Zum Tod des Indigenenführer Paulo Marubo

Der Indigenenführer Paulo Marubo koordinierte fast ein Jahrzehnt lang die Union der Völker des Javari-Tals (Univaja), in Amazonien, und gründete das Univaja-Überwachungsteam (EVU). Er starb am 03.02.2024 in Manaus an den Komplikationen einer Hepatitis.

Einer der größten indigenen Anführer im Amazonasgebiet, der ehemalige Koordinator der Union der Völker des Javari-Tals (Univaja), Paulo Dollis Barbosa da Silva oder Paulo Marubo, ist am 03.02.2024 in der Stiftung für Tropenmedizin Doctor Heitor Vieira Dourado in Manaus, Amazonas, gestorben.

Paulo Marubo – Foto: Alberto Cesar Araujo – Acervo AmazoniaReal 2016

Paulo Marubo war 44 Jahre alt und kämpfte gegen eine chronische Hepatitis, die aus „verschiedenen Epidemien und epidemiologischen Ausbrüchen resultierte, und hatte ein multiples Organversagen“, so die Koordination der indigenen Organisationen des brasilianischen Amazonasgebietes (Coiab).

Die Familienmitglieder planen, den Leichnam des Anführers in die Gemeinde Atalaia do Norte (1.137 Kilometer von Manaus entfernt) zu bringen, wo sich das indigene Land “Vale do Javari“ befindet.

Paulo Marubo befand sich seit dem 30. Januar im Krankenhaus für Tropenmedizin. Er litt seit vielen Jahren an Hepatitis, einer der Krankheiten, unter denen die indigene Bevölkerung des Javari-Tals am meisten leidet. Die indigene Bevölkerung der Region beklagt seit Jahrzehnten, dass fast die gesamte Bevölkerung des Gebiets von dieser Krankheit betroffen ist, und fordert Maßnahmen zur Eindämmung der Ansteckung.

Bevor er ins Hospital Tropical eingeliefert wurde, verbrachte Paulo Marubo zwei Tage im “Hospital de Pronto-Socorro 28 de Agosto“, ebenfalls in Manaus. Er war aus der Gemeinde Tabatinga (AM) in Alto Solimões verlegt worden. Paulos Bruder appellierte seine Verlegung nach Manaus zu beschleunigen, als er sich bereits in einer kritischen Situation befand.

In einer in seinem sozialen Netzwerk veröffentlichten Erklärung äußerte sich Coiab zum Tod des indigenen Anführers. „Coiab ist zutiefst betrübt über den Tod von Paulo Marubo, einem Anführer des indigenen Landes “Vale do Javari“ in Amazonas.“

Coiab erinnerte daran, dass Paulo Marubo als Lehrer im Indigenen Land Vale do Javari arbeitete und der allgemeine Koordinator von Univaja war, „der zur Umsetzung wichtiger Projekte zum territorialen Schutz des Indigenen Landes beitrug und damit die Voraussetzungen dafür schuf, dass der Wald und die dort lebenden Menschen weiter bestehen können“.

Der Rechtsbeauftragte der “Univaja“, Eliésio Marubo, der Neffe von Paulo, bedauerte den Tod des Führers. „Paulo Marubo kam aus einer politischen Schule, die mit den Prinzipien unserer Tradition übereinstimmte. Er schuf einen neuen Weg für “Univaja“, um zu arbeiten und sich den Herausforderungen unserer Region zu stellen, und er hinterlässt uns mit viel Schmerz in unseren Herzen“, klagte er.

„Unsere Region trauert, unsere Region verliert viel mit jemandem, der sehr wichtig für die kollektiven Interessen unserer Region war“, sagte er in einer Audioübertragung in den sozialen Medien.

Paulo Marubo, dessen Name in der Sprache seines Volkes “Kenampa“ lautete, wurde im Dorf Maronal am Ufer des Curuçá-Flusses im indigenen Land Vale do Javari geboren, einem Ort, an den er regelmäßig zurückkehrte, obwohl er aufgrund seiner Arbeit in der indigenen Bewegung, zu deren prominentesten Vertretern gehörte und in Atalaia do Norte lebte.

Fast ein Jahrzehnt lang leitete er die “Univaja“ und beteiligte sich an der Suche nach dem Indigenen Bruno Pereira und dem britischen Journalisten Dom Phillips, die beide am 5. Juni 2022 im Javari-Tal verschwanden. Sie wurden brutal ermordet, weil sie das Eindringen Fremder in indigenes Gebiet angeprangert hatten.

Neben den Komplikationen, die durch die Hepatitis verursacht wurden, wurde Paulo Marubo auch bedroht, weil er das Eindringen in das indigene Gebiet anprangerte. Als Koordinator von “Univaja“ und einer der wichtigsten Anführer des Javari-Tals prangerte Paulo Marubo mehrere Übergriffe von illegalen Fischern, Jägern und Bergarbeitern an.

