Sponsoren sind die willkommene Quelle für einige Sambaschulen von Rio de Janeiro, um sich mit ihren Karnevalsparaden in der Spitzengruppe “Grupo Especial“ halten zu können.
Um der 1956 geschaffenen Devise “Nicht schlechter, nicht besser – lediglich eine andere Schule“ – auch im Jahr 2016 zu entsprechen, präsentiert die Sambaschule Salgueiro eine ungewöhnliche Geschichte. Zum ersten Mal beim Karneval von Rio hat ein Investor einer Sambaschule vorgeschlagen, ein Projekt zu Ehren einer spiritistischen Persönlichkeit zu entwickeln.
Vorschlag angenommen – die Salgeiro gibt den Namen jenes Sponsors nicht preis, auch nicht, wie viel sie für die Entwicklung jenes Themas von ihm bekommen hat. Sie begegnet der allgemeinen Neugier lediglich mit der Information, dass diese Person es selbst gewesen sei, von der ihre Schule auserwählt wurde.
“Die Salgueiro hat ein Thema, welches von einer geistlichen Persönlichkeit gesponsert worden ist, und das ist etwas anderes. Habt ihr so was schon einmal gesehen? Eine Schule, die von einer Persönlichkeit gesponsert wird, die sich mit dem Volk verbunden fühlt? Ich fühle mich, ich weiss nicht wie – in gewissem Sinne eigenartig“, sagte der Karnevalist Renato Lage in einem Interview.
Die Schule kommt mit dem Thema “A Ópera dos Malandros“ (Die Oper der Gauner – von Chico Buarque) auf die Avenida. Die Figur des “Rei da Ginga“ wird in verschiedenen Charakteristika präsentiert, um schliesslich gegen Ende der Parade, als ein “Gauner des Glaubens und des Friedens“ dazustehen. “Wir sprechen nicht vom Gauner im negativen Sinn, dem Verbrecher. Heute findet man eher den Gauner als Dieb, schädlich für das Land und die Gesellschaft – den Gauner in der Politik – so was alles. Wir sprechen vom poetischen Gauner, der von den Hügeln (Favelas) herabgestiegen ist, um die Liebe in der Nacht zu finden“, versucht Lage zu erklären.
Obwohl solche gesponserten Paraden die fehlenden finanziellen Mittel ausgleichen können, führen sie leider auch zu einer Polemik, die das Leben der entsprechenden Sambaschulen in Aufruhr versetzt. Im Jahr 2015 fand sich die Sambaschule Beija-Flor mit dem Thema “Um Griô Conta a História: um Olhar sobre a África e o Despontar da Guiné Equatorial. Caminhemos sobre a Trilha de Nossa Felicidade” (Ein Blick nach Afrika und Guinea Äquatorial – wir wandern auf dem Pfad unseres Glücks) inmitten einer Polemik wieder, weil sie für diese “Werbung für das afrikanische Land“ zehn Millionen Reais (fast zweieinhalb Millionen Euro) bekommen hatte.
Nach zahlloser Kritik, war diese Geschichte dann immer noch nicht ganz aufgeklärt. Beija-Flor und auch die Regierung jenes Landes verneinten, dass das von der Schule empfangene Geld aus den Steuerabgaben des afrikanischen Volkes oder des Präsidenten Teodoro Obiang Nguema Mbasogo stammte, der seit 1979 dort als Diktator herrscht. Mal abgesehen von dieser Diskussion – die Beija-Flor wurde Champion 2015 und will in diesem Jahr 2016 wieder an der Spitze verbleiben!
Für dieses Jahr hatte die Beija-Flor drei Themen auf die Möglichkeit eines Sponsorrats untersucht, sich dann jedoch für ein anderes entschieden, das durch eine Information eines Rhythmikers des Vereins ausgelöst wurde. Er ist in Nova Lima geboren, im Bundesstaat Minas Gerais, und erzählte, dass seine Stadt einen illustren Sohn hervorgebracht hat: den Marquês de Sapucaí (nach dem die Parade-Avenida des Sambadroms benannt ist) – der historische Marquis ist Thema der Beija-Flor beim Karneval 2016.
Der Karnevals-Direktor der Beija-Flor, Laíla, sagte, dass dieser Vorschlag sehr gut zur Idee der Schule passt, diesmal ein weniger kostspieliges Projekt zu entwickeln, mit bescheideneren Charakteristika, wie man sie auch bei den Paraden von 1960, 1970 und 1980 erleben konnte. “Unsere Leute haben miteinander gesprochen und sind zu der Ansicht gekommen, dass dieses Thema bestens dazu geeignet ist, unser Gesicht zu verändern. Zu versuchen, ein bisschen weniger Aufwand zu treiben und die Kosten niedriger zu halten. Ein gut erarbeiteter Karneval, aber mit alternativer Ausstattung“, erklärte er.
