den Stadtrat São Paulos gewählt. In dem ist sie immer noch für die Arbeiterpartei PT tätig. Ihr Schwerpunkt ist die Durchsetzung der Rechte von Kindern, Jugendlichen und Frauen.
In São Paulo hat sie sich unter anderem für ein Programm für die natürliche Geburt eingesetzt und ein Gesetz zur Gründung des Rates der indigenen Völker des Munizips. Wie Guajajara zieht auch sie als Abgeordnete São Paulos in den Kongress. Erhalten hat sie 125.517 Stimmen.
Joenia Wapichana hat 11.221 Stimmen erhalten. Die haben dieses Mal allerdings nicht für einen Sitz im Abgeordnetenhaus ausgereicht. Sie war 2018 im Bundesstaat Roraima als erste inidgene Frau überhaupt in die Abgeordnetenkammer Brasiliens gewählt worden. Auch wenn sie mit dem Jahreswechsel nicht mehr im brasilianischen Kongress vertreten sein wird, hat sie sich trotzdem über das Wahlergebnis vom Sonntag (2. Oktober) gefreut.
“Ich freue mich und bin stolz, dass Sônia Guajajara und Célia Xacriabá gewählt wurden, zwei indigene Frauen, die die Arbeit im Kongress fortsetzen werden“, schrieb sie in einem Post in Instagram.