Mit imposanten Allegorien haben die Sambaschulen São Paulos auch in der zweiten Nacht der Paraden im Sambódromo Anhembi aufgewartet. Über 20.000 Karnevalisten der sieben Sambaschulen zogen singend und tanzend und mit fantasievollen Kostümen verkleidet über die Avenida, um die Geschichten ihrer enredos zu erzählen. Die handelten von Diamanten, Gold, Musik, Träumen, Karten, Schauspielern und auch dem Regen. Letzterer ist dieses Jahr zum Glück trotz gegenteiliger Wettervorhersage ausgeblieben.
Für eine glänzende Darbietung sorgte die traditionsreiche Unidos de Vila Maria. Sie brachte die Diamanten auf die Avenida im Sambódromo Anhembi. Erst 2014 gewann die Sambaschule aus der Nordzone São Paulos mit der Höchstnote die Paraden der Grupo de Acesso. Jetzt gab sie bei der Elitegruppe ihr Bestes, setzte 144.000 glänzende Steine ein und zeigte alles rund um die Diamanten. Goldwäscher und Garimpeiros, Edelsteinsucher, die einst nach Brasilien kamen, um dort ihr Geld zu machen, tanzten über die Avenida und das Taj Mahal, bei dessen Bau 500 Kilogramm des Edelsteins verwendet wurden, zog als beeindruckende Allegorie vorüber. Gedacht wurde ebenso der “Mutter Erde Afrika“ mit ihren Diamantminen. Aber auch der Einsatz des härtesten Minerals in der Industrie sowie Filme und Musik, die ihm zu Ehren entstanden sind wurden dargestellt. Nicht fehlten ebenso tanzende Verlobungsringe und Kronen.
Ein wahres Spektakel rund um die Spielkarten bot Gaviões da Fiel. Kartenspiele, die fesseln, die verzaubern, die in die Zukunft sehen waren ihr Thema, das sie eindrucksvoll vorbrachten. In nahezu perfekter Harmonie schritten Könige, Damen, Buben und Joker durch das Sambódromo. Magier zauberten mit Karten und Kartenleser warfen auf den imposanten Allegorien einen Blick in die Zukunft. Nicht fehlte ebenso der Hinweis auf das Spiel mit dem Feuer und auf die dunkle Seite der Kartenmagie. Auch diese wurde beeindruckend mit einem der allegorischen Wagen dargestellt, auf denen feuerfarbene Skelette den Ton angaben und furchteinflösende Monster tanzten. Fast die gesamte Strecke hinweg ernteten die 3.000 Mitwirkenden immer wieder begeisterte Jubelrufe. Allerdings machten sie es äußerst spannend, ob sie ihre Parade in der vorgeschriebenen Zeit von 55 bis 65 Minuten zurücklegen werden. Erst in allerletzter Sekunde verschwanden der letzte Wagen und Darsteller hinter der Grenzlinie.
Mit Spannung erwartet wurde der Auftritt des Siegers der vergangenen drei Jahre, der Mocidade Alegre. Sie ehrte mit dem Thema “Bühne des Lebens“ die 1943 geborene Schauspielerin, Sängerin, Balettänzerin und Theaterdirektorin Marília Pêra. Die in Brasilien beliebte große Dame der Bühnen war sogar selbst mit auf einen der fünf allegorischen Wagen vertreten, von dem herunter sie sichtlich gerührt dem Publikum zuwinkte. Angesichts all ihrer Erfolge während ihres Schauspielerlebens, gab Mocidade Alegre mit seinen Allegorien und 3.000 Komponenten ebenso einen Einblick in die Novelas, die brasilianischen Seifenopern. Nicht fehlte auch Carmen Miranda, der ein eigener Wagen gewidmet war.
Die Träume großer Denker wurden von Império de Casa Verde eindrucksvoll dargestellt. Auftakt zur Reise ins Land der Träume gab der griechische Gott der Träume Morpheus, der ins Reich von Walt Disney entführte und in die Kinderzimmer. Im Mittelpunkt stand jedoch der große Traum der Freiheit und der Gleichheit aller Menschen. Symbolisiert wurde dieser mit Martin Luther King und Nelson Mandela, die auf dem eindrucksvollen allegorischen Wagen “utopisches Afrika“ vertreten waren. Auf diesem trohnte ein imposanter Afrikaner umringt von Gazellen, Löwen, Elefanten und Zebras und mit einer Friedenstaube in den Händen. Auch Künstler wie Bob Marley, John Lennon und Salvador Dali, die in ihren Werken immer wieder die Freiheit und den Frieden anprangerten, waren eigene alas gewidmet.
