Jedes Jahr auf Neue können wir eine wichtigste Feststellung machen: Das BrasilienPortal und seine Partnerseite Rio-Karneval scheinen auch weiterhin die Top-Informationsquelle für den Karneval in Rio zu sein. Regelmäßig bekommen wir über diese beiden Seiten Anfragen zu Fotos, Artikeln oder Interviews. In der letzten Woche hat uns dabei Radio Energy Zürich kontaktiert und für ein Interview ins Studio eingeladen. Da dies aber ein bisschen weit war, hat der in Brasilien lebende Redakteur und Portal-Mitinhaber Dietmar Lang am Donnerstag (27.) ein Telefon-Interview geführt. Leider war es nur eine Aufzeichnung, so dass der Sender am Ende den überwiegenden Teil des Interviews einfach herausschneiden konnte. Übrig blieben dabei leider nur drei Fragen von 1 Minute und 50 Sekunden Dauer.
Begründet wurde der „Schnitt“ mit fehlender Sendezeit, was gerade beim Radio zumindest für den Laien schwer nachvollziehbar ist. Man hätte in der besagten Stunde statt neun Musiktiteln eben einfach nur acht spielen müssen. Aber über die Programmpolitik von Radio Energy Zürich soll es hier nicht gehen. Glücklicherweise haben auch wir das Interview mitgeschnitten und konnten so im Anschluss unsere Antworten einfach abtippen. Denn wir denken, das sind viele Infos drin, die man nicht so einfach im Archiv verschwinden lassen sollte. Lesen Sie also nachfolgend exklusiv das komplette Interview mit Radio Energy Zürich nach – am Ende findet sich der Vollständigkeit halber zudem das am Freitag (28.) gegen die Mittagszeit gesendete Interview zum Anhören!
Vollständiges Transkript des Interviews
Wie lautet der Korrekte Ausdruck des Karnevals in Brasilien auf Portugiesisch?
Carnaval do Brasil. Klingt schön oder? Im Fall von Rio de Janeiro ist es der Carnaval do Rio oder noch besser der Carnaval Carioca – als Cariocas bezeichnen sich die Menschen von Rio.
Der Karneval in Brasilien ist doch keine urbrasilianische Erfindung, oder?
Im Einwanderungsland Brasilien ist es auf jeden Fall der vermischen der Kulturen zu verdanken. Mit den Portugiesen kam im 18. Jahrhundert der „Entrudo“ nach Brasilien – mehr eine recht derbe und ruppige Gaudi für das einfache Volk. Man bewarf sich Mehl und Eiern, zur Not auch mit Matsch, ein letzter Spaß vor der Fastenzeit. Später versuchte man das dann zu zivilisieren, erste Clubs wurden gegründet, die Oberschicht veranstaltete vornehme Karnevalsbälle.
Doch es gab auch immer mehr Gruppen, die an den närrischen Tagen durch die Straßen zogen. Und die Zuschauer begannen irgendwann, die unterschiedlichen Präsentationen zu bewerten. So wurden seit Anfang des letzten Jahrhunderts immer mehr Vereine gegründet, die sich ganz die Paraden konzentrierten, wo sie jeweils die besten sein wollten. Erst nur in einigen Viertel, dann in der ganzen Stadt, immer mehr Sambaschulen wollten mit dabei sein.
Wie sind die Sambaschulen organisiert und was ist ihre Funktion?
Eine Sambaschule ist in erster Linie ein ganz normaler Verein, der sich wie im Fußball für eine spezielle Leistungsklasse qualifizieren muss. In Rio de Janeiro gibt es gleich mehrere Ligen, wo alljährlich Wettbewerbe stattfinden, die besten steigen auf, die schlechtesten ab. Ein Verein mit wenig Geld hat kaum Chancen, da geht es nur um die Spaß an der Freud‘.
Doch mit dem Erfolg kommt das Geld. In der 1. Liga, der Spezialgruppe, defiliert man live im TV – vor einem Millionenpublikum. Das lockt Sponsoren an und mit mehr Geld kann man im nächsten Jahr eine noch ausgefallenere Parade mit gigantischen Motivwagen und luxuriösen Kostümen bieten und sich unter den besten Schulen behaupten. Fehlt das Geld, steigt man womöglich in die 2. Liga ab. Obwohl die Paraden dort fast genauso spektakulär sind, werden sie nur noch Regionalprogramm übertragen. Man kann das durch aus mit dem Fußball vergleichen. Es ist ein knallharter Wettbewerb.
Wie kann man den Wettbewerb der Samba-Schulen erklären?
Für die Sambaschulen gilt eigentlich immer: nach der Parade ist vor der Parade. Wenn nächste Woche die Paraden vorbei sind, konzentriert man sich schon auf 2015. Die Fehler von diesem Jahr müssen reflektiert werden, ein neues Motto muss her. Denn das ist ein wichtiger Punkt des Wettbewerbs. Um das Motto herum schneidern die Kreativen dann die Motivwagen und die Kostümgruppen. Jede Schule geht ja mit gut 4.000 Teilnehmern auf die Paradestrecke, da muss jedes Detail stimmen. Monatelang wird daher auch geprobt.
Zunächst im Verein oder im dortigen Viertel selbst, in den letzten Wochen dann direkt auf der Paradestrecke. Alles für den einen großen Auftritt vor dem Publikum und der vielköpfigen Jury. Und das ist eine ganz schön komplizierte Geschichte. In 10 Klassen wird die Parade von jeweils vier Wertungsrichtern bewertet, das jeweils schlechteste Ergebnis gestrichen. Bleiben 30 Wertungsnoten übrig. Noten gibt es unter anderem es auf Kostüme, Darbietung, die Begrüßungskommission, die Fahnenträger, den Samba-Enredo, das Zusammenspiel und den Ablauf.
Macht also irgendwo jemand einen Fehler, kostet das Punkte und damit fast immer auch die Titelchance. Im letzten Jahr hat Vila Isabel mit 299,7 Punkten von 300 möglichen Punkten gewonnen. Das geht nur mit Perfektion und absoluter Disziplin aller Teilnehmer.