Rio de Janeiro, 28. Februar 2006
Während Beija-Flor von den Sambaschulen in der ersten Nacht der Paraden in Rio de Janeiro als erneuter Titelanwärter gilt, rissen gestern vor allem Mangueira mit einem perfekten Umzug und Unidos da Tijuca durch die gewagten Neuerungen die Zuschauer zu Begeisterungsstürmen hin. Der Abend begann mit der Sambaschule Porto da Pedra, die in ihrer Parade die brasilianischen Frauen ehrte.
Der allegorische Wagen der “Mütter Brasiliens“, auf dem die Mutter Cazuzas der Star sein sollte, blieb allerdings mit einer Panne noch vor dem Eintritt in die Avenida liegen und sorgte für ein Überschreiten der Höchstzeit. Die traditionelle Schule Estação Primeira de Mangueira, stolze Besitzerin von 18 Titeln, zeigte sich danach von ihrer besten Seite mit einem perfekten Umzug zum Thema des Rio São Francisco. Fast ausschliesslich in Grün und Rosa in allen Schattierungen, den Farben der Schule, kamen die luxuriösen Kostüme der 5.000 Teilnehmer in glitzernden Spezialstoffen daher. Positiv fiel auch die Eröffnungskommission Mangueiras auf, die nach einer Choreographie von Carlinhos de Jesus ein wahres Verwandlungstheater aufführte.
Auch die folgende Schule, Unidos do Viradouro, zählte auf die professionelle Hilfe einer bekannten Choreographin, Deborah Colker, die für die Eröffnungskommission verantwortlich war. Die Parade über die Architektur Brasiliens zeigte einen Abriss durch die Geschichte der Konstruktionen, angefangen bei den Índiohütten bis hin zu den berühmten Bauten des Stararchitekten Oscar Niemeyer. Auch die typischen Backsteinkonstruktionen der Favelas, die immer mehr die Stadtbilder bestimmen, fehlten nicht. Die vierte Schule, Mocidade Independente de Padre Miguel, zeigte in ihrem Umzug über die 50jährige Geschichte der eigenen Schule universelle Werte wie Fröhlichkeit, Frieden, Gesundheit und Gleichgewicht. Doch Mocidade begeisterte mehr durch ihre starke Percussiongruppe als durch das Thema.
Die Eröffnungskommission wurde von der berühmtesten Bailarina Brasiliens, Ana Botafogo, choreographiert. Euphorie löste dann die Parade der fünften Schule, Unidos da Tijuca, aus, die einen kreativen Höhenflug durch die Musik vorstellte. Mozart durfte da ebenso wenig fehlen wie die brasilianischen Karnevalsmärsche, eine Hommage an Chico Buarque und eine Diskothek, in der sich die Sambatänzer abwechselnd als Elvis Presley, James Brown und Michael Jackson präsentierten. Die allegorischen Wagen der Schule, die bereits in den vergangenen zwei Jahren Vize-Meister wurde, sorgten wieder für Sensation in der Avenida mit dem Markenzeichen von aus hunderten von menschlichen Körpern geformten, beweglichen Skulpturen.
Die sechste Schule, Império Serrano, die ohne Sponsor auskommen musste, präsentierte das Göttliche, indem sie Prozessionen und religiöse Feste nachbildete. Der fehlende Luxus bei den Wagen und Kostümen wurde durch einen einfachen Samba kompensiert, der als einer der besten diesen Jahres gilt und sofort vom Publikum mitgesungen wurde. Den Abschluss der Nacht machte die traditionelle Schule Portela, die schon am ersten Umzug im Jahre 1932 teilnahm. Portela hatte im vergangenen Jahr in einer chaotischen Parade ihre ältesten Ehrenmitglieder aussen vor lassen müssen, was zu tränenreicher Enttäuschung geführt hatte. Die sogenannte Velha Guarda wurde dieses Jahr besonders geehrt und als Entschuldigung auf dem ersten allegorischen Wagen in die Avenida gefahren.
Annette Runge für BrasilienPortal