Die Nationale Stiftung für Indigene Völker (FUNAI) trauerte um Paulo Marubo und betonte, dass der indigene Anführer angesichts seines unermüdlichen Einsatzes für die indigenen Völker des Javari-Tals ein Vermächtnis des Kampfes hinterlässt. „FUNAI drückt ihr tiefes Bedauern über den Verlust aus und ist in diesem Moment der Trauer solidarisch mit der Familie, den Freunden und dem Volk von Marubo“, heißt es in einem Auszug aus der Mitteilung, die auf der Website der Agentur veröffentlicht wurde.

Der indigene Führer Kora Kanamari sagte, dass Paulo Marubo einer der Verantwortlichen für den Wiederaufbau der indigenen Bewegung im Javari-Tal war. „Er wurde im Zentrum des indigenen Landes geboren und in seinem Dorf zum Lehrer ausgebildet. Er schloss sich der Bewegung in einer Zeit der Krise an“. Kora zufolge war Paulo „ein Held“, weil er das Vertrauen der Menschen im Javari-Tal zurückgewonnen hat.

„Er organisierte Partnerschaften und stärkte die Politik für die Rechte der Menschen im Javari-Tal. Auf seine bescheidene Art und Weise ist “Univaja“ heute dank Paulo gestärkt“, sagt Kora, der Koordinator des besonderen indigenen Gesundheitsbezirks “Dsei-Vale do Javari“ ist.

Invasionswarnungen

Im Dezember 2018, als der FUNAI-Stützpunkt auf den Flüssen Ituí und Itacoaí von Eindringlingen und Fischern mit Waffengewalt angegriffen wurde, hatte Paulo Marubo bereits vor dem Vormarsch der Gewalt in dem Gebiet gewarnt und gesagt, dass sich die Situation mit der jüngsten Wahl von Jair Bolsonaro (PL) zum Präsidenten des Landes verschlechtern könnte.

In einem Interview mit Amazônia Real sagte er seinerzeit:
„Was wir hier in Atalaia do Norte in Gesprächen in Geschäften, auf den Plätzen und in den Straßen gehört haben, ist, dass die FUNAI jetzt zu Ende geht. So haben sie es ausgedrückt. Sie sagen, dass der neue Präsident grünes Licht für die Invasoren gegeben hat, dass die FUNAI abgeschafft wird. So argumentieren sie immer wieder. All dieses Gerede des Präsidenten schwächt die Eingeborenen und die Situation der isolierten Menschen wird immer besorgniserregender.“

Er warnte auch davor, dass die Aktionen der Eindringlinge auf andere indigene Gebiete übergreifen könnten und das aufgrund der Größe des indigenen Landes Vale do Javari.

„Diese Typen [Eindringlinge] sind darauf aus, zu töten. Sie sind besser bewaffnet. Vielleicht wird es wieder passieren und niemand wird es merken. Oder sie werden sagen, dass es nicht passiert ist“, sagte Paulo Marubo.

Aufgrund seines Mutes hat er zahlreiche Morddrohungen erhalten und in den letzten Jahren versucht, seine körperliche Unversehrtheit zu schützen und auf seine Gesundheit zu achten. Der Marubo-Führer war auch besorgt über die Anwesenheit von Missionaren in isolierten indigenen Gebieten, eine Tatsache, die er 2019 sogar anprangerte.

Die Sicherheit der isolierten Gruppen war eines von Paulos Hauptanliegen. Im Jahr 2016, als die ethnisch-ökologischen Fronten unter der Regierung Michel Temer (MDB) geschwächt wurden, meldete er sich ebenfalls zu Wort.

„Unser indigenes Land ist eine der wenigen Hochburgen in der Welt, die eine große Konzentration von isolierten Indigenen beherbergt, die von der realen Möglichkeit der Schließung der FUNAI-Schutzbasen innerhalb des indigenen Landes Vale do Javari aufgrund fehlender finanzieller und personeller Ressourcen bedroht sind“, sagte er.

Der Anwalt Eliesio Marubo betonte, dass sein Onkel ein Vermächtnis hinterlässt, eine Schule von bedeutenden Führungspersönlichkeiten, die sich für die indigenen Völker des Javari-Tals eingesetzt haben. „Paulo Marubo wird für uns alle immer eine äußerst wichtige Persönlichkeit sein, und wir glauben, dass wir uns eines Tages auf anderen himmlischen Ebenen treffen werden. Wir werden seinen Lehren treu bleiben“, sagte Eliésio.

„Er hatte die Klugheit, “Univaja“ ins Leben zu rufen. Wenn “Univaja“ heute auf nationaler und internationaler Ebene bekannt ist, so ist dies vor allem auf die politische Kraft zurückzuführen, die Paulo geschaffen hat. Er war es, der die Intelligenz hatte, eine Vertretung in Brasilien zu schaffen. Er gab mir die Kraft, in der ganzen Welt über “Univaja“ zu sprechen. Er war ein Held für uns“, sagte Beto Marubo in einer Erklärung, die von “Coiab“ veröffentlicht wurde.

Original: Leanderson Lima, AmazoniaReal
Adaption/deutsche Übersetzung: Klaus D. Günther

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