Endlich hat der Karneval 2009 auch unter dem Zuckerhut begonnen. In der gestrigen Nacht fanden die ersten sechs Paraden im Sambódromo Marquês de Sapucaí statt. Darüber berichten wir natürlich ausführlich, zuvor möchten wir jedoch noch einmal auf unseren Podcast Spezial hinweisen. Für alle Brasilien-Karnevalfans steht nun der Podcast über den Carnaval im Nordosten Brasiliens weiterhin zum Anhören und Herunterladen bereit. Wer also den Karneval auf der Strasse lieber mag als die organisierten Paraden, ist dort genau richtig.
Aber nun hinein in die Hitze der Nacht, ins Sambódromo von Rio de Janeiro. 80.000 Zuschauer, darunter auch Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva erwarteten mit Spannung die diesjährigen Präsentationen der besten Sambaschulen der Stadt. 12 Schulen sind in der Spezialgruppe zusammengefasst, jede hat 80 Minuten Zeit, die von Stararchitekt Oscar Niemeyer entworfene und 1984 eingeweihte Paradestrecke zu absolvieren. Die Reihenfolge der Schulen wurde per Losverfahren ermittelt, sechs Schulen durften in der Nacht zum Montag ihre Kreativität zur Schau stellen, die restlichen können einen Tag später ihr Können beweisen. Vorweg gesagt, es war nicht nur für die Zuschauer in der Arena ein atemberaubendes Fest, auch für Millionen TV-Zuschauer weltweit schien die Stimmung am frühen Montagmorgen den Siedepunkt zu erreichen.
Den Auftakt der langen Sambanacht machte Império Serrano. Die Schule feierte ihre Rückkehr in die “Grupo Especial“ mit einer Würdigung der Wassergöttin Iemanjá. Die Zuschauer fanden sich dabei in einer fantastischen Unterwasserwelt wieder, Meerjungfrauen und Seepferdchen, selbst der bei Seefahrern gefürchtete Neptun war zugegen. Mit 3.800 Teilnehmern, sieben Motivwagen und 31 Kostümgruppen beschrieb Império die Faszination der Meere und lieferte mit einem umgeschriebenen Samba aus dem Jahr 1976 auch die passende musikalische Begleitung.
Danach wurde es äusserst französisch im Sambódromo von Rio de Janeiro. Die Sambaschule Grande Rio widmete ihre Präsentation dem europäischen Land und liess dafür sogar echte Chan-Chan-Tänzerinnen aus Paris einfliegen. „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ waren dann auch Kernthema der Parade. Ebenfalls 3.800 Teilnehmer, sieben Allegoriewagen und ganze 33 Kostümgruppen vermittelten einen hervorragenden Eindruck über die Geschichte Frankreichs, selbst Sonnenkönig Luis XIV. schwebte in gigantischen Ausmassen über die Paradestrecke.
“100 Jahre Stadttheater“ war das Thema der Sambaschule Vila Isabel. Das berühmte Theater in Rio de Janeiro feiert in diesem Jahr runden Geburtstag und wurde dementsprechend auch im Sambodrómo gewürdigt. Unter anderem präsentierte die Schule eine riesige leere Bühne auf einem der Motivwagen, die dann von den Mitwirkenden auf der Strecke blitzartig für eine Opernvorstellung bevölkert wurde. Natürlich war auch Samba-Legende Martinho da Vila zugegen und wurde vom Publikum frenetisch gefeiert. Besonders bestaunt wurde auch der erste Allegoriewagen, der aus drei einzelnen Abschnitten bestand und eine Gesamtlänge von über 50 Metern aufwies.
Mocidade Independente war die vierte Sambaschule der Nacht. Als sie auf die Paradestrecke kam, steckte vielen Teilnehmern noch der Schreck in den Knochen, denn ein Motivwagen hatte kurz zuvor Feuer gefangen. Noch unter Begleitung von Qualm und Feuerwehrmänner kam der Wagen in die Arena. Irgendwie passte dies jedoch zum Motto der Präsentation, welche die Literatur Brasiliens und damit natürlich auch Bücher würdigte. Ein weiterer Zwischenfall ereignete sich, als der karnevalistische Leiter von einem Motivwagen angefahren und fast überrollt wurde. Er konnte jedoch noch von Teilnehmern unter dem Wagen hervorgezogen werden. Am Ende benötigte die Schule 81 Minuten und lag damit über der vorgeschriebenen Zeit. Der Titel ist nach der von Pannen durchzogenen Parade damit ausser Reichweite gerückt.
Als vorletzte Schule kam dann der Sieger der beiden Vorjahre, Beija-Flor, ins Sambódromo. Ohne Zwischenfälle absolvierten die “Kolibris“ ihre Präsentation zu den Samba-Rhythmen von Neguinho, der Minuten zuvor in der Arena geheiratet hatte. Motto der Parade war die Geschichte des Badezimmers und es wurde an keinerlei Details gespart. Welche Funktionen dieser Raum in den unterschiedlichsten Kulturen hatte, wie er sich entwickelte, all dies konnten die begeisterten Zuschauer, darunter Staatspräsident Lula als bekennender Fan der Sambaschule hautnah miterleben. Ob es für die Titelverteidigung in diesem Jahr reicht, bleibt abzuwarten. Hervorragend war die Parade allemal.
Am Ende der Nacht ging es dann hinauf in den Weltraum. Die Sambaschule Unidos da Tijuca entführte die Zuschauer in die unendlichen Weiten aus verschiedenen Perspektiven. Die Legenden um das All, die Erkenntnisse der Wissenschaft, kindliche Träume bis hin zu Science-Fiction Filmen wurden auf den sieben Allegoriewagen thematisiert. Auch bei dieser Parade gab es Probleme mit einem der gigantischen Gefährte, was den Einzug einiger Kostümgruppen verzögerte. Mit Sicherheit wird auch dies von der strengen Jury mit Punktabzug bestraft.
Soviel für heute vom Karneval in Brasilien – in Zusammenarbeit dem brasilien Magazin. Morgen gibt es natürlich eine weitere Berichterstattung, dann von der zweiten Nacht im Sambódromo in Rio de Janeiro. Am Donnerstag erfahren Sie dann an dieser Stelle, wer den Titel in diesem Jahr mit nach Hause nehmen darf.