Mit den Präsentationen der ersten sechs Sambaschulen der ‚Grupo Especial‘ in Rio de Janeiro hat der Karneval in Brasilien endgültig seinen Höhepunkt erreicht. Das Sambódromo Marquês de Sapucaí erlebte ein Feuerwerk an Farben und Rhythmen, die luxuriösen Paraden begeisterten nicht nur zehntausende Zuschauer in der Arena, auch Millionen Menschen weltweit verfolgten das Spektakel im Fernsehen oder Internet.
Die gewohnt war die Paradestrecke innerhalb von 82 Minuten zu bewältigen, aufgrund eines Feuers in der „Cidade do Samba“, bei dem tausende Kostüme und zahlreiche Motivwagen der Schulen Portela, União da Ilha Govenador und Grande Rio vernichtet wurden, entschied man jedoch, die Regeln ein wenig abzuändern. Die drei betroffenen Sambaschulen nahmen zwar teil, wurden jedoch nicht gewertet. Zudem muss auch keine Schule der „Spezialgruppe“ bei der Wertungsvergabe am Mittwoch befürchten, in die „Aufstiegsgruppe“ abzusteigen. Die Vereinigung der Sambaschulen hatte einstimmig beschlossen, dieses Verfahren in diesem Jahr auszusetzen und dann im kommenden Jahr zwei Schulen statt wie gewohnt eine Schule in die niedere Klasse zu verbannen.
Als erste Sambaschule musste São Clemente ihr Können erweisen. Erstmalig in der höchsten Liga angesiedelt, wählten die Verantwortlichen das Motto „Dein, mein, unser Rio – von Gott gesegnet und schön von Natur„. So standen dann auch die Naturschönheiten wie der Zuckerhut oder der botanische Garten im Mittelpunkt der Präsentation. Zudem wurden die Pluralität aber auch das tägliche Verkehrschoas der Metropole thematisiert, ein Motivwagen gedachte als Arche Noah zum Abschluss den Opfern der verheerenden Flutkatastrophe im April 2010. Die Zuschauer sahen eine extrem farbenfrohe Show und konnten den eingängigen Samba-Enredo mit einem leicht zu merkenden Refrain gemeinsam mit den 3.200 Teilnehmern auf der Paradestrecke ohne Probleme nach kurzer Zeit mitsingen.
Mit einem Streifzug durch die Geschichte der Medizin versuchte Impératriz Leopoldinense als zweite Sambaschule des Abends mit dem Motto „Die Imperatriz macht bekannt: Samba tut der Gesundheit gut“ den schlechten 8. Platz vom vergangenen Jahr vergessen zu machen. Ein echter Springbrunnen mit Wasser, Clown-Doktoren, eine 5 Meter grosse Nachbildung eines Menschen und die viele unterschiedliche Kostümgruppen fanden auch gehörigen Applaus beim Publikum. Auch generische Medikamente, Antibiotika, Schweine- und Vogelgrippe, Tierversuche oder die Mumifizierung der Toten im alten Ägypten wurden thematisiert. Zudem fanden Heilkunde aus dem alten Afrika, China oder Griechenland sowie Themen wie Schwangerschaft, Implantate und Wunschbabys Einzug in die umfangreiche Parade. Eine Schrecksekunde gab es kurz vor der Präsentation, als ein Wagen leicht Feuer fing, die eilig herbeigerufene Feuerwehr konnte den Brand jedoch schnell löschen.
Mit Portela kam die erste Sambaschule auf die Paradestrecke, die in diesem Jahr nicht gewertet wird. Obwohl rund 2.500 Kostüme und Teile der Motivwagen den Flammen zum Opfer fielen, hatten die vielen freiwilligen Helfer diese trotz der kurzen Zeit nochmals anfertigen können. So präsentierte sich die Schule unter dem Motto „Rio, Blau in der Farbe des Meeres“ auf den ersten Blick durchaus als konkurrenzfähig. Die 4.000 Teilnehmer zauberten eine luxuriöse Show über Mythen und Kreaturen des Meeres in die Arena, die Allegorien waren detailreich, die Kostüme farbenfroh. Allerdings hatten die Verantwortlichen auch mit neuen Problemen zu kämpfen. So klemmte ein Motivwagen, dessen Einfahrt ins Sambódromo sich dadurch etwas verzögerte. Und bei einem anderen Gefährt wurde ein Teil des Aufbaus umgerissen, als dieser einen Pfosten streifte. Dabei fiel zudem eine Samba-Tänzerin hinunter, zog sich aber keine schlimmen Verletzungen zu. Unterstützung bekam Portela von Ronaldinho Gaúcho, der an der Parade teilnahm.