Eine äußerst beeindruckende Parade mit überwältigenden “Fantasias“, Kostümen und Allegorien zum Thema Gold lieferte Acadêmicos do Tatuapé. Sie erzählten wie das edle Metall die Geschichte Brasiliens geprägt hat. Eindrucksvoll zeigte der Wagen mit “Chico Rei“, König Chico, das Leiden der Sklaven, die in den Minen Ouro Pretos Gold zu Tage fördern mussten. Einst selbst als Sklave nach Brasilien gekommen, gelang es Chico Rei seine Freiheit und später eine eigene Mine zu erkaufen. Weil er auch andere Sklaven und vor allem die in den Minen arbeitenden Kinder freikaufte, wurde er von seinen Landsleuten als König verehrt. Nicht fehlte ebenso die “serra pelada“ im Amazonas-Regenwald. Das weltweit größte Tageabbaugebiet von Gold gelangte in den 80er Jahren wegen seiner menschenunwürdigen Zustände zu trauriger Berühmtheit. Über die Avenida tanzten aber auch die Piraten mit ihren Schätzen, goldene Kronen und Heiligenfiguren und ebenso die “Goldene Hochzeit“. Allerdings haben die Acadêmicos do Tatuapé anscheindend das Zeitlimit von 65 Minuten um wenige Sekunden überschritten. Mit einem Punkteabzug müssen sie deshalb wohl rechnen.
Mit kleinen Problemen hatte Vai-Vai zu kämpfen,die 2015 ihr 85-jähriges Bestehen feierte. Einer der Wagen war nur schwer auf der geraden Spur zu halten. Doch die Mitwirkenden gaben ihr Bestes. Mit dabei war auch die älteste Baiana São Paulos, Dona Olímpia. Die hundertjährige Dame trohnte auf einem der imposanten allegorischen Wagen. Mit ihrer Darbietung ehrte Vai Vai die 1982 verstorbene brasilianische Sängerin Elis Regina. Herausgekommen ist ein Streifzug durch die Musikgeschichte des Landes mit seinen berühmten Bossa Novas, Samba, Rock und Jazz und somit der populären Musik Brasiliens, dem MBP.
Dem Regen widmete sich X-9 Paulistana. Hinter der Wahl des Themas stand allerdings nicht der Mangel an Wasser, der die Megametropole und andere Regionen Brasiliens seit Monaten geißelt. Vielmehr wurde das Thema aufgefriffen, weil X-9 Paulistana im vergangenen Jahr bei ihren Umzug mit Niederschlag zu kämpfen hatte. Schon bei Sonnenaufgang am Sonntagmorgen tanzten nun nach dem Regen sprießende Pflanzen, Früchte sowie Hagelkörner und ebenso in den Regengott verliebte Zikaden über die Avenida. Phantasievoll erzählten sie Legenden der Indios und der Afrobrasilianer, die sich rund um das Wasser drehen. Nicht fehlten ebenso der Regentanz, der Regenbogen und die Gottheiten der Flüsse, des Donners und der Winde. Sie warteten mit beeindruckenden Allegorien über die Kraft der Natur auf aber auch über die leeren Stauseen. Nicht fehlte ebenso die soziale Kritik über die Zerstörung der Natur, die Geldgier und den Baumboom, die letztlich den Wasserhaushalt beeinflussen. Einer der Wagen wurde mit einer Tonne Müll „verziert“, der auf den Straßen São Paulos aufgesammelt wurde. Er sollte zeigen wie achtlos weggeworfener Müll Flüsse, Quellen und Bäche verschmutzt und die Kanalisation verstopft.
Auch wenn die Sambaparaden 2015 in São Paulo nun beendet sind, hält die Spannung weiter an, bis die Punkte und Noten offiziell ausgezählt werden. Fest steht indes, dass die 14 Sambaschulen der Elitegruppe mit ihren herausragenden Darbietungen für ein einzigartiges Spektakel gesorgt haben.