Laíla enthüllte, dass er sogar nach Nova Lima gereist sei, um herauszufinden, ob er von der dortigen Präfektur vielleicht einen Zuschuss erhalten könnte – dort bekam er jedoch eine Absage, weil die Wirtschaftskrise auch dieses Munizip nicht ungeschoren gelassen hätte. Trotzdem gäbe es eventuell die Möglichkeit, vielleicht von den dortigen Bergbauunternehmen einen solchen Zuschuss zu bekommen – was sich jedoch nicht bestätigte und besonders nach der Katastrophe durch den Dammbruch der “Barragem do Fundão“ in Mariana (Minas Gerais) unwahrscheinlich erscheint.
Die Sambaschule Estação de Sá hatte Gelegenheit, zwei gesponserte Themen für ihren Karneval zu entwickeln, wählte schliesslich ein Projekt, welches vom Karnevalisten Chico Spinoza vorgeschlagen wurde: “Salve Jorge! O Guerreiro da Fé“ (Heil Georg! Der Krieger des Glaubens). Dem Präsidenten Leziário Nascimento gefiel der Vorschlag, besonders weil er selbst ein Anhänger des heiligen Sankt Georg ist. Er bestätigte, dass die wirtschaftliche Krise auch seinen Verein erreicht habe, und dass er einen Ausweg mit eigenen Rücklagen finanziere, ausserdem baue er auf billigeres und wieder verwendbares Material.
Das alles ergänzt durch eine gewisse Dosis Glauben und die Beteiligung seines Schutzpatrons Sankt Georg. “Er hilft uns sehr. Manchmal fehlt uns irgend etwas da und dort – kurze Zeit später treiben wir es auf. Das ist er, der den Daumen drauf hat. In diesem Leben darf man de Glauben nicht verlieren“!
“Fui no Itororó Beber Água e Não Achei. Mas Achei a Bela Santos, e por Ela Me Apaixonei…” (Ich war in Itororó, um Wasser zu trinken und fand keines. Aber ich fand die Bela Santos, und in sie hab’ ich mich verliebt . . .). Das ist das diesjährige Parade-Thema der Sambaschule Grande Rio, die ebenfalls nicht die Mittel bekommen hat, die sie erwartete.
Der Karnevals-Direktor, Ricardo Fernandes, sagte, dass die Unterstützung durch die Präfektur der Stadt Santos sich auf den kulturellen anstatt den finanziellen Teil beschränken musste – trotzdem hätten ein paar Unternehmen ihre Hilfe zugesagt. “Wir haben es geschafft, von diesen Unternehmen etwas zu bekommen, aber die Unterstützung der Präfektur fehlt und immer noch sehr“, bestätigte Fernandes.
Die Unidos da Tijuca folgte der Idee ihres Präsidenten, Fernando Horta, ein Thema zu wählen, welches mit dem eigenen Land Brasilien verbunden ist. Nach einer ausgiebigen Untersuchung stiess man auf das Städtchen Sorriso, im Bundesstaat Mato Grosso, das als Basis zur Entwicklung des Themas “Terra“ (Erde) erkoren wurde. Ohne externe finanzielle Unterstützung, erzählt der Karnevalist Mauro Quintaes, dass dieses Thema die Wiederverwendung von Materialien erleichtert und die Kosten gebremst habe.
“Geholfen hat auch die Tatsache, dass unsere Schule vom Land erzählt, also haben wir die teuren Federn durch Palmstroh, Jute und Maisstroh ersetzen können. Die Struktur der Kostüme ist dadurch ebenfalls viel günstiger ausgefallen. Fast 80% der Kunstfedern konnten wir durch eben diese organischeren Materialien ersetzen. Insgesamt haben wir allerhand dabei gespart“, freute sich der Karnevalist.
Bei der Mocidade Independente de Padre Miguel kam die bedeutendste Unterstützung seitens des Patrons der Schule, dem Unternehmer Rogério Andrade, obgleich sie auch auf ein paar andere Sponsoren zählen konnten. “Die Sponsoren meldeten sich so nach und nach, aber Gott sei Dank haben wir einen guten Patron. Er liebt uns und hat sein Herz an die Mocidade verloren“, erzählte der Präsident der Schule, Wandyr Trindade, den man als “Macumba“ kennt.
Das Country-Duo, Zezé de Camargo e Luciano, wird in diesem Jahr von der Sambaschule Imperatriz Leopoldinense geehrt. Die Schule hat keine direkte Unterstützung von den Sängern bekommen, aber seit die wissen, dass sie Thema dieser Schule bei der diesjährigen Parade sein werden, haben sie im Gegenzug, wo immer sie aufgetreten sind,
dieses Projekt ausgiebig beworben.
Verschiedene Male sind sie bei den Proben der Schule dabei gewesen und haben den Themen-Samba gesungen. Der Karnevals-Direktor der Imperatriz, Wagner Araújo, sagte, um die Ausgaben zu verringern und keine Schulden zu machen, hätten sie ihr Programm auf der finanziellen Basis des vergangenen Jahres ausgerichtet. “Das war für uns am empfehlenswertesten.
Sollte noch eine Extraspende hereinkommen, können wir das Programm noch etwas verändern, mit einem besseren Stoff, einer besseren Beleuchtung, einer besseren Ausführung der Allegorien – aber das Karnevalsprogramm müssen wir durchziehen mit dem, was wir im Vorjahr erhalten haben. Aber unsere Schule hat nicht einen Centavo Schulden“, hob Araújo hervor.
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