Die Sambaschule Unidos da Tijuca hat mit ihrer Präsentation deutlich den Anspruch auf die Titelverteidigung angemeldet. Der Vorjahressieger thematisierte die Action- und Gruselfilme im Kino unter dem Motto „Heute Nacht nehme ich deine Seele mit„. So war bereits die Begrüßungskommission mit kopflosen Gestalten mehr als gruselig und überraschte das Publikum mit Spezialeffekten. Die farbenfrohen Kostümgruppen präsentierten jede Menge bekannte Filme wie Nightmare, Star Wars oder Stargate, die Motivwagen zeigten Szenen aus Kassenschlagern. Überwältigend war dabei jedoch die Ausstattung der Allegorien wie ein scheinbar schwebender Tisch mit 30 Personen aus einem Harry-Potter-Film, ein mit Wasser gefülltes großes Schwimmbecken, aus dem sich der weiße Hai herauswagte oder ein riesiger rollender Stein, vor dem Indianer Jones flüchtete. Vor lauter Feiern wurde allerdings auch ein wenig getrödelt, doch am Ende kamen sämtliche 3.800 Teilnehmer gerade noch in der vorgeschriebenen Zeit von 82 Minuten über die Ziellinie.
Die Samba-Parade von Vila Isabel dürfte in zweierlei Hinsicht eine haarige Angelegenheit sein. Zum einen thematisierte die Schule ihren Samba-Enredo „Mythen und Geschichten an den Haaren miteinander verwoben„, konnte dies jedoch keineswegs einleuchtend vermitteln. Während die Schlangenhaare der Medusa, die Geschichte Rapunzels oder die Perücken in der französischen Renaissance noch passten, gingen viele Kostümgruppen schlichtweg am Thema vorbei. Ernüchtern war dann auch die Zuschauerwertung im Fernsehen, wo die Schule den letzten Platz belegte. Da half auch nicht die Anwesenheit von Top-Model Gisele Bündchen, die auf dem letzten Allegoriewagen an der Parade teilnahm. Während alle anderen knapp 4.000 Teilnehmer mit einer Perücke ausgestattet wurden, durfte sie ihre natürliche Haarpracht zeigen. Schließlich ist sie derzeit im Fernsehen für ein Haarpflegemittel omnipräsent, welches gleichzeitig die TV-Übertragung des Karnevals sponsert.
Gegen 4:45 Uhr ging mit Mangueira die letzte Schule der ersten Nacht auf die Paradestrecke. Das Sambódromo erstrahlte in den traditionellen Farben grün und rosa, auch der zwischenzeitlich eingesetzte Regen konnte die Stimmung nicht trüben. Dabei hatte die Schule zunächst mit dem ersten Motivwagen zu kämpfen, konnte dann jedoch in routinierter Manier mit ihrer Parade unter dem Motto „Der treue Sohn, stets Mangueira“ beginnen. Der 17-fache Titelgewinner widmete seine Parade dem Samba-Komponisten Nelson Cavaquinho, der in diesem 100 Jahre alt geworden wäre. Die einzelnen Kostümgruppen und Motivwagen zeigten dementsprechend Stationen seines Lebens und Schaffens. Viel Zeit konnten sich die rund 4.000 Teilnehmer der Schule allerdings nicht lassen, denn durch das Vorlesen eines Gedichtes zu Ehren des Künstlers begann bereits die Uhr zu laufen. Trotzdem kam der gesamte Tross mit seinen acht Allegoriewagen gerade noch rechtzeitig ins Ziel.
In der kommenden Nacht stehen nun weitere sechs Sambaschulen auf dem Programm, von denen vier um den begehrten Titel kämpfen. Am Mittwoch werden dann in der mit Spannung erwarteten „Apuracão“ die Ergebnisse bekannt gegeben. Am kommenden Wochenende finden dann noch die grossen Siegerparaden zum Abschluss des diesjährigen Karnevals statt.